19. September 2013
"Ich habe eine Million Lieblingssongs"
Interview geführt von Michael SchuhAm 20. September erscheint Mark Lanegans neues Album "Imitations", auf dem er Songs von Nancy Sinatra, John Cale und Nick Cave covert.
Aber würde der Amerikaner für jede seiner Veröffentlichungen in der Welt herum reisen, um Interviews zu geben, käme er überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Da freut man sich schon, wenn er zuhause sitzt und Gesprächsinteresse signalisiert.
Hallo Mark, wie geht's? Wo bist du gerade?
Mark Lanegan: Mir geht's gut, danke. Ich bin bei mir zuhause in Los Angeles.
Sehr schön. Ich möchte natürlich über dein neues Album sprechen. Es ist Coveralbum und für mich stellen solche Alben immer in erster Linie Huldigungen an die Originalinterpreten dar. Wie lief der Entscheidungsprozess bezüglich der Songs bei dir?
Ich habe mich ja vor einer Weile schon mal an Covers rangewagt. Ein Sinatra-Song war dabei und noch einer aus dieser Zeit, glaube ich. Damals hatte ich aber danach das Gefühl, dass sie nicht so gut zum Rest der Platte gepasst haben. Seit damals trage ich die Idee einer Coverplatte mit mir herum, die das Gefühl der damaligen Zeit transportiert, also schön mit Orchester arrangiert ist.
Als großer Fan von Andy Williams habe ich gleich drei Songs von ihm
für diese Platte ausgewählt. Sinatra ist wieder dabei, Nancy Sinatra und ein paar Standards. Dazu habe ich ein paar neuere Stücke gepackt, von Leuten, die ich mag.
Wie viele Songs hattest du auf dem Zettel?
Eigentlich gibt es nur drei oder vier Songs, die es nicht auf die Platte geschafft haben. Es ist bei mir eigentlich immer dasselbe: Ich fange mit einer Platte an und habe am Ende zu viele Songs auf dem Tisch. Da ich die Hörer aber nicht zu Tode langweilen will, kürze ich die Tracklist dann auf ein vernünftiges Maß.
Packst du die überschüssigen Songs dann auf B-Seiten oder so?
Eher nicht, weil ich nicht mit allen komplett fertig geworden bin.
Von welchen Künstlern waren denn diese Songs?
Kann ich dir nicht sagen. Es ist ja schon fast ein Jahr her, seit ich die Platte gemacht habe.
Was macht eine Coverversion deiner Meinung nach zu einer guten Coverversion?
Phh, ich weiß es nicht. Unabhängig davon, ob ich ein normales oder ein Coveralbum aufnehme, wähle ich Songs aus, die zum einen gut für sich alleine dastehen und sich zum anderen gut in den Rahmen der anderen Stücke einfügen. Es ist schwer, diesen Vorgang genauer zu analysieren. Ich denke, es geschieht instinktiv. Die Songs müssen sich einfach gut anfühlen.
Ich finde auch, dass das Album einen deutlichen 60s-Touch ausstrahlt, selbst bei den Stücken, die viel jünger sind.
Ja, ich wollte diesmal unbedingt dieses Soundfeeling der späten 60er und frühen 70er, und habe versucht, das durchzuziehen. Ob es ein Song von Nick Cave aus den 90ern ist, einer von den Twilight Singers aus den 2000ern oder einer von Chelsea Wolfe aus dem letzten Jahr.
Weil es dich an deine Kindheit erinnert?
Genau, in dieser Zeit bin ich aufgewachsen.
Hast du einige der Songs schon bei deinen Eltern gehört?
Ja, aber ich bezweifle mal, dass ich das damals zu schätzen wusste. Erst viel später näherte ich mich diesem Sound an. Generell hat mich Musik überhaupt nicht interessiert bis Punkrock kam. Das war der Moment, in dem für mich plötzlich alles Sinn machte.
Als ich hörte, dass du ein Coveralbum veröffentlichst, war ich sehr gespannt, ob da ein Lee Hazlewood-Song drauf sein würde. Hat ja nun nicht geklappt.
Nein. Es gibt da draußen ungefähr eine Million Songs, die ich gern covern würde. Oder anders gesagt: Wenn ich eine Million Jahre alt werden und jedes Jahr ein Coveralbum veröffentlichen würde, wären da immer noch nicht alle Songs drauf, die mir am Herzen liegen.
Es hätte halt auch gepasst, weil du einer der wenigen Sänger bist, die es mit Hazlewoods Bariton aufnehmen können.
Danke, das ist ein schönes Kompliment. Natürlich liebe ich Lee Hazlewood.
Deine Platten mit Isobel Campbell führten in der Presse ja auch zu Vergleichen mit Hazlewood und Nancy Sinatra. Konntest du das nachvollziehen?
Ich glaube, immer wenn jemand etwas bislang nicht Gehörtes beschreiben muss, sucht er nach einem Beispiel, das viele schon mal gehört haben (lacht). So läuft es doch, oder nicht?
Ja, schätze schon. Aber teilst du auch die Meinung in diesem Fall?
Eigentlich nicht. Für mich klingen die Platten nach Isobel Campbell und Mark Lanegan.
Noch einer von deinen Millionen Lieblingssongs, der es nicht auf "Imitations", aber immerhin schon als Klingelton auf dein Handy geschafft hat, ist New Orders "Sub-Culture". Wäre ein Elektro-Pop-Cover zu gewagt gewesen?
Hmm, ja, ist 'ne andere Art von Musik. Vielleicht mache ich ja noch mal ne Coverplatte.
Trotz der orchestralen Arrangements klingt "Imitations" nach einer Arbeit, die dir schneller von der Hand gegangen ist als etwa dein letztes Studioalbum "Blues Funeral".
Die Arbeit an "Imitations" ist mir wirklich extrem leicht gefallen und die Songs waren auch zügig im Kasten. Dasselbe gilt allerdings auch für "Blues Funeral", obwohl es zwei sehr verschiedene Alben sind. Je älter ich werde, desto einfacher fällt es mir, Dinge loszulassen und die Studioarbeit zu genießen.
Heißt das im Umkehrschluss, dass du als junger Kerl perfektionistischer drauf warst?
(lacht) Ja und die Ironie dabei ist, dass mir die Platten, an denen ich wie ein Besessener herumgeschraubt habe, rückblickend nicht immer sehr gelungen sind.
Ist es Zufall dass du Frank Sinatras "Pretty Colors" und Nancy Sinatras "You Only Live Twice" coverst?
Ja, ich mag die Musik von beiden und wollte diese Songs unbedingt aufnehmen.
Welche Coverversionen deiner eigenen Songs gefallen dir denn am besten?
Von denen, die ich gehört habe? Marianne Faithfull hat einen Song der Gutter Twins aufgenommen, der ist cool geworden. Und Lydia Lunch hat mal einen Song gecovert, den ich für Isobel Campbells erste Platte geschrieben habe. Keine Ahnung, ob der inzwischen schon veröffentlicht wurde.
Wie heißen die Songs denn?
Der Song von Marianne Faithfull heißt, äh, .... Moment, dauert ein paar Sekunden.
(Stille)
Suchst du den grade online?
Yeah ... Alzheimer, ein klarer Nachteil am Älterwerden. Okay, also Marianne Faithfulls Song ist "The Stations", den habe ich mit Greg Dulli geschrieben. Und der von Lydia Lunch heißt "Revolver". Das sind die beiden besten Coverversionen für mich.
Danke fürs Nachschauen.
Ja, schon toll diese Computer. (lacht)
Der John Cale-Song "I'm Not The Loving Kind" ist beinahe schon kitschig arrangiert mit diesen süßen Streichern. Mir gefällt das zwar, aber ich denke, deine rockorientierte Fanbase dürfte an so einem Song ganz schön zu knabbern haben.
(seufzt) Well, ich habe keine Ahnung, was die Leute erwarten. Hab sie schon lange nicht mehr gefragt. Ich nehme die Platten ja für mich auf und wenn andere die dann toll finden, ist das das Sahnehäubchen. Gleichzeitig ist es natürlich eine großartige Sache, denn diese Menschen ermöglichen es mir, weiter Platten aufzunehmen. Deshalb fange ich aber nicht an, die Leute zu fragen, was sie gern von mir hören würden. (lacht)
Gabs denn schon mal unschöne Erfahrungen mit deinen Fans?
Ach, ich hatte gute und schlechte Erfahrungen mit Menschen. Da gehts mir wie jedem anderen auch. Das ist einfach ein Teil des Lebens. Manchmal triffst du eben auf Leute, mit denen du eigentlich keine Minute deines Lebens teilen willst. Aber meistens sind es zum Glück wunderbare Menschen.
Du hast in letzter Zeit sehr viele Sachen gemacht: Diese Platte, dann die mit Duke Garwood, "Blues Funeral", Koops mit anderen Bands. Denkst du nicht manchmal "Okay, jetzt reichts, ich lege mal zwei Monate lang die Füße hoch?
(lacht) Du wirst es nicht glauben, aber in diesen zwei Monaten befinde ich mich gerade. Gut, ich spreche ab und zu mit euch Typen und schreibe ein paar Songs, oder lass es mich so sagen: Ich bereite mich langsam aufs Songschreiben vor. So sieht meine Freizeit aus: Über Songs nachdenken und mit Leuten wie dir darüber reden.
Sind das Songs für ein neues Soloalbum?
Die Songs kommen auf ein Mark Lanegan Band-Album. Es wird also der Nachfolger von "Blues Funeral".
Cool. Ist auch was an den Gerüchten dran, dass du mit Nick Cave aufnimmst?
Nein, da gibt es derzeit keine Pläne. Wir haben ein paar Sachen für einen Film-Soundtrack aufgenommen, dessen Drehbuch er geschrieben hat. Oh Gott, jetzt komme ich schon wieder nicht drauf ... Sie haben den Titel in letzter Minute geändert: "Lawless", das wars. Sonst ist nichts geplant, außer man hat es mir noch nicht gesagt.
Du warst auch einer der vielen Gastsänger auf dem QOTSA-Album "Like Clockwork" - so behaupten es zumindest die Albumcredits. Gehört habe ich dich nirgends.
Well, vertraue immer darauf, was in den Credits steht.
Erinnerst du dich denn noch an die Songs, an denen du mitgewirkt hast?
(lacht) Natürlich nicht. Okay, ich habe ein paar Zeilen für den Song "Fairweather Friends" geschrieben und dann gab es da noch einen, an den ich mich nicht erinnere.
Hättest du denn gerne mehr gesungen?
Ich gehöre nicht zu denen, die sich nach Arbeit sehnen. Ich bin durchaus zufrieden, wenn jemand nur ein bischen was für mich zu singen hat. Dann habe ich schon mehr Zeit, um mit meinen Hunden spazieren zu gehen.
Von Josh Homme gibt es das schöne Zitat: "Wenn Mark Lanegan übers Zähneputzen singen würde, bekäme ich sofort Bock, mir die Zähne zu putzen." Nett, oder?
Weiß nicht. Ich hoffe, er putzt sich seine Zähne unabhängig davon, ob er mich singen hört oder nicht.
1 Kommentar
Nun da Mark Lanegan Flatlands gecovert hat, wäre es doch auch an der Zeit, dass laut.de Chelsea Wolfe nicht mehr als Obskurität ignoriert.