Drill essen Seele auf?
In den Chor derer, die in Musik die Ursache für Gewalt suchen, stimmte unlängst sogar Pete Rock mit ein. Per Tweet (den er inzwischen allerdings wieder gelöscht hat, die Kolleg*innen von hiphop.de waren allerdings schnell genug, den Wortlaut für die Nachwelt zu konservieren), erklärte er, Drill sei Müll und scheiße, habe mit Hip Hop nichts zu tun, sei nicht für die Straßen und noch nicht einmal für die dort herumschwirrenden Vögel gemacht, sondern einzig und allein Geldmacherei auf Kosten der Kultur: Drill zerstöre die Seele, deshalb solle man gefälligst entschieden dagegen Position beziehen.
Mit derlei Äußerungen spielt die Produzentenlegende natürlich New Yorks Bürgermeister Eric Adams in die Karten, der schon seit längerem einen Kreuzzug gegen Drill Music führt, weil er in dieser Rap-Spielart die Ursache für den Anstieg der Gewaltverbrechen auf den Straßen seiner Stadt vermutet.
Alter. Es erstaunt mich tatsächlich immer wieder aufs Neue, wie einfach es sich manche Leute machen. Musik, Ballerspiele, DAS INTERNET sind schuld, wenn die Leute, insbesondere junge Menschen durchdrehen? Nicht vielleicht die beschissenen Umstände, mit denen sie klarkommen müssen? Klar, in dem Fall brauchen wir uns natürlich nicht über Rassismus, Polizeigewalt, die weit und weiter aufklaffende Schere zwischen vielen, die wenig besitzen, und den wenigen, denen fast alles gehört, unterhalten. Hurra, wir haben ja schon einen Sündenbock.
Nichtsdestotrotz übernimmt Drill, der seinen Ursprung eigentlich in Chicago nahm, gerade insbesondere die New Yorker Rap-Szene. Gegen die Unterstellung, seine Vertreter säten dort nur Gewalt und Zwietracht, wehrt sich zum Beispiel Fivio Foreign ganz entschieden. Er rief 2020 die Foreignside Foundation ins Leben, die gefährdete Jugendliche und die Familien von Inhaftierten unterstützt. "Ich zeige den Leuten, dass es immer noch eine andere Option gibt", erklärt er gegenüber dem Rolling Stone. "Hör' mal, wir haben viel mehr zu bieten. Wir sind auch hier, um den Menschen in unseren Gemeinden zu helfen. Wir wollen das Narrativ verändern, den Blick auf Drill Music."
Dass Drill ein Ding ist, zeigt sich allein schon daran, dass gerade gefühlt jedes Magazin ausschweifende Beiträge zum Thema auffährt. Bei Complex geht es dankenswerterweise allerdings einmal nicht um das Gewaltpotenzial des Subgenres, sondern um den stetig wachsenden Einsatz populärer Samples.
... Moment mal, soll das wirklich eine neue Entwicklung sein? War das nicht seit jeher der Trick (oder zumindest ein willkommener Nebeneffekt), dass ein vertrautes Sample einen Track besser ins Ohr gehen und dort bleiben lässt? Wenn hiphop.de das jetzt, bezogen auf Deutschrap, auch schon eine Abhandlung wert ist, dann ... ja ... dann fühl' ich mich wirklich ziemlich alt.
2 Kommentare
Peter Rock ist eh komplett Banane. Der ist gegen alles neue und Kinder zu impfen ist Mord sagt er... Hab den mal auf Instagram verfolgt und der ist wirklich nicht besonders schlau bzw. sehr verwirrt.
Lupe Fiasco hatte doch schon vor 10 Jahren ähnliches gesagt, als Keef und Reese "I dont like" rausgebracht haben und so ganz kann das auch nicht von der Hand weisen. Sicherlich ist Drill nicht die alleinige Ursache, aber in Verbindung mit Social Media sind die Songs und Videos oftmals der Katalysator der zur Eskalation führt. Gibt ja einige Rapper (+ Umfeld), die wenige Tage nach z.B. einem Diss Track ums Leben kamen, wie z. B. Young Pappy, La Capone, OTF Nunu, Edai, FBG Duck, OG ManMan, Bibby, Lil Nine, Lil Marc, Dooski usw.