Noch jemand Senf?
Inzwischen hat ja wahrlich schon jeder und seine Mutter, von Juse Ju (via Facebook) und BeKa (im HeckMeckTV-Podcast) über die Rap-Schau bis hin zu Rezo und zum Deutschlandfunk, Senf zum Thema abgegeben. Während sich manche darauf beschränken, auf ein am Boden liegendes Opfer einzutreten und eimerweise Hohn auszugießen, bemühen sich andere um differenzierte Bertrachtung und konstruktive Kritik. rap.de-Chefschreiber Oliver Marquart etwa liefert einen Zehnpunkteplan, um eine Wiederholung des Desasters im kommenden Jahr zu umschiffen.
Sein Kollege Jonas Heuten dagegen kommt, ebenfalls bei rap.de, zu dem deutlich ernüchternderen Schluss: "Deutschrap ist noch nicht bereit für die Hype-Awards", überschreibt er seinen Kommentar. Er glaubt, den Kern des Problems in dem Umstand ausgemacht zu haben, dass Hip Hop seinem Wesen nach Gegenkultur ist und deswegen ein Problem damit habe, in Mainstreamkontexten zu funktionieren.
"Darüber hinaus gibt es ohne das soziale Gegenüber der bürgerlichen 'Normalbürger*innen' keinen wirklichen Zusammenhalt innerhalb der Szene. Das sieht man etwa daran, wie viele sich nun hämisch auf einen kleinen Texthänger während Enos Auftritt stürzen. Ich bin mir sicher, dass die jetzige negative Bewertung seiner Performance im Rahmen einer klassischen Preisverleihung deutlich positiver von der Szene aufgenommen worden wäre, weil man dann geschlossen gegen den Mainstream gestanden hätte."
Stichwort: Wagenburgmentalität. Über diesen (mir auch nicht fremden) Reflex, alles, das irgendwie Rap ist, gegenüber "Genrefremden" erst einmal zu verteidigen, sei es auch noch so offensichtlich scheiße, müsste man eine ganz eigene Abhandlung schreiben, eigentlich.
Ich stolpere allerdings schon viel früher, und das gleich mehrfach. Mir erscheint die Reduktion eines komplexen Phänomens wie Hip Hop auf "Gegenkultur" zu schlicht. Mir leuchtet null ein, wie man sich 2019 noch, ohne lachen zu müssen, hinstellen und Hip Hop als irgendeinen Gegenentwurf zu einem wie auch immer gearteten "Mainstream" bezeichnen kann. Hip Hop ist ubiquitär, omnipräsent und damit die Definition von Mainstream.
Genau deswegen komm' ich auch mit dem Begriff "Szene" nicht mehr klar. Es gibt sie schlicht nicht mehr, "die Hip Hop-Szene" ist tot! Hip Hop ist so groß geworden und so vielgestaltig, das "die Hip Hop-Szene" auf Künstler- wie auf Fanseite längst in viele, viele einzelne Szenen auseinandergefallen ist. Das ist eine notwendige Folge des Wachstums, ein Beleg der Entwicklung, das Gegenteil von Stillstand und damit absolut gut so. Zum anderen bedeutet diese Diversifizierung natürlich von vorne herein den Todesstoß für ein Unterfangen wie den Hype-Award. Eine Szene, die es nicht (mehr) gibt, wird sich niemals einigen können, wer wofür und in welchem Rahmen ausgezeichnet werden soll. Bei allen Bemühungen: Ich glaub', dieser Hype Award ist eine Totgeburt.
Noch keine Kommentare