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Hype nach Bauplan?

"'Ne Tür, 'ne ganze Party und im Abgang noch 'ne Freundschaft, zerstöre so viel, was danach nie wieder da ist. Alkohol treibt mich in Ecken und für die Freiheit schlag ich." Mit diesen Worten im Ohr gucken wir noch einmal dieses Video:

Nina Chuba? "Wildberry Lillet"? Warum denn das jetzt schon wieder? Nun, weil ich erst dieser Tage über eine recht lesenswerte Recherche dazu in der Zeit gestolpert bin, hier entlang. Christian Fuchs stöbert da den doch recht augenfälligen Zusammenhängen zwischen einem Hit und dem Popularitätsschub des titelgebenden Getränks nach.

"Mit 'Lillet Wild Berry' gab es auch den passenden Drink zum Ohrwurm", stellt Fuchs da nach dem Über-Nacht-Erfolg der Nummer fest. "Das Getränk tauchte vergangenes Jahr plötzlich überall auf, im Späti in Berlin und im Freibad in Neckargemünd, im gutbürgerlichen Restaurant und im Asia-Imbiss. In meinem Leipziger Getränkemarkt kam ich nicht mehr gut an die Kasse, weil davor auf einmal ein raumgreifender Papp-Werbeaufsteller Flaschen des französischen Wein-Aperitifs 'Lillet Blanc' und Schweppes 'Wild Berry' anbot - die zwei Zutaten, die man für den Cocktail braucht. An Silvester berichtete mir eine Verkäuferin in Zeitz, Sachsen-Anhalt, dieses Mixgetränk sei der neue Aperol Spritz, der Drink, auf den sich alle verständigen können. Und auch in den deutschen Cocktail-Charts des Gastronomie-Kassensystems orderbird kletterte der Drink 2022 erstmals auf den dritten Platz."

Kann das alles Zufall sein? Der Cocktail sei von den Herstellern der beiden Zutaten vor gut zehn Jahren ersonnen worden, erfreute sich lange Jahre aber allenfalls im Rheinland einer gewissen Beliebtheit. "Könnte es sein, dass es den Hit nur gibt, um den Cocktail endlich in ganz Deutschland bekannt zu machen?", fragt Fuchs, und schnüffelt herum, beim Label, bei Pernod Ricard, die den Lillet beisteuern, und bei Schweppes, von denen stammt die Wild Berry-Limo zum Strecken. War die ganze Nummer also eine Art Auftragsarbeit, eine groß angelegte Werbekampagne, um einer verdammt jungen Zielgruppe ein ordentlich hochprozentiges Getränk vorzustellen, das bis dahin allenfalls Tante Inge aus Kölle kannte?

Ich find' tatsächlich hochinteressant, wie Christian Fuchs herausklamüsert, wer zu welchem Zeitpunkt auf wen zugegangen ist. Dass Pernod Ricard eine von Sony angeregte Werbepartnerschaft abgelehnt hatte, weil Nina Chuba (und wohl auch ihre Zielgruppe) einem Firmen-internen Kodex zufolge zu jung war, ehrt sie. Bei Schweppes, der zweiten Wahl des Labels, hatten sie derlei Skrupel offensichtlich nicht, wie obiges Video zeigt. Praktisch halt auch, dass der Song fast genau heißt wie ihr Produkt. Wie kams denn dazu?

Hierzu lässt sich Fuchs von Yannick Johannknecht, unter seinem Künstlernamen Aside einer der Produzenten des Tracks, von der zugehörigen Songwriting-Session erzählen. Man habe gemeinsam am Pool herumgehangen, so sagt es auch Nina Chuba im Podcast Hotel Matze, die Textzeile "nehm' mir alles vom Buffet" habe schon recht früh festgestanden, ein Reim darauf musste her: "Die nächste Zeile musste sich unbedingt auf 'Buffet' reimen, und sie hätten noch ein Getränk in den Text aufnehmen wollen. Auf einmal sei da Wildberry Lillet gewesen. Jemand habe den Namen des Drinks 'Lillet Wild Berry' umgestellt, damit er sich auf Buffet reime. Wer die Idee hatte, daran erinnert sich Johannknecht nicht mehr genau."

"Der Text entstand also laut Johannknecht einfach so, an einem Sommertag, in einem kreativen Prozess. Rapper nennen gern Marken in ihren Songs, der Glanz von Luxusprodukten wie Mercedes oder Rolex soll dann auf sie abstrahlen. Im Fall von Nina Chuba war es aber genau andersherum: Ihr Hit hat den Cocktail erst cool gemacht. Mein Anfangsverdacht wurde entkräftet: Beim Schreiben des Textes hatte wohl niemand an eine Kooperation mit den Herstellern des Drinks gedacht."

Ah, ja. Ich will gar nicht behaupten, dass "Wildberry Lillet" von vorne bis hinten ein abgekartetes Spiel von Werbestrateg*innen war. Aber einer der Profiteure des Erfolgs sagt, "jemand", habe den Drink ins Gespräch gebracht, wer das gewesen sei, daran erinnere er sich nicht genau, und DAS reicht aus, um den Anfangsverdacht eines versierten Investigativ-Journalisten zu entkräften? Das finde ich doch schon sehr verblüffend.

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Was kostet so ein Feature? Killt ChatGPT Rap? Was will Shirin David? Ist Pras Michel Chinas Agent? War Nina Chubas Hype Maßarbeit? R.I.P. Jah Shaka.

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