laut.de-Biographie
System Of A Down
System Of A Down hat sich einen Namen als Crossover-Band der extremen Sorte gemacht, da sie eine große Zahl von unterschiedlichen Stilrichtungen zu Klangkollagen zusammen mischt. Dabei bleibt die Musik der Kalifornier immer hart und aggressiv.
Die Band gründen 1995 Serj Tankian (Gesang, Keyboards), Daron Malakian (Gitarre), Shavo Odadjian (Bass) und John Dolmayan (Schlagzeug). Drei von ihnen haben armenische Vorfahren, sind bis auf Malakian im Libanon oder Armenien geboren und lernen durch ihre Familien die Musikkultur des Nahen Ostens kennen. Sänger Tankian und Gitarrist Malakian treffen aber schon 1993 zufällig in einem Studio aufeinander, in dem sie mit unterschiedlichen Bands für Aufnahmen verweilen. Sie stellen fest, dass sie sich musikalisch gut verstehen und gründen die Band Soil.
Bassist Odadjian, der früher mehr Gitarre spielte, geht zusammen mit den beiden anderen auf eine armenische Privatschule in Hollywood. Sie verstehen sich so gut, dass Odadjian ständig mit Soil abhängt und irgendwann gefragt wird, ob er nicht ihr Manager werden möchte. Als er sich entschließt hauptsächlich Bass zu spielen, wird er richtiges Bandmitglied. Vor ihrem ersten Plattenvertrag stößt Drummer Dolmayan dazu. Der neue Bandname System Of A Down entstammt einem Gedicht Malakians.
Die Initialzündung ihrer Karriere erfolgt, als Rick Rubin sie im Club Viper Room in Hollywood sieht. Der Rauschebart, der schon den Sound von Größen wie den Beastie Boys, Red Hot Chili Peppers und Slayer veredelt hat, ist so begeistert von der Band, dass er ihnen einen Plattenvertrag bei American Records vermittelt und ihr Debütalbum von 1998 gleich selbst produziert. Darauf folgt eine Tour im Vorprogramm von Slayer und die Teilname bei der Ozzfest-Tour.
Bis das zweite Album "Toxicity" erscheint, dauert es drei Jahre, musikalisch geht es in die gleiche Richtung wie die erste Veröffentlichung. Auf beiden Alben präsentieren uns die vier Musiker ein teilweise bizarre Kombination unterschiedlicher Stile, deren Grundlage Hardcore/Heavy Metal bildet. Dazu mischen sie alle möglichen anderen Stile: Punk, Hip Hop, Gothic, Jazz und Musik aus dem Nahen Osten. Weiteres wesentliches Stilmerkmal von System Of A Down sind extreme Dynamik- und Tempowechsel, die häufig und oftmals in sehr kurzen Abständen stattfinden. Serj Tankian erklärt dazu, dass die Aggression der schnellen und lauten Teile viel besser wirke, wenn es vorher sehr ruhig gewesen ist.
Auffällig ist auch der Charakter des Gesangs. Wie bei den Instrumenten sind hier starke Wechsel in der Lautstärke, der Tonhöhen und des Ausdrucks hervorstechende Merkmale. Die Wörter werden oft sehr übertrieben, bzw. künstlich ausgesprochen, wie man es von Schauspielern im Theater hört. So rollt zum Beispiel Tankian an einigen Stellen das "R" wie Till Lindemann oder Anthony Kiedis von den Peppers.
Neben der Musik fallen vor allem die politisch provokativen Texte auf. In ihnen setzt sich die Band kritisch mit gesellschaftlichen und politischen Verhältnissen auseinander. So steht zum Beispiel der Songtitel "P.L.U.C.K" für "Politically, Lying, Unholy, Cowardly Killers". "Prison Song" beschäftigt sich mit der amerikanischen Drogenpolitik und der Verteufelung des Drogenkonsums, "D-Devil" mit den ethischen Fragen der Gentechnik. Damit stehen SOAD textlich in der Tradition von Bands wie denDead Kennedys oder The Clash.
Ihr drittes Werk "Steal This Album" bringen System Of A Down 2002 nur auf Drängen der Plattenfirma raus. Darauf finden sich Songs aus den Toxicity-Sessions, die es aber nicht auf das Durchbruch-Album geschafft haben, aber die sich natürlich gut vermarkten lassen. Da die Band keine Energie in Promotermine steckt, konzentriert sich vor allem Tankian auf neue Steckenpferde wie sein Label Serjical Strike Records. Zusammen mit Tom Morello (Audioslave, Rage Against The Machine) bringt er Axis Of Justice an den Start - eine Organisation, die sich gegen Ungerechtigkeit in der Welt einsetzt. Im Sommer 2004 veranstaltet Axis Of Justice eine Konzerttour durch die USA, an der sich viele bekannte Künstler aus dem Alternative-Bereich beteiligen. Das Ziel wird knapp verfehlt - US-Präsident George W. Bush gelingt die Wiederwahl.
Für System Of A Down geht es danach zurück ins Studio. Dort spielt sich das Quartett in solch einen Rausch, dass gleich ein Doppelalbum entsteht. Die Ankündigung, dieses werde in Form zweier regulärer Einzel-Alben veröffentlicht, lässt einige Fans zwar bereits "Abzocke" brüllen. Als dann aber 2005 erst "Mezmerize" und sechs Monate darauf "Hypnotize" in die Plattenläden krachen, verstummt die Kritik sogleich wieder. Der Doppelschlag kommt genauso verspielt, überdreht, aggressiv und melodisch wie die Vorgänger daher. Da Gitarrist Malakian nun öfter als Sänger in Erscheinung tritt, ist sogar eine musikalische Weiterentwicklung festzustellen - ob zum Guten oder Schlechten, liegt daran, wie man zur oftmals kreischigen Stimme des Saitenhexers steht.
Wie groß SOAD sind, zeigt sich auf der Ozzfest-Tour 2006, wo die Band dem legendären Ozzy manches Mal die Headliner-Position abluchst. Doch immer häufiger hört man von Insidern, dass hinter den Kulissen nicht mehr alles zum Besten steht. Tatsächlich geben System Of A Down im Mai bekannt, dass sie für längere Zeit eine Pause einlegen. In den Ohren vieler Fans klingt das schon wie das Totenglöckchen. Die Enttäuschung ist grenzenlos, das Rätselraten aber genauso: Denn ihre Beweggründe dafür, getrennte Wege einzuschlagen, behalten die vier Musiker - zumindest vorerst - eisern für sich.
Serj Tankian verliert keine Zeit und haut schon ein Jahr später sein Solodebüt raus. Malakian und Dolmayan spannen unter dem Banner Scars On Broadway zusammen, jedoch mit deutlich weniger Enthusiasmus als ihr bärtiger Kompagnon. Die geballte Power und den Wahnsinn des System-Kollektivs vermissen viele jedoch bei beiden Projekten. Ihnen bleibt aber nichts übrig, als Geduld zu haben. Erst Ende 2010 kommt die sehnlichst erwartete Botschaft: System Of A Down kehren für einige Festivalshows 2011 auf die Bühne zurück.
Die Reunion-Tour führt die Band von Kanada über Deutschland und Russland bis nach Südamerika. Die elektrisierten Fan-Massen lechzen natürlich gleich nach mehr, und so spielen System auch 2012 und 2013 Konzerte in aller Welt. In Interviews auf die Möglichkeit eines neuen Albums angesprochen, lautet die Antwort stets gleich: "Wir nehmen es Schritt für Schritt", erklärt Dolmayan. Und Tankian, der weiterhin fleißig Soloalben veröffentlicht, beteuert: Man habe einfach noch nie ernsthaft darüber diskutiert.
Im Mai 2013 befindet Shavo Odadjian, dass da offenbar einiges an Quark erzählt wird: Einzig Tankian halte die Band zurück, schreibt der Bassist in einem wütenden Beitrag auf seiner Facebook-Seite. Die drei anderen wären bereit, ins Studio zu gehen. Und er stellt die unerhörte Frage in den Raum: Sollen System mit neuem Sänger weitermachen? Das Dementi der Band (oder wer auch immer ihr Facebook-Profil bearbeitet) folgt auf dem Fuß: System Of A Down wird es weiterhin nur in der Originalbesetzung geben. 2015 folgen diesen Worten auch Taten: System Of A Down kehren für ausgewählte Shows nach Europa zurück, um an den türkischen Völkermord an Armenien zu erinnern, der sich zum 100. Mal jährt.
Anschließend sieht man Tankian jedoch häufiger in Kunstgalerien als auf der Bühne, denn der inzwischen Vater gewordene Sänger hat die Malerei für sich entdeckt.
So kommt es 2017 eher überraschend, dass die Band wieder Konzerte ankündigt: Bei der Anfrage von Rock Am Ring/Rock Im Park ist das Kollektiv offenbar schwach geworden, zumindest nutzen sie die Offerte und hängen noch ein paar Headliner-Shows in Deutschland und der Schweiz an. Niemand ahnt damals, dass dies die letzten SOAD-Konzerte in Deutschland für neun Jahre sein werden.
Hinter die Kulissen des Bandgefüges dürfen Fans erst 2024 blicken, als Serj Tankian sein Buch "Down With The System" veröffentlicht. Dort handelt er neben vielen persönlichen Themen natürlich auch die Beziehung zu seinen Mitmusikern ab, für Außenstehende unerwartet kühl. Bassist Odadjian bleibt eine Nebenerwähnung, Drummer Dolmayan, der auch sein Schwager ist, schätzt Tankian für die Loyalität, obwohl sie politisch in verfeindeten Lagern zuhause sind.
Erwartungsgemäß spannend gerät die Passage über Malakian. Ihn beschreibt der Sänger als Vollblutmusiker und Kontrollfreak, der selbst ihm auf den Alben "Mezmerize" und "Hypnotize" kaum noch Ideen und Parts zugestanden habe. Tankian: "Ich war nur noch physisch anwesend." Umso froher ist die Fan-Community, dass sich der Vierer hin und wieder live sehen lässt.
2025 ehren SOAD bei ihrem Auftritt in New York den kurz zuvor verstorbenen Freund Ozzy Osbourne mit dem Sabbath-Klassiker "Snowblind", den sie 2002 für den Soundtrack von "The Osbournes" aufgenommen hatten.
2026 werden schließlich europäische Fan-Träume wahr: System Of A Down kündigen eine Stadiontour durch acht Städte an, darunter Berlin und Düsseldorf. Im Schlepptau: Queens Of The Stone Age ud Acid Bath ("When The Kite String Pops").
1 Kommentar
Noch kein Kommentar?
Unfassbar. Eine Ehre für mich.
Der Inbegriff für Kunst. Rap und Metal werden mit subtilem Zynismus aufs Korn genommen.