Seite 15 von 20

Grebo

Was ist das? Das ein bisschen verloren gegangene Stück britischer Pop-Geschichte, das vor Madchester und Britpop in den späten Achtzigern ansetzt. Mit einem unerwarteten Hotspot in Stourbridge, einem kaffigen Vorort von Birmingham, hat sich dort eine Gruppe von Bands durchgesetzt, deren großer gemeinsamer Nenner es war, dass Großbritannien zu der Zeit unter Margarete Thatcher ein ziemliches Höllenloch für arme Leute und die Arbeiterklasse war. Soundmäßig fächert es sich demnach auch recht schnell auf, vor allem dahingehend, dass das ganze Wort Grebo mehr oder weniger nachweislich eine Erfindung der Musikpresse war (verdammt seist du, NME!), aber trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten: Fast alle Gruppen haben Hintergrund oder Faszination für Punk-Spielrichtungen von Anarcho bis Post-Punk, aber gleichzeitig sind sie auch offen für Anflüge von britischem Dance und experimentieren überraschend rege mit Hip Hop und Samplern. Die erste Welle bestand aus den Stourbridge-Bands The Wonder Stuff, Pop Will It Itself und Ned's Atmoic Dustbin, schnell schlossen sich aber auch andere Gruppen an. Laut eigenen Angaben konnte aber keine der Gruppen nachhaltig die "Simply Red-Verkaufszahlen" halten, die Labels sich in der Mitte Neunziger neben Suade oder Oasis wünschten - und die Bewegung versandete in einem Schneesturm aus Kokain.

Wie war das Album? Ein Erlebnis. Die Briten haben ja eh in der Zeit um 1990 sehr komische Genre-Experimente gewagt und das Album "101 Damnations" von Carter The Unstoppable Sex Machine, das gerne für Grebo vorgeschlagen wird, liefert genau das. Es ist absurd, parodistisch, selbstironisch und macht die seltsamste Rap-Version aus den Punk-Überresten in den späten Achtzigern. Es klingt ein bisschen als hätten Bob Dylan und Lydia Lunch eine durchtrunkene Public Enemy-Phase, aber sehr, sehr, sehr viel britischer. Auch bei den Singles von The Wonder Stuff kann ich gut verstehen, wie es für einen kurzen Moment die coolste Sache der Insel war, um dann ein paar Tage später der Obskurität anheim zu fallen. Songs wie "Sheriff Fatman", "The Taking Of Peckham 123" oder "A Perfect Time To Drop The Bomb" machen aber definitiv heute noch Spaß.

Genre-Rating: Gegen den suaven, selbstherrlichen Brit-Pop könnte man das Bloke-Pop nennen. Grebo hat ein paar coole Bands hervorgebracht, die überraschend einschlägig, witzig und politisch sind und mit ihren schrägen Rap-Elementen definitiv ihren Eindruck hinterlassen. Wer mehr Madchester in seinem Leben braucht, kann sich diese etwas nischigere Parallel-Bewegung ansehen und wird Freude haben.

Seite 15 von 20

Weiterlesen

1 Kommentar