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Please Mr West, no more

Nun gut, bringen wir es hinter uns. Es ist wieder mal an der Zeit über Kanye zu reden. In den vergangenen Monaten dachte man wirklich, dass der Mann tiefer kaum sinken kann, aber Woche für Woche bewies uns Ye das Gegenteil. Die antisemitischen Äußerungen und Anbandelungen mit immer radikal werdenden rechten Schießbudenfiguren kulminierten nun in einem Auftritt bei Alex Jones’ Infowars, wo Ye endgültig die Maske abnahm. Zumindest figurativ, denn sein Gesicht versteckte er während des gesamten Auftritts hinter einer Maske. Neben Äußerungen wie "I like Hitler", "Germany had a really cool leader at one point" und "I am a nazi", behauptet er unter anderem, man könne nicht alle Nazis in eine Schubladen stecken, die Todeszahlen des Holocausts wären eine Lüge und Zionisten wollten seine Kinder entführen.

Das Ganze nahm irgendwann solch surreale und verstörende Ausmaße an, dass Alex Jones im Verhältnis zu Ye wie die Stimme der Vernunft klingt. Lasst euch das bitte einmal auf der Zunge zergehen: Alex Jones, ein Mann der kürzlich zu einer Milliarde Dollar Schadensersatz verurteilt wurde, weil er behauptet hatte, den Sandy Hook-Amoklauf habe es nie gegeben, und die Hinterbliebenen über Jahre terrorisierte, klingt neben Kanye West wie ein rationaler Mensch. Dieses Interview ist ein Paradebeispiel für eine Realität, die so skurril ist, dass sie sich kein Autorenteam der Welt ausdenken könnte. Ausgerechnet Jones bringt es an einer Stelle auf den Punkt, als er sagt "I'm in the Twilight Zone right now", während Ye neben ihm mit einem Schmetterlingsnetz in der Hand den israelischen Politiker Netanyahu durch den Kakao zieht.

Kanye verhält sich nicht nur wie ein 4Chan-Edgelord, der wissentlich sämtliche Grenzen des guten Geschmacks überschreitet, er scheint auch ein unglaublich dummer Mensch zu sein. Ganz davon abgesehen, dass er willentlich Extremisten um sich scharrt wie Jones und Nick Fuentes, einem Neonazi, der die Beziehung zwischen einer schwarzen und weißen Person als Sodomie bezeichnet. Er hat auch nicht den blassesten Schimmer, worüber er eigentlich redet. Jedes Mal, wenn ihn Jones auf ein konkretes politisches Thema anspricht, wir erinnern uns - der Mann möchte 2024 gerne der nächste Präsident Amerikas werden, reicht Ye die Frage an Fuentes weiter oder faselt theokratischen Bullshit über Jesus und die Liebe Gottes. Er spiegelt nicht einmal konservative Talking Points, weil ihn das Thema schlichtweg nicht interessiert.

So gern ich auch über diesen neuen Tiefpunkt den Mantel des Schweigens hüllen würde, so wichtig finde ich es, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen. Lange Zeit saßen ein Engel und ein Teufel auf meiner Schulter, die sich darüber stritten, inwiefern man den Mann aufgrund seiner psychischen Störung überhaupt für den geistigen Durchfall, den er seit Monaten in die Öffentlichkeit trägt, verantwortlich machen kann. Spätestens nach diesem Interview wählte der Engel allerdings guten Gewissens den Freitod.

Entweder befindet Kanye sich gerade auf einer nahezu suizidalen Mission, willentlich seine gesamte Reputation und all seine sozialen Beziehungen in Schutt und Asche zu legen, oder, und das ist die wahrscheinlichere, wenn auch schwerer zu akzeptierende Realität, seine Krankheit half einem Rassisten und Antisemiten einfach nur dabei, sein wahres Gesicht zu zeigen.

Der Mann, der einen Großteil dazu beitrug, dass ich überhaupt begann, mich so sehr für Musik zu interessieren, dessen Musik mich einen Großteil meines Lebens begleitete, dessen Alben mir so viel bedeuten, dass ich mir eines seiner Cover auf den verdammten Arm tätowieren ließ (danke für nichts) ist nicht nur ein arrogantes, narzisstisches und empathieloses Arschloch, er hat auch keinerlei Probleme damit, die hasserfüllte Rhetorik von Menschen wiederzugeben, denen Menschen mit seiner Hautfarbe am besten gefallen, wenn sie von von Bäumen hängen. Und deswegen meine ich es auch von ganzem Herzen, wenn ich sage: Fuck you, Kanye.

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