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Udo Lindenberg - "Udo"

Worum geht's

"Thomas Hüetlin hat mein Leben aufgeschrieben wie einen langen Song von mir", zitiert der Umschlag Udo Lindenberg, dieses Buch sei seine "definitive Biografie". Das klingt vielversprechend, zumal Hüetlin offenbar auch mit vielen Wegbegleitern Lindenbergs gesprochen hat, u.a. mit der Schwester und vielen Mitgliedern des Panik-Orchesters. Nach der Lektüre fragt man sich allerdings, ob Udo das wirklich mit geschrieben oder wenigstens gelesen hat. Und ob er dann den Hüetlin nicht wegen Rufschädigung verklagen müsste. Oder den Verlag, der ihn als Co-Autor nennt.

Immerhin erzählt Hüetlin viele Details aus Lindenbergs Leben, die man selbst als Fan vielleicht noch nicht kannte. Das Buch beginnt mit dem Tod des Bruders, Udos Trauer und seinem Hadern mit dem mangelnden Erfolg des angeblich stets zu bescheidenen Malers. Da dämmert Udo, dass er wie nach dem Tod der Mutter mal wieder mit dem Saufen aufhören könnte. Zumal seine Karriere nach dem Flop von "Atlantic Affairs" eh grad in Scherben liegt. Und es erweist sich als Glücksfall, dass Leute wie Annette Humpe, Jan Delay und Produzent Andreas Herbig immer noch an Udos Entertainer-Qualitäten glauben und dem alten Mann noch einmal aufhelfen.

Nachdem also das Schema von Absturz und Wiederauferstehung eingeführt ist, blendet Hüetlin in Lindenbergs Kindheit zurück. In Gronau ist Udo immerhin noch kein Superheld. Dass Lindenberg tatsächlich wie jeder andere Mensch von zuviel Alk krank wird, schildert Hüetlin wiederholt ohne falsche Rücksichtnahme. Auch, dass nicht JEDER seiner Songs ein Meisterwerk ist, erwähnt der Autor mal. Allerdings wirken solche Stellen eher wie die Pflichtübung eines geübten Journalisten, der weiß, dass reine Lobhudelei ohne kritische Töne schnell unglaubwürdig wirkt.

Denn spätestens ab dem überraschenden Erfolg von "Andrea Doria" überhöht Hüetlin sein Idol dermaßen, dass jeder Lesespaß verloren geht. Da wird Lindenberg nicht nur zum deutschen "Bob Dylan oder John Lennon", sondern auch "so groß wie Elvis" bzw. eigentlich noch größer, denn Elvis musste sich ja einem Manager "unterwerfen". Udo nicht.

Laut Hüetlin ist "Alles Klar Auf Der Andrea Doria" der "deutsche John F. Kennedy-Moment", weil jeder sich erinnern könne, wo er zum Zeitpunkt des Erscheinens gewesen sei. Laut Hüetlin war dieses Album "der deutsche Fänger im Roggen. Es hatte die salingerhafte Brillanz er schnellen Skizze und die Lakonie der Sprache, aber inhaltlich ging Udo noch einen Schritt weiter". Größer als Elvis, weiter als J.D. Salinger, soso. Im Vergleich mit Udo stinken u.a. ebenfalls ab: E.T.A. Hoffmann, Joseph von Eichendorff, Andy Warhol. Böll, Grass, Enzensberger sind ok, aber zu deren Texten kann man halt nicht tanzen.

Dass der Größenwahn bei Udo nur deshalb und nur dann lustig ist, wenn er als offensichtliche Spinnerei, als Rocker-Macke daher kommt, hat Hüetlin offenbar nicht verstanden. Bei ihm ist Udos Leben eine Wilhelm Meisterliche Erfolgsgeschichte, wie sie spießbürgerlicher nicht sein könnte. Manchmal unfreiwillig komisch, etwa wenn Udo sich in Nena verliebt. Das hält er für peinlich, weil Nena Schlager singt, dabei ist es natürlich nur deshalb peinlich, weil Nena Nena ist. Wiederum distanziert schildert der Autor, wie die "stürmische Romanze" an der Eifersucht des "Klammeraffen" Lindenberg zerbricht. Einen Anlass, hinter die Kulissen der Fassade zu schauen, sieht er darin nicht.

Das Buch endet in einem regelrechten Furor von sich überschlagenden Erfolgsmeldungen. Unter anderem bekommt auch Bruder Erich dank Udos Kohle ein "Privatmuseum im Tessin in der Schweiz" und damit "späten Ruhm". Echter später Ruhm war Udo selbst beschert, der spielt ja jetzt in Stadien und so. Wenn er sich aber wirklich selbst so sieht, wie dieses Buch es einen glauben machen will, dann fragt man sich selbst als (ehemaliger) Fan, ob so ein Rex Gildo-Ende nicht passender gewesen wäre.

Wer hat's geschrieben? Thomas Hüetlin ist Journalist, hat mal die Redaktion von Tempo geleitet und arbeitet jetzt beim Spiegel. Wie groß/klein der Anteil von Udo Lindenberg ist, bleibt unklar; man hofft: klein.

Wer soll's lesen: "Udo" liest sich, als sei es mit der Absicht sich einzuschleimen nur für einen einzigen Leser geschrieben: für Udo.

Das beste Zitat: Hüetlin zitiert Udo nicht, er versucht, seinen Slang zu imitieren. Viele kurze Sätze. Grausam. Alles klar, nee?

Wertung: 1/5. Text von Joachim Gauger

Udo Lindenberg, Thomas Hüetlin - Udo, Kiepenheuer&Witsch 352 Seiten, Hardcover, 24 Euro

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