11. November 2002
"Keinen Bock mehr auf Sex-Texte"
Interview geführt von Stefan JohannesbergDie Passanten staunten nicht schlecht, als an einem schönen Herbsttag knapp zwei Dutzend mit hängenden Hosen gekleidete, junge Menschen eine Barkasse im Hamburger Hafen enterten, um Sekt trinkend einer Live-Präsentation von Kool Savas und seiner Optik Crew zu lauschen. Dieser legte dann unterstützt von Eko, Valezka, Melbeatz und DJ Nicon trotz ungewohnter Schiffsatmosphäre einen erstklassigen Auftritt hin und erzählte später im benachbarten Fünf-Sterne-Hotel alles Wissenswerte.
Warum hast du dich für den Major BMG bzw. deren Unterlabel Subword entschieden?
Als ich von PDNTDR weg bin, haben wir angefangen, den Markt zu sondieren. Wer macht welches Angebot? Mit wem wäre es vielleicht am coolsten zu arbeiten? Solche Fragen halt. Es gab neben BMG natürlich viele Anfragen, doch die meisten schienen mir immer etwas reserviert entgegen zu treten. Das Interesse loderte oft nur auf Sparflamme. Vielleicht lag das auch daran, dass ich für meine Optik Crew, sprich Melbeatz, Eko und Valezka, ebenfalls eigene Plattendeals gefordert habe. Die Leute von BMG waren dann sehr cool drauf und erklärten sich mit meinen Ansprüchen einverstanden. Ich hatte sofort das Gefühl, die warten nur darauf, mit mir als Künstler steil zu gehen. (Savas fängt plötzlich an zu lachen.) Ich liege hier wie ein Arsch, Mann. Entschuldige, aber ich mache mich nur locker. Zurück zum Thema. Mir wurde sehr viel Aufmerksamkeit und Respekt entgegengebracht. So gut hat mich im Business echt noch niemand behandelt. Das spornt einen auch an, alles zu geben und die ganze Arbeit ernster zu nehmen. Bei PDNTDR war es auch gar nicht möglich, ein Album zu machen. Da ging immer alles nach dem Motto: komme ich heut nicht, komm ich morgen.
Features mit anderen BMG-Künstlern sind aber nicht geplant, oder?
Nein, eher nicht. Ich glaube, es wird keine labelbedingte Zusammenarbeit geben, auch wenn bei Subword noch MB 1000, Raptile und Toni L unter Vertrag stehen. Ich muss den Artist entweder kennen oder wenigstens seine Musik mögen. Ich sehe die Leute ja genauso wenig wie früher, da wir eben kein Subword-Headquarter haben wie die Amis, wo die Künstler ein- und ausgehen. Optik Records in Berlin ist unser eigener Treffpunkt.
Kommen wir zu den neuen Stücken. Was hast du an deinem Flow bzw. an deinem Style zu rappen verändert bzw. verbessert?
Das Ding ist, ich habe schon immer versucht, in verschiedene Richtungen zu gehen. "Neongelb" zum Beispiel war anders als meine vorherigen Tracks. "Haus und Boot" ebenfalls. Doch bei den letzten Songs oder den M.O.R.-Sachen habe ich wieder fast nur einen Flow durchgezogen, und irgendwie wollte ich auch nur diesen einen Style kicken. Ich dachte mir aber, wenn ich ein Album aufnehme, muss es wirklich von vorne bis hinten interessant sein. Und das kannst du nur mit viel Abwechselung erreichen. Die Scheibe sollte halt nicht so eintönig klingen, wie es bei den meisten anderen deutschen Alben der Fall ist. Die kommen immer nur mit einem einzigen Flavour, der sich dann durch alle Songs zieht. Meine Platte sollte dagegen die gesamte Bandbreite abdecken. Das war meine Motivation. Außerdem zeige ich mit dieser Weiterentwicklung, dass ich als Emcee mittlerweile alle möglichen Flows beherrsche und neben jedem Feature-Partner gut aussehe.
Ab wann hattest du eigentlich kein Bock mehr auf die Porno-Flows, die dich ja berühmt-berüchtigt gemacht haben?
Es war halt ein Problem für mich, als mich alle wegen "LMS" und "Pimplegionär" auf den Porno-Rapper reduzierten. Meine Qualitäten als Emcee werden so nicht genug gewürdigt und gehen in dieser Porno-Geschichte etwas verloren. Das wurde dann an dem Punkt zu viel, als die Leute mich kritisierten, wenn ich mal über andere Dinge rappte. Dabei hatte ich einfach keinen Bock mehr auf Sex-Texte. Auf dem neuen Album sind deswegen auch ein paar Zeilen speziell an diese Typen gerichtet, die mich nur so limitiert sehen wollen. Ich will meinen Respekt als Emcee kriegen und nicht als einer, der nur ein Image vertritt. Das würde ja heißen, dass auf eine rappende Dolly Buster auch alle abfahren, nur weil sie schmutzige Styles kickt. Das ist doch Unsinn.
Wie kommt der blutjunge Nachwuchsrapper auf dein Level? Wie hast du angefangen, deine Skillz zu entwickeln?
Meinen Rapstyle habe ich entwickelt, indem ich wahnsinnig viel Musik gehört und mich mit den Raps und Rhymes sehr intensiv auseinandergesetzt habe. Ich habe jahrelang auf englisch gerappt. Ich habe am Anfang die Silben und Zeilen der Leute gezählt, um zu erforschen, ob und wie man nach einem bestimmten Prinzip, nach einen bestimmten Muster schreiben kann. Mit fällt es deswegen heute ziemlich leicht, den Stil eines anderen Rappers zu analysieren. Wenn ich wollte, könnte ich ihn dann problemlos nachahmen, obwohl das natürlich nicht mein Ziel ist. Der konkrete Style, den man von "King Of Rap" oder "That Smut" kennen, hat sich zu einer Zeit entwickelt, als ich viel Souls Of Mischief gehört habe und immer noch auf englisch rappte. Vorher habe ich immer versucht, Jungs wie Ice Cube, Too-Short oder MC Eight zu kopieren. Das ging natürlich voll in die Hose. Danach habe ich mich so Leuten wie den Souls oder den Alkaholics (jetzt Tha Liks) gewidmet und gemerkt, dass die mit einem simplen Rap-Style extrem effektiv arbeiten können, ohne zu langweilen. Und bin ich einfach zwei Schritte zurück gegangen, um drei nach vorne zu machen und habe wieder old schoolig gerappt. Das heißt, die Rhymes immer auf die vier setzen, um so in einen steten Flow zu kommen. Das fehlte mir in Deutschland damals (Anfang der Neunziger, der Verfasser). Die Sachen kamen mir immer zu abgehackt rüber. Ich wollte einfach mehr fließen und ständig vorwärts preschen wie eine Eisenbahn. Das fiel mir dann nach dem Wechsel von der englischen Sprache zur deutschen relativ leicht. Später erweiterte sich das Repertoire dann um so Sachen wie Double-Time usw.
Wann hast du dich entschlossen, von englischsprachigen zu deutschen Raps zu wechseln?
Auf englisch konnte ich bereits ganz gut rappen, der Flow stimmte, doch irgendwann habe ich gemerkt, dass meine Aussprache nie so klingen würde wie die der US-Rapper. Das hat mich genervt. Aber ich habe gemerkt, dass ich flowen kann, und als ich das zweite Mal in Amerika war, habe ich den Leuten dort meine englischen Demos vorgespielt. Die fanden das auch ganz cool, haben mir aber trotzdem geraten, es auf deutsch zu probieren. Und als ich dann wieder in Berlin zum ersten Mal mit anderen Emcees auf deutsch gerappt habe, wurde mir bewusst, dass ich schon viel weiter war als die anderen. Dass ich mit meiner Aussprache viel mehr auf den Punkt kam. Danach lautete das Motto einfach nur noch: weitermachen, weiterarbeiten. Das ist wohl auch ein weiterer Unterschied, da ich im Gegensatz zu vielen immer weiter an meinen Skillz gefeilt habe, obwohl ich bereits rappen konnte. Ein Wissenschaftler forscht ja auch immer weiter, es sei denn, er steigt ganz aus. Wenn ich also den Anspruch habe, der beste Rapper in Deutschland zu sein, muss ich dafür hart arbeiten und zwar während meiner gesamten aktiven Zeit.
Wie ein Fußball-Profi halt.
Genau. Wenn du einen Fußballspieler fragst, warum er trainiere, dann wird der dir antworten, dass er immer am Ball bleiben und seine Fähigkeiten immer weiterentwickeln müsse. Wenn du aufhörst, wirst du halt fett und langsam. Ein weiteres Problem ist sicher auch, dass viele Leute im Fußball wie beim Rap zu früh in den Himmel gelobt werden. Die denken sich dann: cool, mich finden alle toll, da brauche ich nichts mehr zu tun. Aber das ist falsch. Schaue dir nur mal Acts wie Fettes Brot an, die ihren Style und ihre Rap-Skillz ab einem gewissen Punkt nicht mehr weiterentwickelt haben, da sie damit ja erfolgreich waren. Doch nun können sie der Entwicklung im Rap nicht mehr folgen und verabschieden sich freiwillig in Richtung Pop. Zudem lassen sich die Fans heute nicht mehr verarschen, denn sie haben dank vermehrter Transatlantik-Kollabos den direkten, internationalen Vergleich. Und der fällt leider recht eindeutig zu deutschen Ungunsten aus. Die Leute bemühen sich zwar, doch bis jetzt fand ich immer, dass die Amis besser waren. Das wollte ich auf meinem Album aber anders machen (Gäste auf der Platte sind: A-Plus von den bereits angesprochenen Souls Of Mischief, Westcoast-Gangsta Kurupt sowie Royce Da 5'9 und sein Homie Tre Little, der Verfasser).
By The Way: Was geht denn mit deinem Rza-Track, der eigentlich im Rahmen des "World According To Rza"-Albums erscheinen sollte?
Ich weiß nicht, ob das Teil jemals veröffentlicht wird. Wir haben den Track vor kurzem mit Eko und Valezka noch einmal neu aufgenommen. Die Zusammenarbeit war aber auch irgendwie die unspektakulärste von allen. Der Rza saß halt hinter den Reglern und lud seine Beats hoch. Dann ging er raus und kam wieder als der Track fertig war. Ich habe mir von ihm als Produzent einfach viel mehr erwartet und ihn mir insgesamt viel krasser vorgestellt. Aber vielleicht hatte er an diesem Tag bloß keinen Bock.
Befällt dich denn noch das große Lampenfieber, wenn du mit US-Legenden arbeiten sollst?
Angst oder Lampenfieber habe ich mittlerweile nicht mehr. Wenn ich zum Beispiel mit Kurupt rappe, dann ist das auf jeden Fall spektakulär, aber ich sehe in den Leuten halt keine Halbgötter am Mic mehr. Nur bei Dr. Dre würde ich wahrscheinlich noch weiche Knie bekommen.
Und die Schlussfrage: Was schätzt du am Sound deiner Hausproduzentin Melbeatz?
Ich schätze so grundlegende Dinge wie Vielseitigkeit, Selbstständigkeit und Innovativität. Das hört sich vielleicht billig an, aber das sind wirklich die wichtigsten Grundeigenschaften, ohne die nichts geht. Melbeatz orientiert sich eben nicht explizit an anderen Sounds und Produzenten, sondern sie macht nur das, was sie im Moment fühlt. Wenn sie irgendetwas sampelt, bastelt sie daraus immer komplett andere Beats als der Rest. Und trotzdem kommt es auf den Punkt. Am Anfang fanden das viele Leute zu experimentell und wollten mich überzeugen, andere Beats zu benutzen. Im Endeffekt gibt mir aber der Erfolg recht. "Haus und Boot" zum Beispiel fühlen im Nachhinein auf einmal auch die Typen, die mich vorher von Mel loseisen wollten. Und das gleiche gilt für mein Debüt. Wir waren zuerst selbst überrascht, dass wir einen komplett eigenständigen Sound an den Start bringen konnten, ohne das Level der Professionalität zu verlassen. Denn es ist doch immer leichter, etwas Cooles zu biten, als etwas Neues zu kreieren, das zudem noch professionell klingt. Um das Thema abzuschließen: Ich würde lieber auf einem seltsamen oder dünnen eigenständigen Beat rappen, als auf einem dicken nachgemachten Primo und Pete Rock-Beat.
Okay, thanx fürs Interview.
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