laut.de-Kritik
Berlin, Leipzig, Köln: Eine Tour-Reportage der New Yorker Chaos-Familie.
Review von Jasmin LützUnser aller Liebling Adam Green ist ja zur Zeit in sämtlichen Kanälen dieser Nation zu Hause. Fast schon aufdringlich und übertrieben. Doch seine wahren Fans halten zu ihm und sind immer wieder von seinem Schlafzimmerblick und der charmanten Bühnenshow entzückt. "Adam, wir lieben dich!" Genauso sehr haben wir uns gefreut, dass auch seine ehemalige Tanz- und Gesangspartnerin Kimya Dawson einige Wochen nach Greens Erscheinen in der schönen Rheinstadt zu Besuch ist. Zwei Jahre ist es nun schon her, dass Kimya in Deutschland unterwegs war. So eine Europatour kann sehr aufregend sein.
Einen Tag vor ihrem Köln-Besuch weilte Frau Dawson in Berlin, gemeinsam mit ihrer ebenfalls aus New York mitgereisten Vorband Schwervon, deren Namen wir in Zukunft auch noch öfter hören werden. Gegen Mitternacht gibt es in der Hauptstadt die sensationelle Meldung: "Kimya und Adam auf einer Bühne wieder vereint!" Kreisch! Was war passiert? Die beiden Ex-Moldy Peaches-Mitglieder spielten zufällig am gleichen Tag in der selben Stadt. Nach ihrem Auftritt im Mudd Club eilte Kimya noch zu Adam auf die Bühne, der für die selbsternannte "Indie-Expertin" Kuttner auf dem imaginären Eis in der ausverkauften Columbiahalle performte. Gemeinsam standen sie nun da und sangen ihren Evergreen "Who's Got The Crack".
Alle Beteiligten hatten ihren Spaß und das Wiedersehen wurde auch bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Diese Party wiederum hatte zur Folge, dass der Dawson-Bus am Folgetag mit gehöriger Verspätung in Leipzig eintrudelt. Doch die New Yorker Chaos-Familie schafft es gerade noch rechtzeitig zum Venue und beglückt auch den Osten mit wunderbaren Melodien. Am nächsten Tag dann endlich ab in Richtung Köln. Natürlich gibt es auch hier wieder einige bange Minuten zu überstehen. Eineinhalb Stunden vor dem geplanten Eintreffen der Künstler im Gebäude 9 kommt der gefürchtete Anruf: "Wir sind irgendwo mit unserem Auto liegen geblieben. Handy verloren, kein Benzin mehr im Diesel ... wird wohl später werden ... Keine Ahnung, wo wir sind." Tja, da hilft nur eins: den Wagen bis zur nächsten Tankstelle schieben. Was für ein Anblick muss das gewesen sein?!
Drei freakige Musiker aus New York und ihr französischer Fahrer auf einer Autobahn, irgendwo zwischen Gießen und Köln, die ein Auto vor sich her schieben - und nicht gerade ungefährlich. Glücklich, aber sichtlich erschöpft kommen sie auf der "Schäl Sick" endlich an. Hurra, alles wird gut! Kurzer Soundcheck, warmes Essen, ein paar Albereien und los geht's! Die Halle füllt sich langsam als Schwervon auf der Bühne stehen. Das überaus charmante Duo Matt Major Mason und seine Freundin Nan Turner sehen etwas müde aus, aber schon nach dem ersten Song "Bad Music" sind die Zuschauer auf ihrer Seite. Mit Gitarre (Matt), Schlagzeug (Nan) und Gesang (Matt und Nan) stehlen sie so manchen White Stripes dieser Welt die Show.
Ihr Album "Poseur", was anfangs nur als Import auf Francis McDonalds Label Shoeshine Records erschien, erreicht im April auch deutsche Läden. Trashige Pop-Rock-Hymnen und Songs, die einfach glücklich machen. Unterhaltsame Sprüche und nette kleine Anekdoten sorgen für eine lockere Stimmung im Saal. Nan erzählt stolz, dass ihr Kimya während der abenteuerlichen Reise von Leipzig nach Berlin die Haare geschnitten hat. Eine markante Stufe in der blonden Mähne ist das besondere Dawson-Coiffeur Merkmal. Sehr hübsch.
Zwischendurch geht immer mal wieder ein Raunen durchs Publikum. Man vernimmt einige Wortfetzen wie "Kommt er wirklich?", "Das wäre ja toll" und "Vielleicht gibt es doch noch eine Moldy Peaches-Reunion?" Die Gerüchteküche bleibt natürlich auch in Kölle nicht kalt, denn Adam Green ist mal wieder geschäftlich in der Stadt unterwegs, diesmal zur Aufzeichnung der Blödelshow "TV Total" (laut.de berichtete). Doch obwohl es an der Gästeliste eine Zusage gibt, dass Adam mit seiner Band The Gnomes nach dem Essen das Gebäude beehren möchte, um dann vielleicht mit Kimya einen oder mehrere Songs zu singen, bleibt der Superstar müde im Hotel. Buh! Aber letztendlich auch egal.
Kimya Dawson zeigt an diesem Abend, dass sie es auch ohne ihn schafft. Wie immer betritt sie schüchtern mit Gitarre und unübersehbarem Irokesen-Punkhaarschnitt die Bühne. Auch sie hat während der langen Hinfahrt an ihrem Äußeren gewerkelt. Sie malt sich eine lustige Katzennase mit langen Schnurrhaaren auf ihr Gesicht. Vielleicht auch nur, um ihr Lampenfieber ein wenig zu überspielen.
Eine zuvor gehörte Stimme aus Berlin ("Ich hatte ganz vergessen, wie glücklich sie einen mit ihren Texten und Liedern macht") bestätigt ihr gesamtes Auftreten auch an diesem frühlingshaften Abend. Heiser und versunken spielt sie ihre Hymnen über Liebe und Tod. Anfangs sind es Songs ihres aktuellen Albums "Hidden Vagenda". Manchmal verpasst sie den richtigen Akkord oder vergisst auch mal ein paar Textzeilen, aber dass kann man ihr gar nicht übel nehmen. Gerne holt sie sich auch Verstärkung mit auf die Bühne. Man merkt gleich, dass sie sich dann sehr viel wohler fühlt. Wenn es nicht gerade Adam Green ist, dann gesellen sich Nan und Matt von Schwervon dazu oder sie nimmt jemanden aus dem Publikum.
In Köln ist es ein Mädchen namens Ina, die mit ihr "I Will Never Forget" singt. Dieses Duett wird der weibliche Fan mit dem K-Records T-Shirt bestimmt nicht vergessen. Man darf Kimya auch anfassen und umarmen und überhaupt wirkt alles so familiär. Für den einen vielleicht zuviel Hippie-ness (Böse Worte gibt es natürlich auch an diesem Abend. Von einem rockenden Metall-Man aus der ersten Reihe ist zu hören: "Was ist das denn für eine explodierte Klobürste? Das ist ja schrecklich und dann noch diese Pelikan-Kritzel-Tattoos auf ihren Armen ... Prust"!) Später darf auch noch der Schlagzeuger Steven von The Gnomes mit dazustoßen. Der war zum Glück noch nicht zu müde und ohne vorher je geprobt zu haben harmoniert auch dieses Gespann rührend miteinander und weckt noch mal die ganze Aufmerksamkeit im gut gefüllten Gebäude.
Die langersehnte Aftershow Party mit Kimya, Nan, Matt und Co. in der beliebten "Höllenkneipe" fällt dann aber leider aus. Die New Yorker hatten sich zuvor in Berlin schon genug verausgabt und die lange Anfahrt gab ihnen letztendlich den Rest. Nach einem ausführlichen Austausch mit dem Publikum am Merchandise Stand wollen sie nur noch schlafen, kurz ins Internet und endlich Wäsche waschen. Auch dieser Wunsch soll ihnen natürlich erfüllt werden.
Am nächsten Morgen geht es dann noch kurz in den Park, um ein Videointerview zu geben. Zum Glück scheint die Sonne, und das wunderbare Wetter begleitet die gute Stimmung in der Truppe. Zum Abschied spielt Kimya noch zwei Songs, im Duett mit den zahlreichen Papageien, die das Kölner Stadtbild noch grüner gestalten. Nach einem Kaffee und dem ersten Eis des Jahres geht es dann weiter nach Münster. Einen schöneren Frühlingsanfang kann man sich kaum wünschen, oder? Und wir freuen uns jetzt schon aufs nächste Jahr.