Die HYBE-Kabale
Aber natürlich ist da etwas im Busch, wenn bei HYBE eine Girlgroup debütiert. Dieses Mal scheint die Kontroverse zwar weniger den Erfolg zu bremsen, trotzdem hat sie die Leute zum Reden gebracht. Um es kurz zu fassen: Managerin Min Hee-Jin wurde ein wiederkehrendes Pattern der Sexualisierung von Minderjährigen vorgeworfen. Die ursprünglich bei SM Entertainment agierende Ästhetik-Vordenkerin war schon mit Shinee, f(x) und Red Velvet betraut, und innnerhalb kurzer Zeit fanden User in jedem dieser Kontexte fragwürdige Konzepte, die nicht unbedingt altersgerecht schienen. Man denke an einen Foto-Shoot zu Shinees "Sherlock" oder Red Velvets "Ice Cream Cake".
All dies heizte sich nun mit dem Release von "Cookie" noch einmal auf. und man kann es nicht leugnen: "Cookie" ist ein sexy Song, der ziemlich unzweideutig suggestiv und verführerisch klingen möchte. "Looking at my cookie / Yeah, the scent alone will make you see / (Taste it) You can't stop at one bite with me." Die zweite Strophe birgt in meinen Augen da die schlimmsten Ausreißer, wobei ich trotzdem einschränken würde, dass die Anschuldigung, dass der Keks eine offensichtliche Anspielung auf die primären weiblichen Geschlechtsteile sei, in meinen Augen nicht so viel Sinn ergibt.
Er schien aber HYBE Entertainment so wichtig zu sein, dass sie Gesprächsprotokolle mit Professoren der englischen Sprache veröffentlichten, die diese Deutung widerlegen sollten, und, ja, ich fand das auch ein bisschen überzogen. Zum einen, weil ich die Parallelen zwischen Vagina und Keks auch mit Fantasie nicht so recht erkenne, zum anderen, weil ich nicht wissen will, wie die Anhänger dieser Theorie dann damit umgehen, dass der Song die Metapher auch um Schokostückchen und Sprenkel erweitert. Ich stimme zu, dass der Song einen zu einem gewissen Grad verführerischen, durchaus auch sexuell gefärbten Vibe aufbaut, aber der Keks kommt mir eher wie eine Einkapselung davon vor, was für eine gute Zeit das lyrische Du mit der Sängerin haben könnte.
Kommen wir von da doch auf die wesentliche Frage: Wo liegt die Grenze mit der Sexualisierung von Idols - insbesondere, wenn manche davon noch minderjährig sind? Ich führe auf jeden Fall zur Verteidigung von "Cookie" an, dass sich gerade das Video erfrischend wenig nach Male Gaze anfühlt. Vergleicht man es mit 2nd-Gen-Gruppen, die wirklich noch (wie Stellar) für die männliche Notgeilheit inszeniert wurden, merkt man die Unterschiede doch deutlich. New Jeans wirken in ihrer Inszenierung eher an junge Mädchen gerichtet. Die Songs und Clips legen klare Akzente auf Stärke durch Freundschaft zwischen ihnen. Sie werden als kompetent und die Kontrolle innehabend dargestellt. Als männlicher Fan in meinen Zwanzigern kamen mir Songs wie diese immer so vor, als ob es einfach an mir sei, das nicht zu sexualisieren.
Das Problem ist hier eben ein grundsätzliches im K-Pop: Wir können nie nachvollziehen, wessen Idee und wessen wirklichen Enthusiasmus wir hier vor uns haben. Haben auch junge Mädchen grundsätzlich ein Recht, über Sehnsucht nach Initmität und Nähe zu singen? Sicherlich. Wird es sehr viel komplizierter, wenn man nicht absichern kann, ob notgeile geifernde Männer dafür nicht nur in Kauf genommen, sondern vielleicht auch aktiv gefördert werden? Mit Sicherheit. Ich verstehe jeden, der sich mit diesem Song nicht per se wohlfühlt. Ich will auch gar nicht behaupten, dass ich die Weisheit zu diesem Thema mit Löffeln gefressen hätte und der Gesellschaft nun erklären werde, wie dieses komplexe Thema geregelt werden solle.
Ich halte "Cookie" aber definitiv zu Gute, dass es in Umsetzung und Inszenierung des Materials nichts tut, das einen ausbeutenden männlichen Konsum aktiv befördert. Gleichzeitig verstehe ich aber ehrlicherweise auch nicht ganz, warum man einer Gruppe Minderjähriger so dringend ein Sexy-Konzept aufschneidern musste.
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