Alessandro Moreschi - "Ave Maria"
Dieser Aufnahme von "Ave Maria" wohnt, auch ohne die Hintergründe von Alessandro Moreschi zu kennen, eine gespenstische Aura inne. Da blickt uns das unscharfe Abbild eines längst verstorbenen Mannes entgegnen, der scheinbar buchstäblich aus dem Grabe zu uns singt, was das Knistern und Rauschen der antiken Audiospur nur noch weiter akzentuiert. Seine Stimme klingt fast schon unnatürlich hoch, oftmals näher an einem jaulenden Weinen als an klassischem Operngesang.
Der erwähnte biografische Hintergrund macht aus diesem Relikt allerdings ein verstörendes Zeitzeugnis. Alessandro Moreschi ist einer der letzten dokumentierten Kastratensänger. Kastrato ist eine in der Spätantike etablierte, künstlich erzeugte Stimmlage, für die Männer in jungen Jahren kastriert wurden, damit sie ihre Sopranstimme nicht verlieren. Die Praxis wurde 1868 verboten, zwei Jahre nachdem aller Wahrscheinlichkeit zufolge Moreschis Kastration erfolgte. Mit dieser Information im Hinterkopf, bekommt seine ohnehin unheimliche Darbietung von "Ave Maria" einen tieftraurigen doppelten Boden. Ein verzweifelter Hilferuf aus dem Jenseits, der für immer ungehört bleiben wird.
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