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5 Fragen an Bonjour Tristesse

Wer den Songs eben nicht wirklich was abgewinnen konnte und stattdessen Lust auf anspruchsvollen, atmosphärischen Black Metal mit sozialkritischer Komponente hat, sollte bei Bonjour Tristesse reinhören, dem Soloprojekt von Heretoir-Bassist Nathanael. Am 18. Oktober erschien das vierte Album "The World Without Us".

1. Welches Album hatte den größten Einfluss auf dich als Musiker?

Das ist sehr schwer zu sagen, da mir so viele Alben etwas bedeuten und mich ganz unterschiedliche Bands inspirieren. Bedeutend waren für mich auf jeden Fall "Two Hunters" von Wolves In The Throne Room und "Ashes Against The Grain" von Agalloch. Beide Alben transportieren sehr intensive Emotionen und eine dichte Atmosphäre. Die dabei verhandelten Themen und die immer präsente Naturmystik machen beide für mich hochinteressant. Musikalisch sind sie über jeden Zweifel erhaben, da die Songstrukturen und Spannungsbögen perfekt funktionieren und weil sich einzigartige Gitarrenriffs und packende Melodien durch beide Alben ziehen.

2. Auf welche deine(r) Riffs/Melodien/Lyrics/Patterns bist du am meisten stolz?

Auf die Stücke des aktuellen Albums "The World Without Us" bin ich eigentlich alle sehr stolz. Der Opener "Running On Emptiness" ist für mich einer der gelungensten Bonjour Tristesse-Songs bisher. Er reißt mit, hat viel Energie und einen doppelten Spannungsbogen, der auch Zeit zum Durchatmen lässt, bevor die Melodien wieder zupacken.

Ein ganz besonderer Song ist für mich der Titeltrack der neuen Scheibe. Es handelt sich dabei um ein etwa viertelstündiges Stück, das meines Erachtens vielseitig gestaltet ist und durch den von Charles Bukowski inspirierten Text meine Sicht auf den Status Quo in der 'zivilisierten' Postmoderne gut zum Ausdruck bringt. Verzweiflung und Wut sind hierbei die Stichworte. Insgesamt schwingt eine bittere Melancholie und tiefe Traurigkeit in vielen Passagen mit, was ich sehr schätze.

3. Was sollte sich in der Rock/Metal-Community zum Besseren verändern?

Ich denke, es wäre wichtig, dass sich eine größere Offenheit für verwandte Szenen etabliert. Die Gothic-Szene, Crust Punk und auch metallischer Hardcore können Metal ebenso bereichern wie Post Rock oder Neo Folk. Es bringt nichts, sich von anderen immer nur abgrenzen zu wollen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Solidarität bzw. der Austausch unter den Mitgliedern der Szenen verbessert. Es handelt sich um verschiedene Gruppen von gesellschaftlichen Außenseitern, die in bestimmten Musikstilen etwas finden, dass es im Mainstream nirgends zu finden gibt. Zu oft zerfleischt man sich aber gegenseitig.

Ich muss allerdings auch zugeben, dass es sich um heterogene Strukturen handelt, und es ja auch nicht die eine Rock- oder Metalszene gibt. Es existiert eine Vielzahl verschiedener Szenen, die sich durchaus auch inhaltlich und weltanschaulich voneinander unterscheiden. Dass es da zu Meinungsverschiedenheiten kommt und man sich auch explizit von anderen Gruppen abgrenzen möchte, ist logisch. Am Ende des Tages verbindet aber eine Leidenschaft für eine bestimmte Art von düsterer Musik, und das ist doch etwas sehr Bedeutendes.

Außerdem bin ich der Meinung, dass NSBM zerstört werden muss.

4. Was zeichnete die Arbeit an "The World Without Us" im Vergleich zu früheren Projekten besonders aus?

Beim aktuellen Album handelt es sich um eine Art Fortsetzung des Vorgängers "Against Leviathan!". Im Prinzip sind beide Alben relativ zeitgleich entstanden, mit der Intention, sie als zusammengehörige Werke zu gestalten und zu veröffentlichen. Es finden sich auf dem neuen Album viele Hinweise auf die literarischen Inspirationen, so wurde der Titeltrack von einem Bukowski-Gedicht inspiriert, "Lightbearer" enthält Zitate von Mikhail Bakunins religionskritischem "God And The State" und der Opener trägt den Titel eines primitivistischen Buchs von John Zerzan: "Running On Emptiness". Das letzte Stück des Albums bezieht sich auf die Interpretation eines Gemäldes von Paul Klee, die von Walter Benjamin verfasst wurde und die (selbst-)zerstörerische und illusionäre Fortschrittsgläubigkeit der 'aufgeklärten Menschheit' auf den Punkt bringt.

Die Inspirationen sind also klar. Verhandelt werden Themen wie die Zerstörung der natürlichen Welt durch Industrialisierung und technischen 'Fortschritt'. Zum Vorschein kommt auch die dem Lebensstil der modernen Zivilisationen inhärent innewohnende Leere bzw. deutlich spürbare Sinnlosigkeit und die Isolation der Menschen in einem Zeitalter, dass sich kommunikativer als alle Epochen der Menschheitsgeschichte gibt, aber in Wahrheit ausgrenzender und selbstzerstörerischer ist, als alles bisher Dagewesene.

Zentral ist die Philosophie, dass unberührte Naturräume die eigentliche Heimat menschlicher Gruppen sind und die Ausbreitung von intensivierter Landwirtschaft und Zivilisationen die eigentlichen Motoren der Entfremdung darstellen. Bis auf einige, an die Ränder der Gesellschaften gedrängte, indigene Jäger und Sammler-Gemeinschaften hat der 'moderne' Mensch verdrängt, dass er nur eine Spezies unter vielen anderen ist und kein Recht hat, sich als 'Herrscher der Welt' aufzuspielen. Dieses Themenspektrum ist weder bei Heretoir noch bei Bonjour Tristesse neu, doch denke ich, dass es sich im Laufe der Zeit deutlicher und prägnanter in den Alben und deren philosophischem Background niederschlägt.

5. Welches Buch sollte man unbedingt gelesen haben?

"Walden" von Henry David Thoreau und "Ishmael" von Daniel Quinn. Keine anderen Bücher haben mich so tief geprägt und beeindruckt. Man kann darin viel Wahrheit, Weisheit und erhellende Erkenntnisse über das Verhältnis von Mensch und Natur finden und auch verstehen lernen, warum die heutige Welt ist, wie sie ist. Hochinteressant sind auch "Against Civilization" und "Future Primitive" von John Zerzan bzw. "Coming Home To The Pleistocene" von Paul Shepard. Dabei handelt es sich um zivilisationskritische Schriften, die ebenfalls spannende philosophische Sichtweisen enthalten und neue Perspektiven auf die Welt eröffnen.

Wer es etwas mystischer mag, kann "Against His-story, Against Leviathan" von Fredy Perlman lesen und einiges über die Entstehung von imperialen Großreichen und globalen Handelsnetzen bzw. deren Rückwirkung auf menschliche Gesellschaften erfahren. Ein auf vielen Ebenen spannendes und sehr ungewöhnliches Buch. Man wird auch die Lektüre von Derrick Jensens "Endgame" nicht bereuen, auch wenn ich nicht mit allem einverstanden bin, was der Autor heutzutage erzählt. Ansonsten kann ich natürlich die Klassiker wie "God And The State" von Bakunin oder "Mutual Aid" von Kropotkin empfehlen bzw. alles von Emma Goldman, Hannah Arendt und Voltairine de Cleyre.

Vergesst mir bei all der schweren Kost nicht den Tolkien zu lesen!

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