Eingeladen zum Ausgeladen
Einen guten Beweis dafür, dass Die-Schnauze-voll-haben auch einen prächtigen Anstoß zum Selbermachen liefern kann, bieten die Damen und Herren, die in Hamburg das Ausgeladen Festival auf die Beine stellen. Das habe ich euch ja schon einmal ans Herz gelegt, und tu das jetzt, wo der Termin näher rückt, gerne noch einmal, diesmal zusammen mit diesem schönen Snippet von King Veganismus One und Dr. Alsan:
Alle Infos zur Veranstaltung gibts hier, Tickets kriegt ihr hier.
Zum Wieso-Weshalb-Warum des Ganzen fragen wir einen, der das am besten wissen muss, nämlich Aaron Scherf von der Festival-Crew:
Ihr veranstaltet am 27. und 28. September in Hamburg das Ausgeladen Festival. Was genau plant ihr da?
Ein zweitägiges Festival für Rap, Punk und Gegenkultur! Wir lieben Rap und Punk, und wir haben Bock auf Veranstaltungen, bei denen es beides gibt. Das Line-Up umfasst derzeit 24 Bands und Künstler, vom Boom-Bap-Rapper bis zur Hardcore-Band. Außerdem sind wir Linke und finden, man muss jetzt kritische Gegenkultur stärken. Darum spielen auch viele Acts, die sich auf verschiedene Art für Solidarität und die Underdogs stark machen und internationalistische Positionen vertreten. Redebeiträge und ein Podiumsgespräch zum Thema "Gegenkultur" planen wir auch. Es soll aber nicht so eine verklemmte Polit-Veranstaltung werden, bei der dann nur die kommen, die eh schon einer Meinung sind. Die Musik soll im Vordergrund stehen, und jeder, der auch einfach Lust auf Party hat, ist bei uns willkommen.
Gab es einen konkreten Anlass, der euch dazu gebracht hat, das Festival auf die Beine zu stellen?
Ja. Der Startschuss war die Ausladung der Satire-Rap-Crew King Veganismus One & Dr. Alsan von einem Punk-Festival im Februar. Die Veranstalter haben die Crew wegen der Zeile "Täterenkel nehmen meinen Namen angewidert in den Mund als wär's ein haariger Sack, und geben mir für alles die Schuld als wäre ich Palästina" rausgeschmissen, weil sie dahinter eine pro-palästinensische Einstellung gewittert haben. Außerdem hat die Crew sich mit einem Rapper aus der Kommunisten-Szene solidarisiert, nachdem die Presse seinen angeblichen Namen und Arbeitgeber veröffentlicht hat, um ihn fertigzumachen. Da ging es darum, in Zeiten des Rechtsrucks trotz aller Differenzen gegen Repression zusammenzustehen, aber das wollen offenbar nicht alle. Die Veranstalter haben jeden Dialog über die Ausladung verweigert. Dagegen haben dann auch andere Bands protestiert, mit dem Ergebnis, dass sie ebenfalls rausgeschmissen wurden. Es war übertrieben absurd! Am Ende hatten die fast das halbe Line-Up rausgekickt, alle Kritiker bepöbelt und sich komplett blamiert. Dann einfach ein eigenes Festival zu machen, war eigentlich nur eine Schnapsidee, um die Veranstalter anzupissen. Aber sie kam so gut an, dass wir das jetzt wirklich durchziehen.
Ihr schreibt, ihr wollt "ein Zeichen gegen die verstärkte Auslade- und Diffamierungspolitik im Kulturbetrieb und in der linken Subkultur setzen". Mit welchen Schwierigkeiten und Anfeindungen habt ihr im Vorfeld zu kämpfen?
Damit das keiner falsch versteht: Wir laden niemanden ein, nur weil er mal wo ausgeladen wurde. Klar gibts Leute, denen man keine Plattform bieten sollte. Aber was uns nervt, und zwar am Kulturbetrieb und vor allem in der sogenannten "linken Szene", ist die hysterische Art, mit der man bestimmte Positionen und Leute ausgrenzt, die für ihre Botschaft die "falschen", provokanten Worte wählen, ohne zu diskutieren oder darauf zu achten, was genau sie eigentlich sagen und wen sie erreichen. Wer sich beispielsweise klar gegen den westlichen Imperialismus ausspricht oder Identitätspolitik hinterfragt, bekommt schnell Probleme. Im Mainstream eh, aber auch in der linken Subkultur. In letzter Zeit trifft es vor allem Musiker, die sich positiv auf den zivilgesellschaftlichen Protest der Palästinenser beziehen. Das hat man zuletzt bei Talib Kweli gesehen, der deswegen als "antisemitisch" diffamiert wurde und der in der Presse keine Chance bekommen hat, sich zu erklären. Dieses repressive Klima finden wir scheiße. Aber wir treffen uns nicht zum Jammern, sondern wollen uns unabhängig machen. Wir erwarten aber auch nicht von den Künstlern im Line-Up, dass sie alles so sehen wie wir. Und klar, wir bekommen auch mit, dass das polarisiert. Ein paar stört unsere Kritik an der politischen Sprachhygiene linker Subkultur. Aber uns schreiben auch sehr viele, dass sie das Projekt geil finden.
Unter dem Titel "Warum wir das hier machen" habt ihr als Festival-Crew ein Statement zum Projekt abgegeben. In dem schreibt ihr unter anderem, ihr wünscht euch "eine andere linke Kultur". Wie sollte die aussehen?
Auf jeden Fall offener und zugänglicher für normale Leute! Es gibt viele, die kritisch denken, aber aus guten Gründen keinen Bock auf die "linke Szene" haben. Auf die müsste man zugehen und ihnen zuhören, statt sie von oben herab belehren zu wollen. Dafür müsste man aber mehr auf das Verbindende schauen und den Austausch suchen, nicht immer gleich alle abbügeln, die noch nicht so reden und denken, wie man es gerne hätte. Es gibt zum Beispiel Rapper, die kritische Botschaften haben und cool drauf sind, sich aber eben "unkorrekt" ausdrücken. Warum grenzt man sich dann sofort ab, statt sich einfach mal zum Diskutieren zu treffen? Linke Kultur muss integrativ und solidarisch sein, abgeriegelte Subkultur-Blasen braucht keiner. Sie muss witzig und provokant sein, aber auch kämpferisch und leidenschaftlich. Und dafür muss sie auch inhaltlich kritisch sein. Krieg und Frieden und die soziale Frage zum Beispiel müssen zentrale Themen sein, dann erreicht man auch mehr Leute.
Und mit eurem Festival werdet ihr das alles ändern?
Natürlich nicht! Schön wärs, aber das kann man nicht erwarten. Das Ganze ist ein Experiment und erster Anlauf, und wir werden nach dem Festival mal schauen, ob wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden konnten. Aber wir wollen das Festival nächstes Jahr nochmal machen. Uns haben jedenfalls schon viele Leute gesagt, dass sie auf so etwas gewartet haben. Und es gibt viele Bands, die Lust hatten, zu spielen, aber jetzt halt nicht konnten. Eisenpimmel haben für 2020 schon zugesagt!
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