14. April 2008
"Ich würde denken, wir sind gecastet"
Interview geführt von Veronika AchatzJennifer Rostock sind eigentlich erklärte Anhänger deutscher Großstädte. Doch für laut.de machen Jenny, Joe & Co auch mal einen Abstecher ins beschauliche, süddeutsche "Hinterland", um in der "Kantine" in Konstanz ein exklusives, kostenloses Konzert zu geben.Die ideale Gelegenheit, um vor der Show ein paar Worte mit der Frontfrau zu wechseln. Nachdem ich über eine Leiter in den Backstage-Keller der Lokalität geklettert bin, präsentiert sich mir in aller Deutlichkeit Jennifer Rostocks Auffassung von Rock'n'Roll.
Während vier gepiercte, dunkel gekleidete Bandmitglieder auf einer roten Couch rumlungern und mir diverser Anhang misstrauische Blicke zuwirft, schlabbert Jennys Hund, mit dem aussagekräftigen Namen "Whisky" Wasser aus einem Bierglas. Unterdessen schleudert sein Frauchen ihre Pimkie-Ballerinas von sich und beschwert sich lauthals über die Schmerzen, die ihr etwa zwanzigstes Tattoo auslöst, das quer über ihrem Fuß prangt. Irgendwie gelingt es mir schließlich doch, mich bemerkbar zu machen und Jenny ein paar Fragen über das Leben als "Rockstar" zu stellen.
Euer Stil wird ja gemeinhin als Neue Deutsche Welle à la Ideal bezeichnet. Von wem seht ihr euch selbst beeinflusst oder wie würdet ihr euch selbst beschreiben?
Wir kommen alle fünf aus unterschiedlichen musikalischen Ecken, die Mischung macht bei uns den Stil aus. Baku spielt gerne schnell am Schlagzeug, Joe mag nervige Keyboardsounds, ich singe gerne intensiv und krächzig und laut und schreie gerne. All das zusammen macht dann eben den Sound. Wir haben uns übrigens darauf geeinigt, unseren Stil NODW Punk zu nennen: Neue Ostdeutsche Welle Punk.
Also besteht keine Chance, dass ihr euch im Tourbus auf eine CD einigen könnt?
Das geht nicht, überhaupt nicht. Unser Schlagzeuger hört gern Punk und Hardcore, unser Bassist so Elektro-Zeug, Joe schwule Pop-Kacke wie Cher und Britney Spears und unser Gitarrist gerne Brit-Rock. Das ist definitiv nicht miteinander zu vereinbaren.
Ist es gut oder schlecht, mit Bands wie Silbermond, Ideal, Mia, Wir sind Helden, Juli usw. verglichen zu werden?
Wenn man anfängt, Musik zu machen und als neue Band frisch auf den Markt kommt, dann wird man irgendwo reingesteckt. Wenn ich eine Band höre, dann sag' ich auch erst mal: "Die hören sich an, wie..." Das ist schon richtig und wichtig so, damit die Leute wissen, wo sie einem einordnen sollen. Es gibt natürlich gute und schlechte Vergleiche. Ich verstehe es schon, wenn uns die Leute mit Mia, Wir sind Helden und Ideal vergleichen. Silbermond und Juli schmeicheln eher nicht so.
Was euch aber nicht unbedingt davor schützt. Diese Vergleiche werden ja trotzdem gerne gemacht. Und sei es nur deshalb, weil ihr deutsche Musik macht und eine Frontfrau habt.
Ja, aber jetzt mal blöd gesagt: Wer würde MICH denn mit der Frontfrau von Juli oder Silbermond vergleichen? Das funktioniert ja echt gar nicht.
Du hast definitiv mehr Tattoos und Piercings. Ihr seht alle sehr stylish aus, sehr authentisch. Wird einem trotzdem manchmal vorgeworfen, dass euer Image konstruiert ist? Werdet ihr oft in diese Casting-Band-Ecke gequetscht?
Klar, immer. Ich würde von außen auch denken, wir sind gecastet. Jeder von uns ist ein spezieller Typ, da entsteht schnell der Eindruck, dass das gewollt ist. Ist es aber nicht. Joe und ich kennen uns ewig. Die anderen haben wir erst vor circa zwei Jahren in Berlin kennen gelernt, haben sie mit in den Proberaum genommen und es hat einfach gleich gepasst. Also insofern, ist "gecastet" vielleicht gar nicht so falsch. Aber wir sind froh, dass die anderen dabei sein wollen und auch voll hinter der Band stehen. Wir sind inzwischen auch außerhalb der Band gut befreundet. Ich wohne zum Beispiel mit unserem Basser zusammen.
"Egal wie du bist, egal wie du aussiehst, egal was du machen willst: Berlin ist perfekt!"
Wie kam es denn dazu, dass ihr gleich auf einem Major-Label gelandet seid?Naja, "gleich" ist nicht ganz richtig. Joe und ich machen seit 13 Jahren zusammen Musik, sind dann nach Berlin gekommen und auch ab da war's noch ein total harter Weg. Es ist echt einige Zeit ins Land gegangen, bis das passiert ist. Wir haben auch ein Demo aufgenommen und echt dafür kämpfen müssen. Haben Tausende von Showcases gemacht, waren letztendlich auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber auch nur, weil wir überall waren. (lacht)
Welche Tipps würdet ihr denn Nachwuchsbands geben, die noch nicht so weit sind, wie ihr es seid?
Hört sich blöd an, aber harte Arbeit und wirklich dahinter stehen, das ist wichtig. Man darf keinen Plan B haben. Denn wenn man den hat, wird man sich nie ganz auf die Sache einlassen, die man machen will. Und wenn man nicht nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, sondern überall ist, dann kann man die Chancen erhöhen, entdeckt zu werden.
Ist Berlin denn der richtige Ort?
Der absolut richtige Ort. Es gibt vielleicht noch zwei, drei andere Städte in Deutschland, wie Hamburg und Köln. Aber in Berlin sind alle Dinge zu jeder Zeit möglich. Es gibt keine Grenzen: Egal wie du bist, egal wie du aussiehst, egal was du machen willst: Berlin ist perfekt!
Was habt ihr bisher über das Musikbiz gelernt? Ihr habt ja einen recht schnellen Aufstieg hinter euch. Macht man vor allem gute Erfahrungen oder sind auch viele schlechte dabei?
Wahrscheinlich mehr schlechte als gute. Wir haben auf unserem Weg gelernt, dass es oft nicht um die Musik geht. Man lernt außerdem Leute kennen, die einem erst helfen wollen und dann stellt sich heraus: Das waren aber ganz schöne Wichser. Man braucht vor allem einen guten Background. Ich war froh, dass ich Joe hatte, Joe war froh, dass er mich hatte, wir hatten uns immer gegenseitig. Wir kennen uns schon lange. Wir können uns vertrauen. Wir haben uns immer über jeden Schritt ausgetauscht. Wenn einer zu hoch gegriffen hat, hat ihn der andere wieder runtergeholt.
"Wenn man beschlossen hat, Musiker zu sein, dann gibt's keinen Plan B mehr."
Du hast gesagt, dass es vielen nicht mehr um die Musik geht. Glaubst du, dass das ein Problem des Mainstreams ist? Dass es vielen in der Branche einfach nur noch ums Geld verdienen geht?Ich glaube gar nicht mal so um Geld. Vielen geht es –anstatt um die Musik- eher um den Style, um das Image, um das, was man nach außen trägt, was man darstellt. Ich weiß nicht, wie das bei anderen ist, aber bei uns ist es so: Wenn es uns nur um Geld gehen würde, dann wären wir alle keine Musiker geworden. Ich denke auch, dass sich das viele heutzutage zu einfach vorstellen. Nur, weil man bei Stefan Raab gewesen ist, nur weil man mal in den Charts war, fährt man noch lange nicht mit dem Rolls-Royce durch die Gegend. Zu der Zeit, als wir bei TV Total waren, da war ich mit der Miete zwei Monate in den Miesen.
Könnt ihr euch den Fernseher inzwischen leisten?
Ich hatte schon immer 'nen Fernseher, aber ich konnte mir das Fernsehen nicht leisten.
Ja, die GEZ...
Ich kann's mir immer noch nicht leisten. Aber es ist okay, man kann ohne Fernseher ganz gut leben.
Wie wahr. Du hast vorher gemeint, ihr hättet immer schon so ausgesehen wie jetzt, es ist also nichts konstruiert. Wie wichtig ist denn Style, um Erfolg zu haben? Ihr transportiert ja schon irgendwie dieses "Sex, Drugs & Rock'n'Roll"-Image...
Wir transportieren das nicht! Es ist halt einfach so. Für uns ist es wichtig, überall rauchen zu dürfen, dass wir unseren Alkohol auf der Bühne haben. So sind wir eben. Wir geben das nicht vor, wir sind wirklich so. Was den Style betrifft: Ich habe natürlich früher anders ausgesehen. Wenn jetzt plötzlich jemand ein Foto von Joe in die Hände kriegt, das gemacht wurde, als er 13 war und er noch blonde Haare hatte und ein Hawai-Hemd getragen hat und daraufhin alle sagen "Schaut doch mal, was die Plattenfirma aus ihnen gemacht hat!" dann ist das Quatsch. Menschen verändern sich eben. Unser Schlagzeuger geht abends ins Bett, steht morgens auf und sieht so aus, wie er aussieht. Soviel zu Style. Man kann nicht wirklich sagen, dass uns das wichtig ist.
Stand für euch immer fest, dass ihr Musik machen wollt?
Ja, wir sind nach Berlin gekommen, um Musik zu machen. Wir haben nie was anderes gemacht. Wir haben Abitur gemacht, wir haben keine Bewerbungen geschrieben, wir sind sofort in die Großstadt. Auch bei den anderen war das so: Die haben es immer versucht, waren immer in Bands. Unser Schlagzeuger auch mal in einer, die bei Universal unter Vertrag war. Wir haben alle versucht, da was zu reißen. Und jetzt versuchen wir's wieder. Man entscheidet sich irgendwann dafür, Musiker zu sein, und dann gibt's keinen Plan B mehr.
Ich habe gehört, euer nächstes Album ist schon fertig...
Das war ein Witz! Das haben wir irgendwann mal zu Arte gesagt und die haben es uns tatsächlich geglaubt. Das war nicht ernst gemeint, ne. So weit sind wir noch nicht. Nach der Tour wollen wir natürlich wieder ins Studio. Joe und ich machen die Songs. Wir setzen uns dann zusammen, schreiben das Album, gehen mit den Jungs in den Proberaum... das dauert alles seine Zeit. Ne, wir haben es nicht fertig. Wir wissen gar nicht, ob wir überhaupt ein zweites Album machen DÜRFEN. (lacht)
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