31. Januar 2023

"Rockmusik ist manchmal beängstigend"

Interview geführt von

Laura Cox mischt noch ein bisschen mehr Country in ihren Hardrock- und Blues-Cocktail. "Head Above Water" heißt das dritte Album der Gitarristin und Sängerin. Im Zoom-Call erzählt Laura, ob sie weibliche Vorbilder wichtig findet und warum sie immer noch an ihrem Gesangsstil feilt.

Ohne Lederjacke und Mascara erkenne ich sie kaum wieder. Laura Cox ist per Zoom zugeschaltet und sitzt mit einer Teetasse entspannt vor dem Laptop. Kamerascheu ist sie definitiv nicht. Die Gitarristin erlangte mit ihren YouTube Videos, in denen sie diverse Gitarren-Soli coverte, internationale Bekanntheit. Seit ihren ersten Video-Uploads ist viel passiert. Der Gründung der Laura Cox Band im Jahr 2013 folgten drei Alben, zahlreiche Auftritte bei renommierten Rockfestivals und europaweite Tourneen.

In unserem Gespräch wirkt Laura ausgesprochen ruhig, als sei sie das komplette Gegenteil der "Badass Rock'n'Roll Lady", die sie auf der Bühne verkörpert. Lauras Gibson-Sound ist hart und bluesig. Es gäbe wohl kaum jemanden, der ihre Auftritte schulterzuckend als "nett" bezeichnen würde. Trotzdem muss Laura oft mit alten Klischees aufräumen.

Auf deinem Debütalbum "Hard Blues Shot" gibt es einen Song mit dem Titel "Too Nice For Rock'n'Roll". Bist du zu nett für Rock'n'Roll?

Schon, auf 'ne Art. Denn ich bin nicht der gemeine Rocker, den man sich vielleicht vorstellt. Ich war schon immer etwas introvertiert, besonders am Anfang meiner Karriere. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, etwas selbstbewusster und vielleicht auch ein bisschen weniger nett zu sein. Ich meine, ich bin immer noch nett, aber ich habe zum Beispiel gelernt, Nein zu sagen. Das war nicht einfach für mich. Es hat sich für mich nicht natürlich angefühlt, die Leiterin einer Rockband zu sein und ich habe es immer gehasst, Ansagen zu machen. Mittlerweile klappt das aber ganz gut.

Wie kam es zu diesem Wandel?

Ich glaube, es hat einfach etwas Zeit gebraucht. Vielleicht lag es auch ein bisschen an der Pandemie. Da hatten wir alle viel Zeit, darüber nachzudenken, wohin wir gehen und was wir im Leben wollen. Irgendwann habe ich mir gedacht: "In all den Jahren war ich eigentlich zufrieden mit meiner Band, bin aber immer dem Rudel gefolgt." Mit einigen Entscheidungen war ich nicht wirklich einverstanden, aber habe nichts gesagt. Ich fand es einfacher, mich treiben zu lassen. Nach einer Weile war ich mir jedoch sicher, dass wir schneller vorankommen, wenn ich die Leitung und Verantwortung übernehme. Das Projekt trägt schließlich meinen Namen. Wenn also irgendjemand Entscheidungen treffen muss, dann sollte ich das sein. Als Frau ist es manchmal wirklich schwierig, auf nette Art und Weise zu sagen: "Nein, ich bin nicht damit einverstanden, wie wir die Dinge bis jetzt gemacht haben." Vor allem, weil ich in einem Team von Männern umgeben bin, die meist älter sind als ich. Mit der Zeit fiel mir das aber leichter. Ich habe zum Beispiel die Entscheidung getroffen, dass ich beim Songwriting den Hut aufhabe. Ich bin natürlich immer noch offen für Vorschläge von meinen Bandkollegen. Aber jetzt, wo klar ist, dass ich fast alle Songs selber schreibe, haben wir eine bessere Arbeitsdynamik. Ich hätte das schon früher tun sollen.

Zu deinen musikalischen Vorbildern zählen Slash und Mark Knopfler. Was hat dich an diesen Gitarristen am meisten beeindruckt?

Slash mochte ich vor allem wegen seiner Klangfarbe, in die ich mich verliebte, als ich Guns'n'Roses zum ersten Mal hörte. Aus diesem Grund spiele ich heute eine Gibson-Gitarre. Ich liebe diesen fetten, rauen Rock'n'Roll-Sound. Und was ich an Mark Knopfler liebe, ist seine Fingerpicking-Technik. Man kann anhand einer einzigen Note erkennen, dass er es ist. Er hat eine klangliche Handschrift, die ihn auszeichnet.

Apropos Fingerpicking: Du hast einige Spieltechniken vom Bluegrass übernommen. Woher kommt diese Liebe zum Bluegrass?

Das ist eine gute Frage, denn ich bin in Frankreich geboren, und da ist Rockmusik nicht besonders populär, Country und Bluegrass noch weniger. Ich würde sagen, das gibt es bei uns fast gar nicht. Ich hatte das Glück, bei Eltern aufzuwachsen, die große Musikliebhaber waren. Mein Vater ist Engländer und hörte gerne Country-Klassiker, wie Johnny Cash und Willie Nelson. Das hatte mit Sicherheut einen Einfluss auf mich. Mein Interesse an Bluegrass und Country ist über die Jahre gewachsen und so lernte ich auch Banjo und Lapsteel-Gitarre. Im meinem Album "Head Above Water" habe ich versucht, diese Elemente mehr einzubeziehen.

Könntest du dir vorstellen, in Zukunft noch mehr in die Country-Richtung zu gehen?

Ich möchte auf jeden Fall auf diesem Pfad bleiben, aber ich möchte meine Rock-Basis unbedingt beibehalten. Ich denke, dass ich einen guten Kompromiss gefunden habe und die Balance, die ich wollte. Das neue Album ist ein bisschen softer als meine ersten beiden Alben und verbindet Rock mit Banjo- und Lap-Steel-Elementen. Aber das funktioniert nicht bei jedem Song. Manchmal habe ich es versucht und es hat nicht gepasst. Aber ja, ich möchte bei den nächsten Alben wieder in diese Richtung gehen, ganz sicher.

"Das Geschlecht sollte bei der Instrumentenwahl keine Rolle spielen."

Du hast vor einigen Jahren begonnen, mit einer Gesangslehrerin zu arbeiten. Welche Ziele setzt du dir für deinen Gesang?

Ich setze mir keine konkreten Ziele für den Gesang, weil ich sonst zu sehr versuche, wie dieser oder jener Sänger zu klingen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Ansatz ist, denn dann ist man immer enttäuscht. Man wird nie genau so klingen, sondern immer wie man selbst. Beim Singen versuche ich es mittlerweile natürlicher anzugehen. Ich bin keine gute Hard Rock-Sängerin. Ich habe es satt, die ganze Zeit zu schreien. Und ich denke, das ist ein weiterer Grund, warum dieses Album ein bisschen weicher ist: Weil es besser zu meiner Stimme passt. Ich sehe mich immer noch mehr als Gitarristin denn als Sängerin, aber ich versuche, die beiden Fähigkeiten auf das gleiche Niveau zu bringen. Aber wenn ich Songs schreibe, steht die Gitarre immer noch an erster Stelle. Die Gitarrenriffs sind immer das Erste, was mir in den Sinn kommt. Danach arbeite ich an der groben Songstruktur. Sobald ich das habe, versuche ich mir den Gesang auszudenken. Aber vielleicht ändert sich das mit der Zeit. Ich war zum Beispiel sehr überrascht, als ich heute Morgen im Hotelzimmer eine Idee für eine Gesangsmelodie hatte. Ich hatte plötzlich diesen Refrain im Kopf und habe den sofort mit meinem Handy aufgenommen. Wenn ich nach Hause komme, werde ich mir dazu eine Begleitung auf der Gitarre ausdenken. Heute Morgen war das erste Mal, dass es beim Songwriting andersherum gelaufen ist.

Nach dem Start deines YouTube-Kanals dauerte es ganze acht Jahre, bevor du zum ersten Mal auf einer Bühne vor einem Live-Publikum gespielt hast. Wünschst du dir manchmal, du hättest früher damit angefangen?

Ja, denn ich glaube, ich wäre eine bessere Musikerin und eine bessere Entertainerin geworden. Ich glaube, ich hätte mich auf der Bühne wohler gefühlt. Viele Leute, die ein Instrument lernen, wollen sehr schnell eine Band gründen. Sogar manchmal bevor sie überhaupt spielen können. Aber das ist auch gut so, denn ich glaube, dass man am besten lernt, wenn man mit anderen zusammen spielt. Anstatt mit anderen Musikern zu interagieren, hatte ich nur den Backing-Track auf meinem Computer. Mir war damals nicht bewusst, dass mir etwas fehlte. Ich fühlte mich wohl dabei, mein eigenes Ding zu machen. Aber das Ergebnis war, dass ich nicht in der Lage war, anderen Musikern zuzuhören, als ich eine Band gründete. Auch das freie Zusammenspielen hat mich gestresst. Jam Sessions habe ich gehasst. Für mich musste alles aufgeschrieben sein, ich hatte mir vorher immer alles im Kopf zurechtgelegt. Das machte mich zu einer gestressten Musikerin. Aber ich fühle mich jetzt viel wohler damit. Was ich heute an Auftritten besonders schätze, ist die Energie des Publikums. So etwas erlebt man nicht, wenn man allein im stillen Kämmerlein vor sich hin spielt.

In der WDR-Doku "Frauen Können Alles" (2021) von Ingo Schmoll hast du gesagt, dass der Film "Freaky Friday" dich als Teenager dazu inspirierte, Rockmusik zu machen. In diesem Film spielt Lindsay Lohan eine Jugendliche, die in einer Rockband spielt. Wie wichtig war es für dich, weibliche Vorbilder zu haben?

Es ist lustig, dass du das erwähnst, denn jedes Mal, wenn ich diese Frage gestellt bekomme, sage ich, dass ich keine weiblichen Vorbilder brauchte. Meine Lieblings-Gitarristen waren ja alle männlich. Aber vielleicht wurde mein Interesse, mit E-Gitarre anzufangen, durch Lindsay Lohans Charakter in Freaky Friday ausgelöst. Vielleicht war Freaky Friday der Auslöser dafür, dass ich zur Gitarre greifen wollte, aber als ich dann anfing, reichten mir die männlichen Rock-Gitarristen als Vorbilder. Das hat mich nie gestört. Ich sage immer, das Geschlecht sollte bei der Instrumentenwahl keine Rolle spielen, aber leider tut es das oft. Mittlerweile wird mir klar, dass viele junge Frauen und Mädchen nicht die Chance haben, in einem Umfeld zu leben, in dem ihnen gesagt wird, dass alles möglich ist. Vielleicht braucht es tatsächlich mehr weibliche Vorbilder: Frauen, die nicht nur als Sängerin auf der Bühne stehen, sondern auch abrocken und Bass oder E-Gitarre spielen. Wenn ich dabei eine Rolle spielen kann, wäre das die größte Belohnung: junge Mädchen oder Frauen zu motivieren, die sich nicht sicher sind, ob das möglich ist.

Bist du der Meinung, dass Frauen im Rockbereich immer noch unterrepräsentiert sind?

Ja. Vor allem an der E-Gitarre. Ich wünschte, es wäre ausgewogener. Ich denke, wir gehen in die richtige Richtung, aber es ist noch ein weiter Weg. Frauen sind nicht präsent genug.

Hast du eine Theorie, warum das so ist?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich denke, dass Rockmusik im Allgemeinen etwas härter ist, und ich glaube, dass Frauen sich in dieser Welt manchmal nicht willkommen fühlen. Manchmal ist es ein bisschen beängstigend, man sieht viele betrunkene Typen, und vielleicht fühlen sich da viele Frauen nicht sicher. Es kann viele Gründe geben, warum Frauen unterrepräsentiert sind. Aber ich glaube, das ändert sich langsam.

"Ich lebte in meiner eigenen kleinen Rock'n'Roll-Blase."

In deinem Song "Head Above Water" singst du: "Life is so much more than what Rock’n’Roll is". Du bist viel auf Tour und oft im Aufnahmestudio. Welche anderen Dinge im Leben (neben Rock'n'Roll) haben für dich Priorität?

Was ich mit dieser Zeile ausdrücken wollte, ist, dass ich vor Covid irgendwie in meiner eigenen kleinen Rock'n'Roll-Blase lebte. Ich war glücklich mit meinem Leben und habe mich um nichts anderes gekümmert. Ich konnte nicht wirklich sehen, was draußen in der Welt passierte. Corona hat uns alle dazu gebracht, über eine Menge Dinge nachzudenken. Während der Pandemie musste ich mich von der Musik distanzieren. Mir fehlte jede Inspiration. Deshalb begann ich neue Orte und Leute kennen zu lernen. Ich begann, mich für andere Themen zu interessieren, wie den Klimawandel, Vegetarismus und Feminismus. Es ist nicht so, dass mir diese Dinge vorher egal gewesen wären, aber jetzt bin ich viel leidenschaftlicher, wenn es darum geht. Ich glaube, mein Leben ist jetzt reicher. Neben der Musik interessiere ich mich außerdem sehr für das Surfen und ich habe auch entdeckt, dass ich eine gute Köchin bin. Ich habe mich auch für andere Musikrichtungen geöffnet, wie elektronische Musik oder Rap. Das kann einem eine andere Sichtweise auf die Musik vermitteln. Wenn du deinen Horizont erweiterst, kann es nur besser werden.

Als du damit angefangen hast, deine Musik auf YouTube hochzuladen, hattest du nicht die Ambition, Vollzeit-Musikerin zu werden. Spulen wir vor bis heute: Du hast drei Alben aufgenommen und auf namhaften Rockfestivals gespielt. Hast du jetzt größere Ambitionen?

Ja, denn jetzt glaube ich daran, dass Träume wahr werden können. Damals dachte ich nicht, dass ich jemals von der Musik leben könnte. YouTube war nur zum Spaß und um etwas Feedback zu bekommen. Das änderte sich alles, als ich meinen Manager und Booker traf. Er sagte mir: "Ich glaube, du könntest etwas daraus machen." Ich habe ihm vertraut und es hat funktioniert. Ich bin wirklich glücklich über meinen bisherigen Weg. Ich bin so dankbar für das, was gerade passiert. Damit möchte ich einfach weitermachen. Ich will damit nicht reich werden, sondern möchte so weitermachen wie bisher. Ich versuche, diese Jahre zu genießen. Denn ich denke, dass dies die besten Jahre meines Lebens sein sollten. Ich werde dieses Jahr wieder viel auf Tour sein und einfach weiter mein Bestes geben, und bleibe gespannt, was das Leben für mich bereithält.

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