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Stop The Rage

Rage-Culture

Travis Scott ist einer der Wegbereiter der sogenannten 'Rage-Culture', die im modernen Hip Hop zur Gangart auf jedem nahezu Konzert gehört. Damit ist eine Energie gemeint, die man sonst so nur von Metal-Shows kennt: Mosh-Pits, Wall Of Deaths, Crowd Surfing choreografiertes Crowd-Movement (Springen, Rudern etc.). Travis hat eine Historie, dieses Konzept an die Grenzen zu treiben. Mehrmals ermutigte er Fans in der Vergangenheit, Barrikaden zu stürmen, von der Bühne zu springen oder waghalsige Stunts durchzuführen. Während einer Show im Jahr 2017 drängte er einen Fan nahezu dazu, von einem Balkon im zweiten Stock in die unten stehende Menge zu springen. Am gleichem Abend wurde ein anderer Fan aus dem dritten Stock geschubst und brach sich die Wirbelsäule. Er ist bis heute zu großen Teilen gelähmt.

Was die Energie auf diesen Konzerten von der auf einem Metal-Konzert unterscheidet, ist die Unachtsamkeit. Es mag nur meine subjektive Wahrnehmung sein, aber als jemand der in seinem Leben auf ungefähr genauso vielen Metal- wie Hip Hop-Konzerten war, muss ich sagen, dass man sich in einem Moshpit während einer Metal-Show einfach sicherer fühlt (Hardcore ausgenommen, aber ist wieder ein ganz anderes Thema). Wer fällt, wird ohne Zögern aufgehoben, wenn sich jemand die Schuhe binden muss, wird er von anderen Teilnehmern schützend abgeschirmt. Wenn jemand aus Versehen einen Ellenbogen abbekommt, entschuldigt man sich. Das vermisse ich im Hip Hop größtenteils. Als Vergleich: Allein an einem Tag auf dem Splash! 2019 hatte ich mehr Ellenbogen im Gesicht und musste mich von meinen Freunden vom Boden hochziehen lassen als in meiner gesamten Historie als Deathcore-Groupie.

"It ain't no moshpit if they're no injuries", rappt Travis auf "No Bystanders". Das mag eine coole Catchphrase sein, aber niemand verletzt sich gerne auf einem Konzert. Ich glaube ihm ja, wenn er in seinem Statement sagt, dass er nicht realisierte, wie schlimm die Situation wirklich war. Aber spätestens wenn ein fucking Krankenwagen in die Crowd fährt, sollte man als Entertainer sich zu einhundert Prozent vergewissern, dass das Konzert gefahrlos fortgeführt werden kann. Und wenn man das nicht tut, kann man sich als Performer nicht von jeglicher Schuld freisprechen. Diese Videos von einem Linkin Park-Konzert zeigt, wie man in einer perfekten Welt mit Unruhen und Chaos in der Crowd umgeht.

Drogen

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt von Gerüchten, dass ein Mann während des Konzerts Teilen des Publikums ohne deren Wissen Drogen injiziert haben soll, müssen wir auch über den regulären Drogenkonsum in der Szene reden. Wo Hip Hop Jahrzehnte lang nur Kiffen und Kopfnicken war, dominieren heutzutage Drogen wie Xanax, Lean oder Psychedelika wie LSD. Das führt unweigerlich zu Überdosen und Bad Trips, die im Umfeld einer Menge auch gerne zu Panikattacken oder Schlimmerem führen können.

Das Problem liegt nicht einmal in erster Linie am Konsum, sondern beim oft wenig zuvorkommenden Umfeld. Wo diese Drogen in anderen Szenen schon seit Dekaden zum guten Ton gehören, ist das im Hip Hop alles relativ neu. Festivals sind oft nicht angemessen darauf vorbereitet, mit den möglichen Komplikationen umzugehen, die Drogenkonsum dieser Art mit sich bringen kann, und noch weniger ist es das oft minderjährige Publikum.

Nach vorne schauen

Letzten Endes lässt sich diese Tragödie nicht auf einen einzigen Faktor oder einige wenige Personen reduzieren. Dieser Tag war ein historisch tragischer, und wer zu welchem Grad woran schuldig ist, wird immer zweitrangig bleiben, weil acht Menschen die zu Musik, die sie liebten, feiern wollten, jetzt tot sind. Und dafür gibt es keine gerechte Entschädigung. Ich will damit nicht sagen, dass die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden sollen, nur ist es ebenso wichtig, aus den begangenen Fehlern zu lernen, um zukünftige Katastrophen wie diese zu verhindern.


Rest in Peace: Brianna Rodriguez, Rodolfo Pena, Madison Dubiski, Axel Acosta Avila. Bottom, Franco Patino, Jacob Jurinek, Danish Baig und John Hilgert. Bild: NPC NEWS

Das einzig Positive, das der Diskurs rund um Astroworld mit sich bringt, ist das Schaffen eines größeren Bewusstseins für die Sicherheit des Publikums. Jüngst unterbrach etwa Teyana Taylor ihr Konzert, um das Wohlbefinden eines Fans sicherzustellen. Es darf kein weiteres Astroworld geben, darin scheinen wir uns alle einig zu sein.

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