Chief Keef: Retrospektive Pt.3
The Leek - Save Me (2015)
Neben seinem unnachgiebigen Mixtape-Output veröffentlichte Keef in seinen frühen Jahren auch beinahe täglich neue Musik auf Soundcloud, die er später den Fans zuliebe zu Compilations zusammenfasste. Damit war die "The Leek"-Serie geboren. Wo Sosa anfangs jedoch noch aus den Vollen schöpfen konnte, geriet die Qualitätsdichte in späteren Auflagen dieser sowie der später ins Leben gerufenen "Glo Up Files"-Reihe (jeweils acht und vier Auflagen) beängstigend dünn. In den ersten zwei Runden finden sich allerdings noch wahre Juwelen seiner Diskographie. Der respektlose und kaltblütige Disstrack "War", das poppig-verträumte "Either Way" und, über allem stehend, vielleicht das Prunkstück ins Keefs gesamten Katalog: "Save Me".
Ihr haltet mich jetzt wahrscheinlich alle für verrückt, aber ich bin wirklich der Meinung, dass "Save Me" einer der besten Songs ist, die das Genre Hip Hop jemals hervor brachte. Lex Lugers Sample-Flip von Katy Perrys "Legendary Lovers" gehört in ein Museum, das ist Drill-Musik in absoluter Perfektion. Keef könnte über diesen Beat drei Minuten nichts anderes als 'Aye' und 'Gang' sagen (ein weiterer Trend, der ultimativ auf ihn zurückzuführen ist), und der Song würde trotzdem fast genauso gut funktionieren. Die ersten paar Durchläufe ist man wahrscheinlich ohnehin so gebannt von dem instrumentalen Bulldozer, der da über einen hinwegrollt, dass man gar nicht wirklich wahrnimmt, was sonst noch geschieht.
Dennoch könnte niemand anderes so einem Beat gerechter werden als Keef. Nicht weil seine Raps besonders substanziell wären, es ist sein Charisma, seine schiere Präsenz, die aus "Save Me" eine Hymne sondergleichen macht. Er bewegt sich unauffällig im Hintergrund, überlässt Luger das Rampenlicht, drängt sich jedoch immer wieder sturmlaufartig nach vorne, um das Energielevel aufrecht zu erhalten, wenn der Beat für ein paar Sekunden durchschnauft. Er nutzt Lugers Instrumental nicht als Fundament, über das er rappen kann, sondern als ebenbürtigen Bestandteil des Songs.
Thot Breaker - Slow Dance feat. Young Chop (2017)
Chief Keef ist verliebt. Was fünf Jahre zuvor noch wie ein schlechter Witz geklungen hätte - wir erinnern uns an die eleganten Worte aus "Save That Shit": "She said 'I love you' whatever that is, do me a favor, save that shit" - wird auf "Thot Breaker" wunderschön absurde Realität. Der Albumtitel lässt es vielleicht nicht vermuten, aber Keefs sechstes Album ist eine Ode an das Leben und die Liebe, ein Mischmasch aus R'n'B und Pop, der für knappe 45 Minuten eine Welt zeichnet, die in Ordnung ist. Für Cozart bedeutet das eine grundlegende musikalische Neuorientierung, die auf dem Papier wie ein Rohrkrepierer aussieht, jedoch in seinem mitunter besten Material resultiert.
Im Kern ist "Thot Breaker" natürlich dennoch ein Chief Keef-Projekt, was bedeutet, dass auch wenn er seinen lyrischen Fokus ändert, seine Wortwahl eine ähnliche bleibt und sich zwischen genuin süßen Momenten ("Didn't know how to approach ya / I was gonna approach you like this / 'Baby, do you like lasagna?'") die eine oder andere fragwürdige und sinnbefreite Zeile einschleicht ("My car so retarded, the bitch just farted"). Alles andere wäre jedoch auch schlichtweg nicht authentisch.
Der musikalisch vielleicht wagemutige Song, der diesen Sinneswandel am schönsten veranschaulicht, heißt "Slow Dance": ein vierminütiger Crooner, der Liebe und Zuneigung in einem für Keef untypisch verletzlichen und liebenswürdigen Rahmen besingt. Bemerkenswert erscheint dabei nicht nur der Inhalt, wie wenn er in der Hook die Worte "Baby do you wanna slow dance? Oh, do you wanna hold hands?" haucht. Auch die Art, wie er sich dem Kitsch und der Emotionalität eines solchen Songs hingibt, erscheint wie eine kleine Meisterleistung. Der gleiche Mann, der wenige Jahre zuvor mit dem Timbre eines wilden Barbaren brüllte, wie viele Männer er auf dem Gewissen habe, liegt hier seiner Geliebten zu Füßen und klingt wie ein neuer, wie ein glücklicher Mensch.
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