Zwischen Monster und Märtyrer
Dass es sich beim aktuellen Opfer XXXTentacion, am Montag vor dem Laden eines Motorradhändlers in Miami erschossen, um einen überaus umstrittenen Charakter gehandelt hatte, macht die Sache noch schlimmer. Mir hätte es eigentlich dicke gereicht, das verlorene künstlerische Potenzial zu betrauern. Hätte tatsächlich schon gern doch noch den einen oder anderen Track von XXXTentacion gehört, der über rotziges Skizzenstadium hinauskommt.
Die Frage, ob und wie weit man Musik abfeiern, interessant finden, ihr eine Plattform geben darf, steht automatisch mit im Raum, wenn sie von Künstlern stammt, die sich mittelschwere bis völlig indiskutable Vergehen haben zuschulden kommen lassen. Mit der eigenen Inkonsequenz hadern müssen: grundsätzlich schon anstrengend, und meistens irgendwie unbefriedigend.
XXXTentacion jetzt, da er tot ist, zum Märtyrer ohne Fehl und Tadel aufzublasen, ist sicher nicht angebracht und erscheint insbesondere denen gegenüber hochgradig unfair, die zu seinem Lebzeiten unter ihm zu leiden hatten. Die eisekalte Empathielosigkeit, die sich auch diesmal wieder allüberall geballt aus den Kommentarspalten ergießt, widert mich trotzdem kolossal an. Wenn einem die Musik nix gegeben und der Typ, um den es geht, (vielleicht sogar aus den berechtigtsten, nachvollziehbarsten Gründen der Welt) nicht zugesagt hat: Kann man dann nicht einfach mal die Fresse halten? Muss man wirklich ekelerregend selbstgerechte Gut-dass-der-weg-ist-Phrasen unter eine Meldung rülpsen, die den Tod eines psychisch gebeutelten Zwanzigjährigen zum Thema hat?
Nee, ich hab' nix übrig für dreckige Frauenschläger. Ich möchte mich aber trotzdem eisern weigern zu glauben, dass von irgendjemandem auf der Straße niedergeballert werden eine "angemessene Quittung" für irgendein vorangegangenes Fehlverhalten darstellen könnte. Insbesondere, wenn die Vorfälle offenbar nichts, aber auch gar nichts, miteinander zu tun haben. Gehts noch?
Die Polizei fahndete nach den beiden flüchtigen Tätern, die zudem aus dem Auto eine Tasche mit Bargeld mitgehen ließen. Bisher deutet also alles darauf hin, dass XXXTentacion Opfer eines Raubüberfalls wurde, soviel zum Thema "angemessene Quittung". Berichten zufolge wurde heute ein Verdächtiger festgenommen.
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