Der Irrsinn der Woche
Mindestens genau so verrückt, wenn auch ein bisschen süßer ist dieses Projekt, das mir neulich in mein (reales) Postfach geflattert ist. Von meinem Boy Sane habe ich euch ja schon ein-, zweimal erzählt. Tübingens Finest hat ein neues Album am Start, und das hat es in sich. Sane war ja ... Gimmicks gegenüber noch nie ganz abgeneigt, zumindest was sein Bachelorarbeits-Album und sein "The Shining"-Konzeptalbum anging. Aber auf diesem neuen Tape, da erhebt er das Gimmick zur Kunstform. Ich habe also sein Album geliefert bekommen, und im Päckchen fand sich so ziemlich alles, nur kein Album. Ich erklärs euch:
Das hier ist nicht das Album. Das ist seine Graphic Novel "From Sinister City to Saneverse". In einem kolossal manischen Effort hat er aus KI-Bildern eine surreale Story im Stile von "Everything, Everywhere, All At Once" und "Mutafukaz" gezimmert, die nur so vor grenzdebilen Insidern, Meta-Gags und 4th-Wall-Breaks besteht. Mein Humor mag nicht der Erlesenste sein, aber ich bin schon ein paar Mal schnaubend zu meiner Freundin gerannt. "Guck mal, der Tod ist ein YouTuber und die Schildkröte hat gekifft." Sie fands so mittelkomisch. Aber von allen Rapper-Psychosen ist das definitiv die unterhaltsamste.
Was hat das nun mit Musik zu tun? Nun, ja: Das Album heißt nicht "From Sinister City To Saneverse", sondern "Das Album der Woche". Darauf hat er in sieben Tagen alles gemacht: vom Beats-Bauen über die Texte bis zu den Recordings und Mixes. Wer es jetzt hören will, muss aber ein bisschen geschickt vorgehen: Die zweite Packungsbeilage war nicht etwa die CD mit den fertigen Songs, sondern ein Päckchen Spielkarten. Jede davon repräsentiert einen Song, beherbergt ein kleines Rätsel, das man mithilfe der Graphic Novel auflösen kann. Heraus kommen Passwörter, die man auf der zugehörigen Website eingibt, um dann zu Audiodateien der Songs zu kommen:
Ich sag ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob es der ultimative Modus des Albumhörens ist,wenn man sich ganz auf ein Album einlassen will, weil man entweder zwischen den Songs jeweils ein paar Minuten pausiert oder, statt zu hören, schon am nächsten Rätsel dran ist. Aber, verdammt, ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß an einem Album als Gesamtprodukt. Das ist von vorn bis hinten so liebevoll, verrückt und übertrieben, vor allem, wenn man bedenkt, dass Sane ein ziemlich nischiger Untergrundrapper ist. Falls das jemanden interessieren sollte, verweise ich diskret auf seinen Shop, da könnt ihr euch auch einmal durch "Das Album der Woche" puzzlen. Es ist auf jeden Fall anders als jede Album-Erfahrung, die man sonst macht.
Wem all das zu teuer oder zu viel Aufwand ist, der kann seit diesem Freitag auch einfach Streaming-Anbieter konsultieren und das Tape einfach so hören. Als Album an sich kommt es in meinen Augen zwar nicht an seine wunderschön melancholische Vorgänger-EP "Insomniavalon" heran (vielleicht auch nur, weil "Meine Last (Die Moldau)" mein absoluter Lieblingssong von ihm für immer sein wird), aber es hat auf jeden Fall ein paar Highlights. "Overlook Maze" ist ein zelebrierender, ehrlicher, "Saint Pablo"-esker Song an seinen verstorbenen Bruder. "Hodor" führt in sein Aufwachsen in "Karlsruhe" und dessen ruppigeren Ecken, "Defeat Your Demon" hat ein sehr unterhaltsames Fantasy-Konzept.
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