laut.de-Biographie
J.A.W. (Freiburg)
"Geboren in Köln, zweitdickstes Kind in der Klinik / Doch für 4000 Gramm immer noch niedlich / Und ich wusste schon damals, dass die Welt scheiße ist / Wollte nicht raus, eigentlich, dann Kaiserschnitt. / Problem gelöst - oder doch in die Welt gesetzt? / Wär' ich doch damals gestorben! Egal, ich helf' mir jetzt!" So eröffnet Jonas E., Jahrgang 1983, sein 2006 erschienenes Debütalbum "Schock Für's Leben".
Schon als Kind zieht Jonas mit seinen Eltern nach Freiburg im Breisgau. Obwohl diese Stadt bekanntlich viele Sonnenstunden im Jahr aufzuweisen hat, zählt ein sonniger Charakter nicht zu JAWs Hauptmerkmalen - im Gegenteil.
Er macht im sozialen Umfeld negative Erfahrungen, die er später oft in Liedern thematisiert. Im pubertären Reifeprozess wächst aus diesen Erlebnissen in Verbindung mit dem Unverständnis der hilflosen Eltern etwas heran, das die Ärzte Jahre später als behandlungsbedürftig diagnostizieren
Zunächst führt er jedoch zumindest nach außen hin ein völlig normales Leben. Er lässt sich von Eminem inspirieren, und nach einem ordentlichen Abitur 2003 folgen erste Gehversuche mit eigener Musik: Die EP "Seelensturm" gibt schon deutliche Einblicke in das zerrüttete Innenleben JAWs. Das Kürzel hat mit dem bekannten Horrorfilm nicht im geringsten zu tun, sondern steht für die drei Vornamen des Rappers: Jonas Andre Willy.
Im gleichen Jahr findet er mit DJ Tjoma und den Brüdern Maexer und Rynerrr Schrott drei Seelenverwandte, die die weitere musikalische Karriere maßgeblich beeinflussen. Der Name "Projekt Chaos Punks" ist schnell gefunden, und bereits Ende des Jahres, JAW absolviert gerade seinen Zivildienst in Heidelberg, erscheint das Crew-Debüt "Nimm's Und Verreck Dran", dessen Titel die lyrischen Inhalte eigentlich schon recht gut verdeutlicht. Aber auch ein weiterer wichtiger Grundstein wird 2003 gelegt: Der Start JAWs in der Reimliga Battle Arena, kurz RBA.
Der Bibel gemäß folgen die sieben mageren Jahre auf die sieben fetten, mit Rappern scheint der Allmächtige oftmals weniger gnädig zu sein: 2004 zieht JAW zurück ins Breisgau, es folgt eine Zeit schwerer persönlicher Konflikte, die schlussendlich in der Selbsteinweisung in eine Klinik resultieren. Trotzdem hält er am Rap fest, und battlet sich in der RBA stetig weiter nach oben.
"Ich weiß nicht, ob es mir durch Rap besser ging, aber es gab mir das Gefühl, jemand zu sein." Das, Betreuung durch diverse Ärzte und maximale Medikamentendosierungen bringen den Rapper langsam wieder auf den Weg der Besserung. Es gibt ein Feature auf Mob Incs "Symbiose Des Bösen" und eines auf Taichis "Schnell Imbiz", einem Bekannten aus der RBA. 2005 hat sich der Freiburger auch wieder so weit gefangen, dass er ein Studium der Musikwissenschaften beginnt.
Im Jahr 2006 erscheint dann sein Debütalbum "Schock Für's Leben" auf Rapz Records, in dem er sein Leben und die Gedanken der heftigsten Phase seiner Krankheit Revue passieren lässt. Features gibt es von den Kollegen von PCP und der Crème de là Crème der RBA: Mr Chissman, boZ, Ezy, Kaspah Hausa, Plasti und Labelkollege Hollywood Hank, die Beats sind alle selbstgemacht. Die Juice beweist ein gutes Auge und kürt die CD im Juli gar zur Demo des Monats.
Kollege Rynerrr folgt dann übrigens drei Monate später: Sein Album "Symptome" schafft es gar zur Demo des Jahres. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist jedem halbwegs interessierten Rapfan klar, dass Freiburg musikalisch mehr zu bieten hat als das Zelt-Musik-Festival und Rapkilla. Ende des Jahres stellen der Bewunderer von Skandal-Regisseur Gaspar Noé JAW und sein Collabo-Partner Me$$age dann noch die EP "Zwischen Chemie Und Wahnsinn" zum kostenfreien Download ins Netz.
Der feinsinnig-ironische Humor des Rappers tritt, nachdem er Jahre lang wegen seiner Krankheit nur mal zwischen den Zeilen aufblitzte, 2007 endlich voll zu Tage: Unter dem Pseudonym Konnegah veröffentlicht er eine göttliche Parodie auf den Selfmade-Rapper Kollegah, ebenfalls einem Bekannten aus der RBA.
Er schießt zwar derart über sein Ziel heraus, dass sich der in dieser Hinsicht etwas steife Mainzer Rapper Separate von ihm gedisst fühlt - der Rest der Szene, inklusive Kollegah, feiern den fünf Tracks starken MySpace-Auftritt allerdings gebührend (auch wenn JAW den auf Separate gemünzten Track auf dessen Forderung hin löscht).
Ein idealer Appetizer für das nächste Release: Das Mixtape "Gehirn Im Mixer" wartet im März 2007 mit 25 völlig kompromisslosen Tracks auf, disst das peinliche Auftreten der Restszene und hat nach Aussage des Künstlers den Anspruch "der Welt ins Gesicht zu schreien, was sie nicht hören will."
Auch die folgenden zwei Alben mit seiner Beteiligung tragen diese Handschrift: "Menschenfeind", eine Kollabo mit Ex-Labelpartner Hollywood Hank, und der ansehnliche PCP-Zweitling erscheinen 2009. Nach und nach erkennt auch das Kollegium JAWs Gespür für ansprechende Drums, und so macht er sich mit Produktionen für Kollegah als Beatbastler einen Namen. Folgerichtig stammen auch beim anschließenden Solo-Album "Täter-Opfer-Ausgleich" neun von 18 Instrumentals aus seiner eigenen Feder.
Ganze vier Jahre ziehen danach ins Land, bis sich der nach Berlin umgesiedelte MC mit "Die Unerträgliche Dreistigkeit Des Seins" ein neues Album ankündigt. Bis das tatsächlich erscheint, wird es allerdings 2018.
Kein Wunder also, dass JAW in der Zwischenzeit so mancher ungewohnten Gefühlslage Zugang zu seinem Schaffen gewährt. Er selbst erkennt in der Platte eine Mischung aus Misanthropie und Melancholie und erklärt: "Ich habe auch viel Positives erlebt, beispielsweise im Bezug auf meine langjährige Beziehung. Dadurch ist viel Schönheit in die Musik eingeflossen, die vorher nicht da war."
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