Russischer Star Pugatschowa versus Putin
Die russische Schlager-Sängerin Alla Pugatschowa hat aus ihrem Exil in Lettland ein Interview gegeben, in dem sie Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert. Das am 10. September eingestellte Video dauert dreieinhalb Stunden und wurde bereits rund 22 Millionen Mal aufgerufen, obwohl YouTube in Putins Reich nur über VPN empfangbar ist. Darin finden sich laut einem Bericht der taz zwar keine direkten Anschuldigungen gegen die russische Führung. Pugatschowa berichtet aber, wie ihr 2022 ein stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung versichert, sie müsse sich keine Sorgen machen und könne sich weiter frei äußern. Nur zwei Tage später wurde ihr Ehemann, der russisch-israelische Comedian Maxim Galkin, aufgrund seiner öffentlichen Kreml-Kritik als ausländischer Agent gebrandmarkt. Seit September 2022 lebt das Paar im Exil in Israel, Zypern und Lettland.
Die 76-Jährige zählt zu den größten Stars des Landes, die das russische Staatsfernsehen in früheren Zeiten gerne mit Sondersendungen ehrte. Neben ihrer Popularität als Sängerin gilt sie seit Jahrzehnten als gesellschaftliches Phänomen, weil sie sich schon zu Sowjetzeiten eine Individualität leistete, die im damaligen Mainstream einzigartig war. So musste sich etwa der frühere Staatschef Leonid Breschnew neben Pugatschowa als "kleines Licht" verhöhnen lassen.
"Alle wissen, dass ich gegen den Krieg bin", sagt sie nun in dem Video, das sich in erster Linie um ihre Karriere und ihr Leben dreht. Tatsächlich äußerte sich Pugatschowa bereits seit Ausbruch des Kriegs deutlich. Sie warf den Russen "Sklavenmentalität" vor und beklagte, dass russische Soldaten für "illusorische Ziele" stürben, während Russland aufgrund des Kriegs international geächtet werde.
Von Putin und dessen Gefolgsmann Dmitri Medwedew habe sie zu Beginn ihrer Amtszeit viel gehalten, erzählt die Sängerin nun, doch sie erkenne beide längst nicht mehr wieder, das sei ein Schock. Dass der Kreml Pugatschowa bislang nicht öffentlich als Regimegegnerin bezeichnete, liegt Beobachtern zufolge einzig an ihrer ungebrochenen Popularität, vor allem bei Menschen, die in den 70er und 80er Jahren aufgewachsen sind. Mit dieser potenziell regierungstreuen Zielgruppe kann es sich Putin nicht verscherzen, vermutet man in Bloggerkreisen.
Hierzulande machte sich Alla Pugatschowa 1988 einen Namen, als sie mit Udo Lindenberg das Album "Lieder Statt Briefe" aufnahm, das sie gemeinsam auf einer Tournee in der Bundesrepublik und in der Sowjetunion vorstellten. Nach ihren Äußerungen vor zwei Jahren lobte Lindenberg auf Social Media den Mut seiner Freundin und postete den gemeinsamen Song "Wozu sind Kriege da?", das das Duo bereits 1985 beim 12. Weltfestival der Jugend und Studenten in Moskau aufführte. Der Song zählte auch zur Setlist bei Lindenbergs erstem Konzert im Palast der Republik in Ostberlin 1983.
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