laut.de-Kritik
Es gibt Nächte, da möchte man Mädchen sein.
Review von Eberhard DoblerEs gibt Nächte, da möchte man Mädchen sein. Mit strahlenden Gesichtern die Band anhimmeln, sie mit den Augen verschlingen, den Sänger vielleicht sogar berühren - und sich von einer energiereichen Performance überwältigen lassen.
So einen Abend erlebten alle Zuschauer gestern im Zürcher Club Abart - nicht nur die Girls in den ersten Reihen. "Good evening my friends. Bonjour mes amis". Phoenix-Sänger Thomas Mars grüßte so freundlich verheißungsvoll, dass man es gerne glaubt: Phoenix sind gute Gastgeber. Völlig unerklärlich, weshalb die Band hierzulande nicht durch die Decke geht. Charmant und unprätentiös, gutaussehend und stylish gekleidet - und sich ihrer Wirkung als abgeklärtes Kollektiv stets bewusst: Mit dem ersten Spotlight und der folgenden tighten Performance drängt sich der Gedanke förmlich auf, dass der Vierer (plus zwei Tourmusiker), eigentlich zu höheren Pop-Weihen auserkoren ist.
Allein: Dem dritten Album "It's Never Been Like That" geht - die Verkaufszahlen betreffend - wohl die Hitsingle ab. So erklärt sich vielleicht die Verlegung des Gigs vom größeren Xtra Limmathaus ins intime Abart (vor zwei Jahren machten die Franzosen noch das Rohstofflager voll). Dabei hält die Platte eine ganze Reihe vom Publikum offensichtlich geliebte Kandidaten parat: Etwa die Auskopplung "Long Distance Call", Thomas' persönlicher Lieblingstrack "Consolation Prizes", der Opener "Napoleon Says", "Lost And Found" oder auch das live etwas zu forsch und leicht verstimmt angegangene "Rally".
Von einer angenehm professionellen Aura umgeben und gut aufgelegt, ließ sich Thomas Mars von der besonderen Konzert-Atmosphäre des Abarts - Musiker und Publikum rocken sozusagen Schulter an Schulter - inspirieren: Kaum ein anderer Sänger geht - wenn auch nicht im Übermaß - mal auf Tuchfühlung mit den Fans und bleibt dennoch so unantastbar wie Regisseurin Sofia Coppolas männliche Muse.
Zudem engagierten Phoenix für die laufende Tour einen Trommler, der die durchweg wunderbaren Pop-Stücke der Pariser Band im Stile eines Led Zeppelin-Drummers zelebrierte - nach kurzer Zeit musste er bereits das Sakko ablegen. Beim kontemplativen Instrumental "North" bettete der plötzlich liegende Mars schließlich sein Haupt auf die Monitor-Box, um wieder ein wenig Abstand zur Euphorie des Abends zu gewinnen. Nur um gegen Ende des Gigs mitten im Fanpulk zu performen - zu Gast bei Freunden.
Neben der aktuellen Platte flochten Phoenix zunehmend bewährte Gassenhauer wie "Run Run Run", "Everything Is Everything", "Funky Squaredance", "If I Ever Feel Better" oder "I'm An Actor" ein. Den umfangreichen Zugaben-Block mit den Highlights "Too Young" - einem der Tracks, der die Stimmung der Band ziemlich gut einfängt, und einer Akustikversion des Air-Stücks "Playground Love" verabschiedeten sich die sechs Franzosen kurzentschlossen mit einem Marsch direkt von der Bühne herunter mitten durchs Publikum. Zugegeben: Musiker und Fans trennte nur eine einzige Stufe - dennoch eine eindeutige Geste.
Ein romantischer Abend, wie man ihn seltener erlebt: Das große Versprechen des Pops lag greifbar in der Luft. Was außer an Phoenix und ihrem Publikum auch am originellen Support-Duo Housse De Racket lag, die mit Drums, Gitarre und Sampler einen typisch schräg französischen Dance-Rock-Mix hinlegten.
Die Jungspunds, die im 80er-Tennislook auf die Bühne stiefelten (erklärte Vorbilder: John McEnroe und Paul McCartney), war die naiv-echte Begeisterung über die Einladung, an der verheißungsvollen Welt des Pops teilzunehmen, ins Gesicht geschrieben. Als sie nach ihrem Auftritt geradezu euphorisch vor die Bühne drängten, Blickkontakt zu ihren Promi-Landsleuten suchten und sich das Stagediven in Phoenix' Zugabenblock nicht nehmen ließen (siehe Fotogalerie), war offensichtlich: Der Popstar-Traum bleibt ein unheilbares Fieber. Zum Glück.