This Is Iraq
Distanz wiederum liefert ein gutes Stichwort, um uns einmal ganz, ganz weit abseits der vertrauten Pfade umzusehen. In der Rap-Szene im Irak zum Beispiel, über die weiß ich nämlich genau ... öh ... nichts? Existiert die überhaupt?
Es scheint so. Ich weiß nicht mehr genau, warum, aber irgendwie kam mir dieser Tage dieser wahnsinnig lesenswerte Artikel unter die Augen. Dalia Al-Dujaili schreibt für den Guardian über Rapper im Irak und irakisache Rapper im Exil: ein echter Kaninchenbau, in den ich da gestürzt bin.
Viele der Tracks sind schon älter, ich geh' aber mal gut gelaunt davon aus, dass sie für euch genau so neu sind, wie sie für mich waren. Deswegen pfeifen wir auch hier gediegen auf Tagesaktualität. Überflüssig zu sagen, dass ich, wenn überhaupt, maximal rudimentär verstehe, worum es jeweils geht. Ich hab' mich aber von jedem einzelnen Video, das ich in diesem Zusammenhang angeschaut habe, besser unterhalten gefühlt als vom Gros dessen, das mir normalerweise so unterkommt.
International
Fangen wir an mit I-NZ. Sein Soundcloud-Account verrät mir, er sei ein in Schottland geborener, in Dubai ansässiger neuseeländischer Rapper irakischer Abstammung. Wow, that's pretty international. Auf jeden Fall hat er Childish Gambinos "This Is America" auf den Irak umgemünzt - mit diesem Ergebnis:
Der Clip ist vier Jahre alt, ist der Kerl noch aktiv? Sieht so aus: Erst vor ein paar Wochen veröffentlichte er, wenn auch ohne Video, "No Game No".
Populär
Iraks populärster Rapper, lerne ich, heißt Khalifa OG. Er sagt: "Wir, die Leute im Irak, sind die ganze Zeit aufgebracht und deprimiert. Wir wollen nicht auch noch traurige Lieder über unsere Lebensrealität hören. Ich versuche also, auf lustige Art und Weise über unsere Probleme zu sprechen. Wir können uns nicht unentwegt damit herumschlagen, wir müssen dafür sorgen, dass es Spaß macht. Wofür sind wir sonst da?" Sein Konzept scheint aufzugehen, mit "Tapsy" sammelte er innerhalb eines Jahres satte 17 Millionen Aufrufe ein:
Mal gucken, ob das vergangene Woche erschienene "Basha" da nachziehen kann:
Huarr!
Am meisten gelacht hab' ich über Narcy, der in "Makoo" unter anderem Dancemoves und Frisuren seiner Landsmänner auf die Schippe nimmt, sich damit aber zugleich gegen Fremdenhass und Islamophobie stemmt. Mit beidem kennt er sich leider aus, er wuchs als Sohn irakischer Einwanderer im kanadischen Quebec auf, doziert heute an Montreal's University of Concordia zum Beispiel über Kendrick Lamar und Kanye West, und äußert sich in seinen Tracks immer wieder zu politischen Themen. "Wir sind ein vergessenes Volk", urteilt er über seine Landsleute, im Irak wie in der Diaspora, "ein Volk, das Ungerechtigkeit und Krieg erlitten hat und deswegen als unterdrückt abgestempelt wird. Aber ich weiß, wie reich unser kulturelles Erbe ist."
Narcy hätte mir eigentlich schon begegnen können: In seiner Iraq-A-Fella Show hatte er letztes Jahr Habibi-Funkateer Jannis Stürtz von Jakarta Records zu Gast. Aus Köln. So klein ist die Welt:
Ja. Hier könnte ich noch endlos weiterversacken, hätte ich nicht ...
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