1. Juli 2004
"Gegen Manowar können wir nicht anstinken!"
Interview geführt von Mathias MöllerNach einem eher zwiespältig aufgenommenen "Basement Apes" kehrten Gluecifer im Frühjahr zurück und trieben mit "Automatic Thrill" wieder gehörig die Rocksau durchs Dorf. Front-Klebteufel Biff Malibu hat entsprechend gute Laune, als er auf der Treppe an der Columbiahalle von Monster Magnet, der skandinavischen Rockszene und Vergleichen mit Manowar plaudert.
Ihr seid mit Monster Magnet auf Tour, und habt mit ihnen auch in Skandinavien gespielt. Vor ein paar Jahren seid ihr ja mit den Hellacopters unterwegs gewesen, und es gab nicht wenige, die damals gesagt haben, ihr hättet die Jungs an die Wand gespielt. Könnte es sein, dass ihr bei dieser Tour in Skandinavien als die eigentlichen Headliner angesehen werdet?
Oh nein, überhaupt gar nicht. Es ist eine Monster Magnet-Tour, und wir sind sehr glücklich, dass wir mit ihnen touren können. Ich denke, dass die Leute viel Rock'n'Roll für ihr Geld bekommen. Aber es gibt da keine Konkurrenz. Monster Magnet machen ihr Ding, und wir hoffen, dass uns die Leute auch ein wenig mögen. Vielleicht finden uns die Leute in einer Stadt besser, dafür ist es dann am nächsten Abend wieder anders herum. Who cares?
Passt das denn Soundmäßig? Eurer straighter Rock'n'Roll gegen Monster Magnets Doperock?
Naja, Monster Magnet haben schon einen ziemlich einzigartigen Sound, das stimmt. Man kann sie immer sofort daran erkennen. Ich hoffe, dass das bei uns auch ein bisschen so ist. Aber so ist es doch ok. Manchmal hat man eine Band, und als Vorband spielt dann eine schlechte Kopie dieser Band. Das ist doch bekloppt. So ist das bei uns nicht.
Wie fühlt das neue Material live an? Ihr seid ja im Moment sogar in den Charts mit eurem neuen Album "Automatic Thrill"!
Ja, das stimmt. Man sagt uns, dass es sogar besser läuft als beim letzten Album, das ist doch ok. Wir haben gute Reviews bekommen, und wir selbst sind auch sehr zufrieden. Live machen die neuen Songs großen Spass. Und viele Leute kommen nach der Show zu uns und sagen: "Wir haben euch noch nie gehört, aber morgen gehe ich sofort los und hole mir euer Album!". Im Moment läuft es sehr rund für uns.
Spielt ihr live immer noch viel von eurem "Basement Apes"-Album?
Also bei unserem Set auf dieser Tour ist die Hälfte neues Material, die andere Hälfte ist altes Zeug. Wir spielen immer noch so drei, vier Songs von "Basement Apes". Wir spielen "Reversed", "Easy Living" und "Black Book Lodge" jeden Abend, den letzten Song variieren wir dann. "Brutus" spielen wir noch gerne. Oder wir nehmen noch was älteres hinzu.
Ich frage, weil "Basement Apes" bei vielen Leuten, gerade bei euren Fans, eher als ein Flop angesehen wird. Aber ihr findet es immer noch gut, oder?
"Basement Apes" war unter kommerziellen Gesichtspunkten unser erfolgreichstes Album. Irgendwas müssen wir also richtig gemacht haben. Ich denke, dass viele Leute durch die neuen Sounds abgeschreckt wurden. Da gab es schon einiges zu hören, was die Leute nie von uns erwartet hätten. Es stimmt schon, wir spielen von diesem Album die rockigeren Nummern, Songs wie "Losing End" oder "Little Man" spielen wir schon länger nicht mehr. Aber damals, als wir das Album machten, war es genau das, was wir machen wollten. Auf "Automatic Thrill" haben wir die ganzen Harmonien und die Experimente wieder über Bord geworfen. It's a solid rock record!
Würdest du dieses Album dann als einen weiteren Vorwärtsschritt bezeichnen, oder als einen guten Schritt rückwärts?
Es klingt schon ganz anders als "Soaring With Eagles ..." oder "Tender Is The Savage", würde ich sagen. Es ist ein bisschen dunkler, nicht so frenetisch, nicht so intensiv. Wir spielen nicht die ganze Zeit auf voller Lautstärke. Wir haben uns überlegt, wie wir am besten klingen. Das ist, wenn wir einfach voll nach vorne spielen. Aber wir dachten, es wäre vielleicht falsch, das auf dem ganzen Album zu machen. Vielleicht sollten wir uns ein bisschen zurückhalten und dann explodieren. Es ist eine einfache Gleichung, die tausende von Bands vor uns schon angewandt haben. Die Pixies haben es immer so gemacht. Ein großer Vorteil dabei ist, dass die Songs live viel einfacher zu spielen sind als zum Beispiel die von "Basement Apes". Um deine Frage zu beantworten, es ist wohl ein Schritt vorwärts und gleichzeitig ein Schritt rückwärts. Wir sind gut im Spagat machen.
Ihr habt ja trotzdem mit den selben Leuten im Studio gearbeitet wie bei "Basement Apes". War es diesmal nicht ein wenig anders, wenn man bedenkt wie unterschiedlich die Sounds sind?
Als wir "Basement Apes" mit unserem Producer Kare [Vestreim, d. Red.] abgeschlossen hatten, waren wir wirklich überzeugt von dem, was wir da grade geschaffen hatten. Und als wir dann jetzt wieder ins Studio gegangen sind, dachten wir, lasst es uns einfach noch mal so machen. Es war viel einfacher als beim letzten Mal. Wir kannten uns, wir wussten, wie der andere arbeitet. Während "Basement Apes" haben wir viel gelernt, über den Aufnahmeprozess und das Songwriting. Das war schon ganz anders als bei den Alben davor. Da sind wir direkt aus dem Proberaum ins Studio, haben den Aufnahmeknopf gedrückt und das war's dann. Wir wussten gar nicht, was für Möglichkeiten wir hatten, den Songs verschiedene Formen zu geben. Dass hat uns Kare gezeigt. Die Aufnahmen zu "Automatic Thrill" haben gleich auf einem viel höheren Level begonnen. Er wusste, wie unsere Vorstellungen von diesem Album waren, und auch wir waren uns vielmehr im Klaren darüber, was wir wollten. So war es nur eine natürliche Entscheidung, nicht schon wieder mit einem neuen Producer zu arbeiten. Er lebt in Oslo, da kommen wir schnell hin.
Viele Bands fahren ja gerne weit weg, um ihre Alben aufzunehmen. Ihr bleibt lieber zuhause?
Wir haben das natürlich auch schon versucht. Aber wir waren so viel auf Tour in den letzten Jahren, dass es schön war, die Aufnahmen in Oslo zu machen. Wenn man mal keine Lust hat, kann man einen Tag auch mal zu Hause bleiben und die anderen arbeiten dann trotzdem im Studio. Man kann in seinem eigenen Bett pennen und muss nicht die ganze Zeit mit der Band rumhängen. Dadurch bleibt man mehr auf das Ziel fokussiert.
Das klingt sehr bodenständig. Würdest du sagen, ihr seid alle so bodenständige Typen?
Naja, ein Studio ist ein Studio, ob du jetzt in Oslo oder in Warschau bist. Von innen sehen die alle gleich aus. Natürlich ist es schon inspirierend, wenn du nach Kalifornien gehst, aber für uns war das halt nichts. Wir haben uns einfach bei einem von uns getroffen, etwas gegessen und dann haben wir unsere Songs rausgeholt. Das war fast so wie Büroarbeit: "Ok, morgen treffen wir uns um 12.00, dann schreiben wir einen Song, abends nehmen wir den dann auf!" Ich würde dir ja gerne erzählen, dass das alles ein mystischer Prozess ist, wo du nach Kathmandu gehst und erleuchtet wirst, aber so wie wir es getan haben, das war halt mehr unsere Art.
Kannst du dir erklären, warum viele der besten Rock-Bands im Moment aus Skandinavien kommen? Schweden hat die Hellacopters und die Hives, Norwegen Turbonegro und euch, Sweatmaster kommen aus Finnland, und sogar die Kanadier von Danko Jones nehmen ihre Platten in Schweden auf und sind dort auf einem Label.
Es könnte ja auch ein Zufall sein, aber Rock war eigentlich schon immer sehr populär in Skandinavien, es gab viele Rockbands, besonders in Schweden, und auch viele Auftrittsmöglichkeiten. Und all diese Bands, die du gerade erwähnt hast, sind schon eine ganze Weile im Geschäft und haben wohl so etwas wie einen goldenen Weg herausgefunden. Es gibt ja auch viele andere Musikrichtungen, die in Schweden und Norwegen stattfinden. Indie, Pop, Elektronika, aber die werden einfach nicht so populär. Die Leute sagen sich: "Es gibt so viele großartige Rockbands von da!", also suchen sie noch mehr Rockbands. Das Ding mit Rock ist: es ist simpel! Wenn du gerne auf Konzerte gehst, ist das doch perfekt. Die Musik fährt dir direkt in den Körper. Du musst nicht mal sehr schlau sein. Aber auch die Schlauköpfe können Rockmusik genießen, weil sie so direkt ist. Diesen Adrenalinstoß, den Rock verursacht, den kann doch jeder mal gebrauchen. Vielleicht nicht jeden Tag, aber so einmal die Woche oder einmal im Monat sollten sie rausgehen und ihren Spaß haben.
Gibt es denn sowas wie eine Rockszene, wo ihr mal zusammenkommen könnt?
Das Problem ist, wir scheinen nie zur selben Zeit zu Hause zu sein. Wir haben also keine große Weihnachtsfeier zusammen, aber es gibt ein paar Bars in Oslo, wo man die üblichen Verdächtigen antreffen kann. Aber es hat nichts direkt Familiäres. Mit den Hellacopters sind wir ja gut befreundet. Auf Festivals läuft man sich ja auch viel über den Weg.
Habt ihr denn vor, mal wieder was mit den Hellacopters zu machen, so wie damals zu "Respect The Rock"?
Wir haben während der letzten Tour ein paar Shows in Schweden und Norwegen mit ihnen zusammen gespielt. Das war sehr spaßig. Aber wir haben noch nicht darüber nachgedacht, wieder mal zusammen ins Studio zu gehen. Captain Poon spielt auf einem von Nicks [Royale, Sänger der Hellacopters, d. Red.] Soloalben Gitarre.
Die Hellacopters haben ja mal gesagt, dass man Musik aufnehmen muss, sobald man einen Song fertig hat und das Ganze dann so schnell wie möglich unter die Leute bringen muss. Arbeitet ihr auch so?
Nein nein, wir sind viel detailverliebter. Die Hellacopters sind so etwas wie 'natural players', sie haben so unglaublich viel Spielpraxis. Wir dagegen konstruieren unsere Songs viel mehr. Wir müssen den Song ausarbeiten und sind nicht so sehr eine Band, die viel jammt. Das macht die Tightness unserer Songs aus.
Habt ihr auch Kontakte zu Turbonegro?
Wir kennen die Jungs natürlich, aber nur so und nicht auf einer professionellen Ebene. Ich meine, wir hängen auch nicht so viel mit ihnen rum, aber eigentlich hängen wir generell nicht viel mit anderen Leuten rum. (lacht)
Sind Gluecifer im Jahr 2004 immer noch die Kings Of Rock?
Nein, irgendwo gibt es sicherlich Bands, die besser sind als wir. Aber ich hoffe schon, dass wir irgendwo einen Platz in diesem Zirkus haben. Es scheint ja so, als ob den Leuten unserer Musik und unsere Shows gefallen. Mehr kann ich ja gar nicht wollen. Manchmal denke ich immer noch, dass es etwas unwirklich ist. Vor ein paar Jahren haben wir in irgendwelchen Bars vor 50 Leuten gespielt und jetzt sind wir hier auf Tour mit Monster Magnet mit 1500 Leuten jeden Abend. Das ist schon ziemlich irre.
Ihr klammert euch also nicht an die Krone?
Als wir dieses Kings Of Rock-Ding anfingen, waren wir Nobodies. Darum war es eigentlich mehr so eine Parodie, zu behaupten, wir wären die Kings Of Rock. Ein bisschen Großmäuligkeit schadet ja nicht. Die Hives oder auch Mando Diao machen das ja. Aber irgendwann wird es ein bisschen redundant. Und wenn es um große Egos geht, können wir sowieso nicht gegen Manowar anstinken. Es gibt eine Linie, die sollte nicht überschritten werden. Das ist die Grenze zum Manowar-Territorium. Aber es gibt auch einen Unterschied, wenn man als "Kings Of Rock" vor 200 Leuten im Knaack-Club spielt, oder vor 2.000 Leuten hier in der Columbiahalle. Die könnten es tatsächlich glauben. Wir sind einfach die "Kings Of Our Rock". Niemand spielt Gluecifer besser als Gluecifer!
Das Interview führte Mathias Möller
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