Happiness Festival: Sonne, Starkregen, Songs für Liam
vom 16. Juli 2023
Die Sonne knallt gnadenlos. Ganz Deutschland verbarrikadiert sich hinter geschlossenen Fensterläden und mit Kühlpads im Keller. Ganz Deutschland? Nein, ein von unbeugsamen Feierwütigen bevölkertes Festival im Süden hört nicht auf, den hohen Temperaturen zu trotzen: Es ist Zeit für Happiness!
Serotonin wird immer noch völlig falsch dargestellt - bedauerlicherweise sogar von Psychatern. Es ist schon fraglich, wofür es überhaupt zuständig ist (oder ob SSRIs eine plausible Wirkung haben), aber die Darstellung als "Glücksstoff" ist völlig banane. Logo, von den zehntausenden an Hormonen, Neurotransmittern usw., die sich in einem menschlichen Hirn herumtreiben, ist genau EINES dafür da, grundsätzlich ne happy Stimmung zu haben.
Komplett unwichtig für den Artikel, logo. Trotzdem quasi jedes mal ärgerlich, was für Quatsch propagiert wird mit diesem Wort.
Wofür es überhaupt zuständig ist: Es bewirkt u.a. in der Lunge und in den Nieren eine Vasokonstriktion, in der Skelettmuskulatur eine Vasodilatation, im Herz-Kreislauf-System Änderungen des Blutdrucks, eine Steigerung der Darmperistaltik, Fibrosen, Thrombosen und trägt zur Wundheilung bei. Im ZNS ist es an Schmerzempfindung, Gedächtnisleistung, Schlafsteuerung, Essverhalten,Sexualverhalten und Thermoregulation beteiligt. Bitte, gern geschehen!
Genau, u.A... Es ist also vermessen etwas so Komplexes wie "gute Stimmung" einfach auf einen Neurotransmitter zu schieben. Ob, und auf welche Art und Weise es überhaupt etwas mit Depressionen oder schlechter Stimmung zu tun hat, ist noch immer sehr fraglich. Da gibt es widersprechende Meta-Studien.
Daß Serotonin trotz - vor allem damals - fraglicher Evidenzlage und Wirksamkeit nach Jahrzehnten heute Synonym dafür ist, ist vor allem ein PR-Erfolg von Pharmaunternehmen. Ich scheue solche Aussagen sonst, allerdings ist die Geschichte genau diese Kampagne ziemlich gut nachvollziehbar.
Wie auch immer - Hirne sind komplex. Gerade deshalb sollte man sich zu diesem Zeitpunkt vor solchen Mythen und einem Neuroreduktionismus menschlicher Erfahrung hüten.
Sag mal, Rager, bist Du am Ende etwa auch vom Fach?
Deine Pharmakritik und die klare Haltung gegen den Reduktionismus sind Balsam für meine Seele und Wasser auf meine Mühlen.
Gleichzeitig kommt mir sofort die Frage: Hast Du (auch) klinische Erfahrung? Ich habe wirklich schon oft Fälle erlebt, bei denen es mit dem SSRI oder auch SNRI dann wirklich besser wurde. Natürlich in aller Regel nicht als Monotherapie, sondern eingebettet in ein meist interdisziplinäres Gesamtregime. Was würdest Du dazu sagen? Nur (optimierter) Placeboeffekt?
@Duri: Ich hatte eine Therapieausbildung gemacht, und bin seitdem zumindest ungefähr im Speckgürtel des Fachgebiets. Capslock scheint sich in Sachen Psychatrie viel, viel besser auszukennen.
Nach allem, was ich weiß, bin ich kein pauschaler Gegner von Präparaten. Es gibt Fälle und Leiden, in denen sie sehr sinnvoll sind. Jemanden mit akkuten schizophrenen Schüben kann man z.B. therapeutisch kaum oder gar nicht erreichen. Ich bin nur der Überzeugung, daß sie obszön viel verschrieben werden - und obszön macht es für mich die vergleichsweise sehr dünne, sehr selektive Datenlage, die wie über viele Präparate haben. Die meisten davon wurden vor vielen Jahrzehnten einmal für jene akkut schweren Fälle entwickelt, als absolute Ausnahme und mit vielen Bedenken. Grundsätzliche Neuentwicklungen von Präparaten gab es seitdem fast gar nicht mehr, und weitgehend wurde die Forschung an ihnen eingestellt. Trotzdem wurde der Markt immer aggressiver mit ihnen beworben - vor allem in den USA gilt es fast schon als normal, täglich mehrere Präparate einzunehmen.
Kurz: Sie werden heute quasi als Standard bei allen erdenklichen Leiden verschrieben, und in den wenigsten Fällen ist das sinnvoll oder notwendig, und fast IMMER gibt es schwerste Nebenwirkungen, die eine bewährte Gesprächstherapie erschweren können. Ich empfehle allen, sich das gut recherchierte Video von MaiLab zum Thema reinzuziehen. Zusammengefasst sagt sie zu dazu: Wir haben bei SSRIs extrem widersprechende Metastudien, und sie haben es sehr schwer im Double-Blind-Vergleich. Was sie sagt, und meine alten Kollegen immer wieder sagen, ist jedenfalls: Hauptsache, man macht überhaupt irgendetwas - alleine der Schritt dazu löst schon viel Heilsames aus. Ob es nun empirisch wirkt oder nicht, ist eher zweitrangig. Es sollte nur kein unnötiger Schaden angerichtet werden (!)
Ich danke dir ganz herzlich für die ausführliche Antwort und kann erneut bei vielem mitgehen, hätte aber hier und da auch (zumindest spontan) nochmal Bock auf weitergehende Diskussion.
Vielleicht, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin
Ansonsten erstmal ganz bemerkenswert, dass die Headline nun tatsächlich geändert wurde - Chapeau, laut.de!
Spezifiziere: "ungefähr im Speckgürtel des Fachgebiets"
Bis dahin stelle ich mal die steile These auf, dass weder Leute vom Fach noch Laien dich bei Nennung deines Berufstitels als "vom Fach" bezeichnen würden. Was das für deine Beiträge hier bedeutet musst du selber erkennen, was das für dein Ego bedeutet, das trieft momentan noch aus dem Rumgedruckse im ersten Absatz deines letzten Beitrags.
Mein Tipp: Ergotherapeut, der während der Ausbildung einen Pflichtpraxisteil in der allgemeinen Psychiatrie absolviert hat. Keine Wertung, wenn es so ist. Wobei Musiktherapie wohl nach deinem angefangenen Musikwissenschafsstudium das Logischere (aber auch noch weiter "vom Fach" Entfernte) gewesen wäre...
Gestalttherapie. Ist zwar aufm amerikanischen Kontinent die Gesprächstherapieform Nummer 1, und auch im europäischen Umland ziemlich beliebt, aber im Land des Erfinders kennts kaum eine Sau. Hat nix mit Basteln zu tun, sondern ist, wie gesagt, eine klassische Gesprächstherapie, die sich wesentlich von Psychoanalyse und Verhaltenstherapie unterscheidet.
"Im Speckgürtel" bedeutet, ich behme regelmäßig an Treffen teil, die innerhalb der Psychologie interdisziplinär besetzt sind. Mein Ausbilder hat jahrzehntelang als Klinikarzt gearbeitet, daher habe ich flüchtige Kenntnisse. Darüber hinaus lese ich gelegentlich Bücher zur Neurologie. Vielleicht lieste mal, wie sehr ich es extra betone, daß ich mich hier nicht drauf spezialisiert habe, und wenig Fachkenntnis habe, wenn Du immer noch der Meinung bist, hier sei ein riesiges Ego am Werk.
Wieder was gelernt, danke. Hab vorher noch nie was von Gestalttherapie gehört, Wiki dazu liest sich intrisant. Btw habe ich das Gefühl, dass mir persönlich SSRIs gut helfen. Ausschläge nach unten auf der Gefühlsskala sind nicht mehr so krass, einzige Nebenwirkung, die ich so wirklich merke, ist, dass ich öfter mal weniger Bock auf Sex habe, als vor der Therapie. Damit komme ich aber sehr gut klar.
Kollege Pseudo, warum gleich so scharf geschossen? Und was ist deine Haltung als TPler zur angestoßenen SSRI-Debatte?
Gestalttherapie grundsätzlich spannend, meiner Meinung nach, auch wenn ich nur sehr rudimentär darüber was gelernt habe an der Uni. Wie lang dauert die Ausbildung, bzw. was umfasst sie grob stundenmäßig, wenn ich mal fragen darf, Rage?
@me2: Dein Erfahrungsbericht entspricht damit genau meinen o. g. klinischen Erfahrungen, eben aus der Perspektive "gegenüber". Finde ich sehr stark und super wichtig, dass Du das hier so mitteilst!
(natürlich nicht allumfassend meinen sämtlichen klinischen Erfahrungen, falls ich das noch spezifizieren muss, um richtig verstanden zu werden; es geht um einzelne Fälle und natürlich kenne ich andere einzelne Fälle, die keine oder keine hinreichend gute Response gezeigt haben)
Ganz viel Solidarität, Tooli! Wenns klappt, klappts, und da ist es auch vollkommen egal, warum eigentlich. Hoffe, der andere Teil der Therapie hilft ebenso!
@Duri: Die Ausbildung in Deutschland ist eher als Weiterbildung verbucht, weil wir eines der wenigen Länder sind, in denen diese Therapieform nicht studierbar ist, und entsprechend keine Zulassungen machbar sind. Hatte entsprechend ein Semester intensiv im Ausland studiert. Jedenfalls sind die Voraussetzungen von Institut zu Institut sehr unterschiedlich. Bei mir warens damals 1,500 Stunden.
Ich vermute, Krankenkassen sind der Hauptgrund dafür. Sie taten sich ja schon lange sehr schwer damit, Verhaltenstherapie bürokratisch erfassbar zu machen. Da braucht eine eher anarchistische, weniger "pathologisierende" Art der Therapie vermutlich viel länger.
Naja, wenn man dem deutschen System vertraut, dann geht es nicht so sehr um die bürokratische Erfassbarkeit einer Therapieform, sondern darum, ob sie hinreichend evidenzbasiert ist. Das scheinen entsprechende Gremien in diesem Land für den Gestalt-Ansatz (noch) nicht so zu sehen. Wobei ich (noch aus dem Seminar dazu im Rahmen meiner Ausbildung) meine, dass zumindest der EFT-Ansatz von vor allem Greenberg durchaus systematisch beforscht wurde und dass auch Wirksamkeit gefunden wurde. Oder würde man das gar nicht der Gestalt-Schule zuordnen?
Bin ein bisschen wuschig jetzt... Immer zum Jahresende, ja? Da muss ich mich aber mühen, hier wirklich auch aktiv genug zu bleiben, um wenigstens aktives Wahlrecht beanspruchen zu können
Ich bitte darum, ich hab bereits paar Gromky-Wetten am laufen, wann und in welche Richtung sich deine Antwortmuster verändern, sobald du erstmals Zeuge diverser klassischer, wiederkehrender Ragismen wurdest.
Davon unabhängig auch hier nochmal der Hinweis, dass Ragebaiting nach einem kürzlich erlassenen Altvorderenbeschluss nur noch denjenigen (angestammten) muppets gestattet ist, die die Rage bereits ausdrücklich im Nutzernamen tragen. Das schliept Fakes aller Abstufungen aus. Initiativbewerbungen, wie aktuell wieder gehäuft in anderen Freds beobachtbar, sind entsprechend zwecklos, die Planstellen sind auf unbefristete Zeit besetzt.
Derartige Beiträge finden darüber hinaus keine Berücksichtigung in den Einzelkategorien der diesjährigen laut.de-Awards, wie bspw. "Fake Troll des Jahres".
Ich bin nur Pseudologe, mein Lieber. Jemand, der sich über die längste Zeit überwiegend erfolgreich als etwas oder jemand auszugeben versteht, der oder das er nicht ist. Sollte dir im Psychostudium begegnet sein, der Begriff. Hab ich zumindest mal in nem interdisziplinärem Stuhlkreis gehört.
Für alles andere außer dem schabernäckischen Tagesgeschäft ist mir meine (freie) Zeit (momentan) aber eindeutig zu lieb.
Work-Life-Balance, richtig gut! Das finde ich ja geradezu phantastica
Hast Du einen (halben) Sitz wohl?
Bei mir warn die Medis halt paar Jahre schon Teil des Tagesgeschäfts, weil die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen zwar regelhaft aufgeklärt (oft per Zettel lesen und unterschreiben lassen), aber nicht so richtig Edukation betrieben haben.
No hate in diesem Kontext, die hatten und haben halt auch oft einfach die Zeit nicht. Nur war es so für mich schon wichtig, zumindest paar Grundlagen zu den gängigsten Präparaten zu kennen.
Ach Mensch, ich wollte hier eigentlich schreiben, dass ich seit einigen Jahren nur noch als Freelancer im Großraum München arbeite, nachdem mich meine indisch-englische Ehefrau sowie unser Kind in UK gebannhammert bzw. gecancelt hat, und dass mein letzter Auftrag die Projektleitung für die Spielentwicklung bei einem großen Online-Casino mit maltesischer Lizenz war. Es ging hauptsächlich darum, dass Flow-Erlebnis der einzelnen Spielsysteme zu optimieren, um das Suchtpotential der Spieler*innen optimal auszuschlachten... aber Duri ist so ein gottverdammter Fach-Charmebolzen...
Sagen wir mal so: Während des Studiums und der Kliniktätigkeit hatte ich lange den Anspruch, die meisten der mich umgebenden Ärzt*innen fachlich nicht nur das Wasser reichen, sondern sie regelmäßig bitten zu können, mir ma eben schnell ein Glas voll zu holen. Vermutlich bedingt durch ein paar junge Ärzte in Fachausbildung, die mich früh im Studium während eines freiwilligen Wahlpraktikums aufgezogen haben, warum ich meinen Plan nicht von medizinischer Seite her aufziehe "wie ein echter Kerl" und mich stattdessen selber "ein Leben lang zum Psycho-Schoßhündchen der Ärzte degradiere, was sich im klinischen Umfeld wie ein Medikament an- oder absetzen" ließe. Passend dazu hatte die Klinik einen Chefarzt, der während der Vorbesprechung zur Visite bei den Neuzugängen immer meine Mentorin fragte: "Und? Spricht er/sie?", gleich nachdem er die Ergotherapeutin gefragt hatte: "Und? Malt oder bastelt er/sie was?"
...wenn ich heute so eure theoretischen Austauschthreads oder einfach nur den nächsten Credible Hulk-Beitrag von CAPSi oder Gleepi lese frage ich mich schon des Öfteren: "Junge, stumpfst du hart ab in der Niederlassung, oder was?!" - was ja durchaus nicht unwahrscheinlich ist, wenn du dir deine Leute sowie das wöchentliche Kontingent selber aussuchen kannst und vielleicht noch 2 mal im Jahr auf ner Pseudo-Fortbildung zur Kontaktpflege in irgendwelchen Gartenanlagen von Parkhotels gammelst. Hinzu kommt ja nun mal zweifellos, dass in der ambulanten PT oft ganz anderes Klientel auftaucht (u.v.a. dabei bleibt) als bspw. in der allgemeinen Psychiatrie. Medis haben viele von ihnen begleitend und ich bin auch immer noch großer Fan der Kombitherapie (bzw. halte sie zur Behandlung diverser Störungsbilder selbstredend für (temporär) völlig unabdingbar), auch wenn die Vernetzung zwischen Psychiatrieambulanz und ambulanten PTn dafür zumeist noch immer viel zu dürftig ausfällt (was auch an mir liegt, da ich oft zu bequem bin für die Extrameile, respektive den fallspezifischen kollegialen Austausch, und das eher mit den Leuten selbst thematisch angehe wenn ich das Gefühl bekomme, da könnte was rein/raus bzw. mehr/weniger, und sie das dann selbst in die psychiatrischen Ambulanzen tragen, wenn sie das auch so empfinden.
Ich möchte an der Stelle auch nochmal los werden, dass ich nicht grundsätzlich und prinzipiell was gegen Ragi ab. Ich merke selbst, dass er sich im Rahmen seiner Weiterbildung mächtig reingekniet hat ins Fach und definitiv über das in einer GT-Ausbildung verlangte Maß reingelesen / diskutiert hat. Als Musiker genießt er eh meinen uneingeschränkten Respekt, geschmackliche Überschneidungen sind nach wie vor reichhaltig. Und dann gibt's da halt diese anderen Nuancen seines hiesigen muppets, die ich jetzt eigentlich gar nicht explizit umreißen will, um dir Gelegenheit zu geben, dir ein eigenes Bild von ihm zu machen...
[SPOILER] ...aber die lassen mich schon ab und zu kopfschüttelnd, in die Tischkante beißend, doch mit dem immerhin ruhigen Sicherheitsgefühl im Bauch zurück, dass es zumindest mal momentan noch nicht so ist, dass sich jeder eloquente und zeitweise unverhältnismäßig übermäßig von der Richtigkeit seiner subjektiven Meinung überzeugte Philo-Student nach dem Abschluss denken kann: "Ja, geilo, mach ich jetzt halt ma 10 Monate GT-Fortbildung in Vollzeit und atz mich danach bequem approbiert ins gesetzliche Kassensystem".
Der spekulative Teil, der mich und meinen therapeutischen Weg betrifft, ist natürlich banane, und wird ignoriert.
Aber logo - in einer psychatrischen Klinik ist idR. kaum eine tiefgreifende Therapie möglich. Alle Abneigungen, die ich gegen diese Einrichtungen habe, habe ich seltenst gegenüber dem Personal, denn das hat kaum Möglichkeiten, anders zu handeln. Hier geht es meist um schnellstmögliche Linderung sehr akuter Beschwerden, in Kurkliniken ggf. mal um etwas dezent Mittelfristigeres. Das hat seine Wichtigkeit und seinen Platz.
Und es ist etwas sehr Anderes als eine nachhaltigere und grundsätzlichere Therapie wie sie eben die klassischen Gesprächstherapeuten verfolgen. Auch wenn ich meine Probleme mit VT und Analyse habe, so versuchen die besseren Therapeuten unter ihnen immerhin, einem Leidenden zu Kontakt zu sich selbst zu verhelfen.
Entsprechend bin ich entsetzt darüber, wie die BRD beschließt, mit Menschen mit psychischem Leiden umzugehen. Ich war jahrelang täglich zu Gast in einer Klinik, und hatte seltenst das Gefühl, daß dort Menschen langfristig geholfen wird. Vorgaben der Krankenkasse scheinen zu reichen. Hauptsache, es gibt eine geringere Gefahr der Fremd- und Selbstverletzung. Hauptsache, man hat schnell eine Diagnose und einen (im Bestfall dezent von den Standards abgewandelten) Medikamentenplan. Laut Personal waren 90% der Patienten schon seit 10 Jahren immer wieder da. Grundsätzliche Gespräche, grundsätzliche Pläne, wie mit ihnen zu verfahren ist, hatten sie nie bekommen. Offenbar hatte auch kein Therapeut ernsthaft die Augen aufgemacht, was mit ihnen überhaupt Sache ist. Ja, logo, kann eine Ausnahme sein (auch wenn ich in Varianten von anderen Orten ähnliches mitbekam). Aber daß diese Ausnahme überhaupt möglich ist, reicht schon für meinen gerechten Zorn. Noch mal: Ich will pauschal keinen Angestellten etwas Böses, und auh Medikamente haben ihren Platz. Aber es wäre für mich absolut krank anzunehmen, das sei halt normal und in Ordnung so wie wir beschlossen haben, mit einigen der Schwächsten der Gesellschaft umzugehen.
Ach ja: Wenn hier tatsächlich "Altvordere" Beschlüsse getroffen haben, freut mich das sehr. Mit gelegentlich unnötig giftigen Aussetzern von Caps oder Dir, stelle ich jedenfalls fest, daß das Gesprächsklima viel besser geworden ist, und Rudelbildungen oder neurotische Drängereien zum Widerspruch nachgelassen haben. Win-win für beide, mehr Raum für Austausch
Was wir hier für ein Spektrum abdecken und sogar mehr oder weniger friedlichen Austausch an den Tag legen! Auch wenn die BRD-GmbH natürlich mittelfristig eh alles unter "meinem" und dem "einzig wirksamen" Verfahren zusammenfassen wird
Ansonsten wieder mal way too many lohnende Anknüpfungspunkte, um hässlich auf dem Smartphone zu antworten, während ich auf die Fähre warte.
Nur so viel: Ich habe sowohl in der Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten als auch im Hinblick auf die Frage, ob / wie in der Akutpsychiatrie langfristig sinnvolle Therapiepläne erstellt und zumindest begonnen werden offenbar deutlich bessere (Teil-) Erfahrungen gemacht, als ihr. Es geht also! Aber sicher und leider nicht überall und immer, klar.
Die Sonne knallt gnadenlos. Ganz Deutschland verbarrikadiert sich hinter geschlossenen Fensterläden und mit Kühlpads im Keller. Ganz Deutschland? Nein, ein von unbeugsamen Feierwütigen bevölkertes Festival im Süden hört nicht auf, den hohen Temperaturen zu trotzen: Es ist Zeit für Happiness!
"Best …
Serotonin wird immer noch völlig falsch dargestellt - bedauerlicherweise sogar von Psychatern. Es ist schon fraglich, wofür es überhaupt zuständig ist (oder ob SSRIs eine plausible Wirkung haben), aber die Darstellung als "Glücksstoff" ist völlig banane. Logo, von den zehntausenden an Hormonen, Neurotransmittern usw., die sich in einem menschlichen Hirn herumtreiben, ist genau EINES dafür da, grundsätzlich ne happy Stimmung zu haben.
Komplett unwichtig für den Artikel, logo. Trotzdem quasi jedes mal ärgerlich, was für Quatsch propagiert wird mit diesem Wort.
Wofür es überhaupt zuständig ist:
Es bewirkt u.a. in der Lunge und in den Nieren eine Vasokonstriktion, in der Skelettmuskulatur eine Vasodilatation, im Herz-Kreislauf-System Änderungen des Blutdrucks, eine Steigerung der Darmperistaltik, Fibrosen, Thrombosen und trägt zur Wundheilung bei. Im ZNS ist es an Schmerzempfindung, Gedächtnisleistung, Schlafsteuerung, Essverhalten,Sexualverhalten und Thermoregulation beteiligt. Bitte, gern geschehen!
Genau, u.A... Es ist also vermessen etwas so Komplexes wie "gute Stimmung" einfach auf einen Neurotransmitter zu schieben. Ob, und auf welche Art und Weise es überhaupt etwas mit Depressionen oder schlechter Stimmung zu tun hat, ist noch immer sehr fraglich. Da gibt es widersprechende Meta-Studien.
Daß Serotonin trotz - vor allem damals - fraglicher Evidenzlage und Wirksamkeit nach Jahrzehnten heute Synonym dafür ist, ist vor allem ein PR-Erfolg von Pharmaunternehmen. Ich scheue solche Aussagen sonst, allerdings ist die Geschichte genau diese Kampagne ziemlich gut nachvollziehbar.
Wie auch immer - Hirne sind komplex. Gerade deshalb sollte man sich zu diesem Zeitpunkt vor solchen Mythen und einem Neuroreduktionismus menschlicher Erfahrung hüten.
Rechtfertigung um weiter im Kellerloch abzuhängen... häh?111111111111111
...ich z.b. hab heute mein Auto gewaschen und gepfegt ... und ja, es is ein Opel!
https://www.youtube.com/watch?v=aP-TYdMlJbU
Schon beeindruckend, welches knowledge sich hinter einigen Usern verbirgt. Vermutlich ist ElMassivo in Wirklichkeit ein Akademiker!
Sag mal, Rager, bist Du am Ende etwa auch vom Fach?
Deine Pharmakritik und die klare Haltung gegen den Reduktionismus sind Balsam für meine Seele und Wasser auf meine Mühlen.
Gleichzeitig kommt mir sofort die Frage: Hast Du (auch) klinische Erfahrung?
Ich habe wirklich schon oft Fälle erlebt, bei denen es mit dem SSRI oder auch SNRI dann wirklich besser wurde.
Natürlich in aller Regel nicht als Monotherapie, sondern eingebettet in ein meist interdisziplinäres Gesamtregime.
Was würdest Du dazu sagen? Nur (optimierter) Placeboeffekt?
@Oli:
Massivo hat auf jeden Fall studiert. Ich tippe auf einen IMM-Studiengang.
@Duri: Ich hatte eine Therapieausbildung gemacht, und bin seitdem zumindest ungefähr im Speckgürtel des Fachgebiets. Capslock scheint sich in Sachen Psychatrie viel, viel besser auszukennen.
Nach allem, was ich weiß, bin ich kein pauschaler Gegner von Präparaten. Es gibt Fälle und Leiden, in denen sie sehr sinnvoll sind. Jemanden mit akkuten schizophrenen Schüben kann man z.B. therapeutisch kaum oder gar nicht erreichen. Ich bin nur der Überzeugung, daß sie obszön viel verschrieben werden - und obszön macht es für mich die vergleichsweise sehr dünne, sehr selektive Datenlage, die wie über viele Präparate haben. Die meisten davon wurden vor vielen Jahrzehnten einmal für jene akkut schweren Fälle entwickelt, als absolute Ausnahme und mit vielen Bedenken. Grundsätzliche Neuentwicklungen von Präparaten gab es seitdem fast gar nicht mehr, und weitgehend wurde die Forschung an ihnen eingestellt. Trotzdem wurde der Markt immer aggressiver mit ihnen beworben - vor allem in den USA gilt es fast schon als normal, täglich mehrere Präparate einzunehmen.
Kurz: Sie werden heute quasi als Standard bei allen erdenklichen Leiden verschrieben, und in den wenigsten Fällen ist das sinnvoll oder notwendig, und fast IMMER gibt es schwerste Nebenwirkungen, die eine bewährte Gesprächstherapie erschweren können. Ich empfehle allen, sich das gut recherchierte Video von MaiLab zum Thema reinzuziehen. Zusammengefasst sagt sie zu dazu: Wir haben bei SSRIs extrem widersprechende Metastudien, und sie haben es sehr schwer im Double-Blind-Vergleich. Was sie sagt, und meine alten Kollegen immer wieder sagen, ist jedenfalls: Hauptsache, man macht überhaupt irgendetwas - alleine der Schritt dazu löst schon viel Heilsames aus. Ob es nun empirisch wirkt oder nicht, ist eher zweitrangig. Es sollte nur kein unnötiger Schaden angerichtet werden (!)
Ich danke dir ganz herzlich für die ausführliche Antwort und kann erneut bei vielem mitgehen, hätte aber hier und da auch (zumindest spontan) nochmal Bock auf weitergehende Diskussion.
Vielleicht, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin
Ansonsten erstmal ganz bemerkenswert, dass die Headline nun tatsächlich geändert wurde - Chapeau, laut.de!
Spezifiziere: "Therapeutenausbildung"
Spezifiziere: "ungefähr im Speckgürtel des Fachgebiets"
Bis dahin stelle ich mal die steile These auf, dass weder Leute vom Fach noch Laien dich bei Nennung deines Berufstitels als "vom Fach" bezeichnen würden. Was das für deine Beiträge hier bedeutet musst du selber erkennen, was das für dein Ego bedeutet, das trieft momentan noch aus dem Rumgedruckse im ersten Absatz deines letzten Beitrags.
Mein Tipp: Ergotherapeut, der während der Ausbildung einen Pflichtpraxisteil in der allgemeinen Psychiatrie absolviert hat. Keine Wertung, wenn es so ist. Wobei Musiktherapie wohl nach deinem angefangenen Musikwissenschafsstudium das Logischere (aber auch noch weiter "vom Fach" Entfernte) gewesen wäre...
Gestalttherapie. Ist zwar aufm amerikanischen Kontinent die Gesprächstherapieform Nummer 1, und auch im europäischen Umland ziemlich beliebt, aber im Land des Erfinders kennts kaum eine Sau. Hat nix mit Basteln zu tun, sondern ist, wie gesagt, eine klassische Gesprächstherapie, die sich wesentlich von Psychoanalyse und Verhaltenstherapie unterscheidet.
"Im Speckgürtel" bedeutet, ich behme regelmäßig an Treffen teil, die innerhalb der Psychologie interdisziplinär besetzt sind. Mein Ausbilder hat jahrzehntelang als Klinikarzt gearbeitet, daher habe ich flüchtige Kenntnisse. Darüber hinaus lese ich gelegentlich Bücher zur Neurologie. Vielleicht lieste mal, wie sehr ich es extra betone, daß ich mich hier nicht drauf spezialisiert habe, und wenig Fachkenntnis habe, wenn Du immer noch der Meinung bist, hier sei ein riesiges Ego am Werk.
Wieder was gelernt, danke. Hab vorher noch nie was von Gestalttherapie gehört, Wiki dazu liest sich intrisant.
Btw habe ich das Gefühl, dass mir persönlich SSRIs gut helfen. Ausschläge nach unten auf der Gefühlsskala sind nicht mehr so krass, einzige Nebenwirkung, die ich so wirklich merke, ist, dass ich öfter mal weniger Bock auf Sex habe, als vor der Therapie. Damit komme ich aber sehr gut klar.
Kollege Pseudo, warum gleich so scharf geschossen?
Und was ist deine Haltung als TPler zur angestoßenen SSRI-Debatte?
Gestalttherapie grundsätzlich spannend, meiner Meinung nach, auch wenn ich nur sehr rudimentär darüber was gelernt habe an der Uni.
Wie lang dauert die Ausbildung, bzw. was umfasst sie grob stundenmäßig, wenn ich mal fragen darf, Rage?
@me2:
Dein Erfahrungsbericht entspricht damit genau meinen o. g. klinischen Erfahrungen, eben aus der Perspektive "gegenüber". Finde ich sehr stark und super wichtig, dass Du das hier so mitteilst!
(natürlich nicht allumfassend meinen sämtlichen klinischen Erfahrungen, falls ich das noch spezifizieren muss, um richtig verstanden zu werden; es geht um einzelne Fälle und natürlich kenne ich andere einzelne Fälle, die keine oder keine hinreichend gute Response gezeigt haben)
Ganz viel Solidarität, Tooli! Wenns klappt, klappts, und da ist es auch vollkommen egal, warum eigentlich. Hoffe, der andere Teil der Therapie hilft ebenso!
@Duri: Die Ausbildung in Deutschland ist eher als Weiterbildung verbucht, weil wir eines der wenigen Länder sind, in denen diese Therapieform nicht studierbar ist, und entsprechend keine Zulassungen machbar sind. Hatte entsprechend ein Semester intensiv im Ausland studiert. Jedenfalls sind die Voraussetzungen von Institut zu Institut sehr unterschiedlich. Bei mir warens damals 1,500 Stunden.
Ich vermute, Krankenkassen sind der Hauptgrund dafür. Sie taten sich ja schon lange sehr schwer damit, Verhaltenstherapie bürokratisch erfassbar zu machen. Da braucht eine eher anarchistische, weniger "pathologisierende" Art der Therapie vermutlich viel länger.
Naja, wenn man dem deutschen System vertraut, dann geht es nicht so sehr um die bürokratische Erfassbarkeit einer Therapieform, sondern darum, ob sie hinreichend evidenzbasiert ist. Das scheinen entsprechende Gremien in diesem Land für den Gestalt-Ansatz (noch) nicht so zu sehen. Wobei ich (noch aus dem Seminar dazu im Rahmen meiner Ausbildung) meine, dass zumindest der EFT-Ansatz von vor allem Greenberg durchaus systematisch beforscht wurde und dass auch Wirksamkeit gefunden wurde. Oder würde man das gar nicht der Gestalt-Schule zuordnen?
Danke Ragi und Duri!
Nominiere an der Stelle btw Duri für den Neunutzer des Jahres 2023, ma vormerken.
Es gibt diesen "Award" tatsächlich?
J@@, hab nur gerade den korrekten Titel nicht parat Evtl war es auch der "Angenehmste Neuzugang" oder so, Gleepi ist da der Gralshüter.
... der könnte btw auch mal wieder von sich lese lassen
@Duri: hier sind die Ergebnisse der letzten Ausgabe:
https://www.laut.de/News/Lesercharts-Eure-…
Was für ein geiler Riesenaufwand ist DAS denn eigentlich??
Und wo zur Hölle wird wie abgestimmt?
Viel zu gut ey...
Feurigste Romanze:
Yannik Gölz ♥ Kernschrottmucke
Immer noch sehr groß und sehr witzig, imho
Nun, der Abstimmungsprozess ist da ja auch zu sehen, alles ganz normal und gesittet zugegangen:
https://www.laut.de/News/Lesercharts-Eure-…
Es gibt ein FORMULAR!!1eins!elf
Bin ein bisschen wuschig jetzt... Immer zum Jahresende, ja? Da muss ich mich aber mühen, hier wirklich auch aktiv genug zu bleiben, um wenigstens aktives Wahlrecht beanspruchen zu können
Ich bitte darum, ich hab bereits paar Gromky-Wetten am laufen, wann und in welche Richtung sich deine Antwortmuster verändern, sobald du erstmals Zeuge diverser klassischer, wiederkehrender Ragismen wurdest.
Davon unabhängig auch hier nochmal der Hinweis, dass Ragebaiting nach einem kürzlich erlassenen Altvorderenbeschluss nur noch denjenigen (angestammten) muppets gestattet ist, die die Rage bereits ausdrücklich im Nutzernamen tragen. Das schliept Fakes aller Abstufungen aus. Initiativbewerbungen, wie aktuell wieder gehäuft in anderen Freds beobachtbar, sind entsprechend zwecklos, die Planstellen sind auf unbefristete Zeit besetzt.
Derartige Beiträge finden darüber hinaus keine Berücksichtigung in den Einzelkategorien der diesjährigen laut.de-Awards, wie bspw. "Fake Troll des Jahres".
Ich werde schon wieder rot, mein Lieber!
Aber lass Du besser endlich mal lesen jetzt, was Du zu SSRIs so meinst - Interessiert mich wirklich!
Ich bin nur Pseudologe, mein Lieber. Jemand, der sich über die längste Zeit überwiegend erfolgreich als etwas oder jemand auszugeben versteht, der oder das er nicht ist. Sollte dir im Psychostudium begegnet sein, der Begriff. Hab ich zumindest mal in nem interdisziplinärem Stuhlkreis gehört.
Für alles andere außer dem schabernäckischen Tagesgeschäft ist mir meine (freie) Zeit (momentan) aber eindeutig zu lieb.
Work-Life-Balance, richtig gut! Das finde ich ja geradezu phantastica
Hast Du einen (halben) Sitz wohl?
Bei mir warn die Medis halt paar Jahre schon Teil des Tagesgeschäfts, weil die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen zwar regelhaft aufgeklärt (oft per Zettel lesen und unterschreiben lassen), aber nicht so richtig Edukation betrieben haben.
No hate in diesem Kontext, die hatten und haben halt auch oft einfach die Zeit nicht. Nur war es so für mich schon wichtig, zumindest paar Grundlagen zu den gängigsten Präparaten zu kennen.
"https://www.laut.de/News/Lesercharts-Eure-…
In dem Zusammenhang möchte ich monieren, dass ich immer noch auf die Kontaktdaten von Dieter Nuhrs Mutter warte.
Ach Mensch, ich wollte hier eigentlich schreiben, dass ich seit einigen Jahren nur noch als Freelancer im Großraum München arbeite, nachdem mich meine indisch-englische Ehefrau sowie unser Kind in UK gebannhammert bzw. gecancelt hat, und dass mein letzter Auftrag die Projektleitung für die Spielentwicklung bei einem großen Online-Casino mit maltesischer Lizenz war. Es ging hauptsächlich darum, dass Flow-Erlebnis der einzelnen Spielsysteme zu optimieren, um das Suchtpotential der Spieler*innen optimal auszuschlachten... aber Duri ist so ein gottverdammter Fach-Charmebolzen...
Sagen wir mal so: Während des Studiums und der Kliniktätigkeit hatte ich lange den Anspruch, die meisten der mich umgebenden Ärzt*innen fachlich nicht nur das Wasser reichen, sondern sie regelmäßig bitten zu können, mir ma eben schnell ein Glas voll zu holen. Vermutlich bedingt durch ein paar junge Ärzte in Fachausbildung, die mich früh im Studium während eines freiwilligen Wahlpraktikums aufgezogen haben, warum ich meinen Plan nicht von medizinischer Seite her aufziehe "wie ein echter Kerl" und mich stattdessen selber "ein Leben lang zum Psycho-Schoßhündchen der Ärzte degradiere, was sich im klinischen Umfeld wie ein Medikament an- oder absetzen" ließe. Passend dazu hatte die Klinik einen Chefarzt, der während der Vorbesprechung zur Visite bei den Neuzugängen immer meine Mentorin fragte: "Und? Spricht er/sie?", gleich nachdem er die Ergotherapeutin gefragt hatte: "Und? Malt oder bastelt er/sie was?"
...wenn ich heute so eure theoretischen Austauschthreads oder einfach nur den nächsten Credible Hulk-Beitrag von CAPSi oder Gleepi lese frage ich mich schon des Öfteren: "Junge, stumpfst du hart ab in der Niederlassung, oder was?!" - was ja durchaus nicht unwahrscheinlich ist, wenn du dir deine Leute sowie das wöchentliche Kontingent selber aussuchen kannst und vielleicht noch 2 mal im Jahr auf ner Pseudo-Fortbildung zur Kontaktpflege in irgendwelchen Gartenanlagen von Parkhotels gammelst.
Hinzu kommt ja nun mal zweifellos, dass in der ambulanten PT oft ganz anderes Klientel auftaucht (u.v.a. dabei bleibt) als bspw. in der allgemeinen Psychiatrie. Medis haben viele von ihnen begleitend und ich bin auch immer noch großer Fan der Kombitherapie (bzw. halte sie zur Behandlung diverser Störungsbilder selbstredend für (temporär) völlig unabdingbar), auch wenn die Vernetzung zwischen Psychiatrieambulanz und ambulanten PTn dafür zumeist noch immer viel zu dürftig ausfällt (was auch an mir liegt, da ich oft zu bequem bin für die Extrameile, respektive den fallspezifischen kollegialen Austausch, und das eher mit den Leuten selbst thematisch angehe wenn ich das Gefühl bekomme, da könnte was rein/raus bzw. mehr/weniger, und sie das dann selbst in die psychiatrischen Ambulanzen tragen, wenn sie das auch so empfinden.
Ich möchte an der Stelle auch nochmal los werden, dass ich nicht grundsätzlich und prinzipiell was gegen Ragi ab. Ich merke selbst, dass er sich im Rahmen seiner Weiterbildung mächtig reingekniet hat ins Fach und definitiv über das in einer GT-Ausbildung verlangte Maß reingelesen / diskutiert hat. Als Musiker genießt er eh meinen uneingeschränkten Respekt, geschmackliche Überschneidungen sind nach wie vor reichhaltig. Und dann gibt's da halt diese anderen Nuancen seines hiesigen muppets, die ich jetzt eigentlich gar nicht explizit umreißen will, um dir Gelegenheit zu geben, dir ein eigenes Bild von ihm zu machen...
[SPOILER]
...aber die lassen mich schon ab und zu kopfschüttelnd, in die Tischkante beißend, doch mit dem immerhin ruhigen Sicherheitsgefühl im Bauch zurück, dass es zumindest mal momentan noch nicht so ist, dass sich jeder eloquente und zeitweise unverhältnismäßig übermäßig von der Richtigkeit seiner subjektiven Meinung überzeugte Philo-Student nach dem Abschluss denken kann: "Ja, geilo, mach ich jetzt halt ma 10 Monate GT-Fortbildung in Vollzeit und atz mich danach bequem approbiert ins gesetzliche Kassensystem".
Der spekulative Teil, der mich und meinen therapeutischen Weg betrifft, ist natürlich banane, und wird ignoriert.
Aber logo - in einer psychatrischen Klinik ist idR. kaum eine tiefgreifende Therapie möglich. Alle Abneigungen, die ich gegen diese Einrichtungen habe, habe ich seltenst gegenüber dem Personal, denn das hat kaum Möglichkeiten, anders zu handeln. Hier geht es meist um schnellstmögliche Linderung sehr akuter Beschwerden, in Kurkliniken ggf. mal um etwas dezent Mittelfristigeres. Das hat seine Wichtigkeit und seinen Platz.
Und es ist etwas sehr Anderes als eine nachhaltigere und grundsätzlichere Therapie wie sie eben die klassischen Gesprächstherapeuten verfolgen. Auch wenn ich meine Probleme mit VT und Analyse habe, so versuchen die besseren Therapeuten unter ihnen immerhin, einem Leidenden zu Kontakt zu sich selbst zu verhelfen.
Entsprechend bin ich entsetzt darüber, wie die BRD beschließt, mit Menschen mit psychischem Leiden umzugehen. Ich war jahrelang täglich zu Gast in einer Klinik, und hatte seltenst das Gefühl, daß dort Menschen langfristig geholfen wird. Vorgaben der Krankenkasse scheinen zu reichen. Hauptsache, es gibt eine geringere Gefahr der Fremd- und Selbstverletzung. Hauptsache, man hat schnell eine Diagnose und einen (im Bestfall dezent von den Standards abgewandelten) Medikamentenplan. Laut Personal waren 90% der Patienten schon seit 10 Jahren immer wieder da. Grundsätzliche Gespräche, grundsätzliche Pläne, wie mit ihnen zu verfahren ist, hatten sie nie bekommen. Offenbar hatte auch kein Therapeut ernsthaft die Augen aufgemacht, was mit ihnen überhaupt Sache ist.
Ja, logo, kann eine Ausnahme sein (auch wenn ich in Varianten von anderen Orten ähnliches mitbekam). Aber daß diese Ausnahme überhaupt möglich ist, reicht schon für meinen gerechten Zorn.
Noch mal: Ich will pauschal keinen Angestellten etwas Böses, und auh Medikamente haben ihren Platz. Aber es wäre für mich absolut krank anzunehmen, das sei halt normal und in Ordnung so wie wir beschlossen haben, mit einigen der Schwächsten der Gesellschaft umzugehen.
Ach ja: Wenn hier tatsächlich "Altvordere" Beschlüsse getroffen haben, freut mich das sehr. Mit gelegentlich unnötig giftigen Aussetzern von Caps oder Dir, stelle ich jedenfalls fest, daß das Gesprächsklima viel besser geworden ist, und Rudelbildungen oder neurotische Drängereien zum Widerspruch nachgelassen haben. Win-win für beide, mehr Raum für Austausch
Nix VT, TP4life hier, poi.
Eeeeeeyo... Mit TP kann ich definitiv mehr anfangen als mit PA und VT. Props!
Ich küsse eure Augen, Bros!
Was wir hier für ein Spektrum abdecken und sogar mehr oder weniger friedlichen Austausch an den Tag legen!
Auch wenn die BRD-GmbH natürlich mittelfristig eh alles unter "meinem" und dem "einzig wirksamen" Verfahren zusammenfassen wird
Ansonsten wieder mal way too many lohnende Anknüpfungspunkte, um hässlich auf dem Smartphone zu antworten, während ich auf die Fähre warte.
Nur so viel:
Ich habe sowohl in der Zusammenarbeit mit Ärztinnen und Ärzten als auch im Hinblick auf die Frage, ob / wie in der Akutpsychiatrie langfristig sinnvolle Therapiepläne erstellt und zumindest begonnen werden offenbar deutlich bessere (Teil-) Erfahrungen gemacht, als ihr. Es geht also! Aber sicher und leider nicht überall und immer, klar.
"Fach-Charmebolzen" schreibt er... Mein ZNS überhitzt ja bald von den ganzen Serotoninausschüttungen! (scnr )