19. Dezember 2003

"Popmusik ist leichter zu fördern als Hochkultur"

Interview geführt von

Welcher Club engagiert sich am meisten für Newcomerbands, wo wird für Clubbesucher das attraktivste Programm zusammengestellt? Wir sprachen mit der "ClubAward"-Projektleiterin Petra Höhn von der Popakademie Mannheim, um in Erfahrung zu bringen, was es mit der Auszeichnung auf sich hat, wie die Gewichtung verschieden subventionierter Clubs geregelt wird und was nachts in Mannheims Clubs überhaupt los ist.

Frau Höhn, was ist die zentrale Idee hinter dem "ClubAward"-Preis?

Vor allem geht es uns darum, nicht nur den Standort Mannheim zu fördern, sondern auch eine Strukturförderung in Baden-Württemberg zu erreichen. Innerhalb des Projekts RegioNet arbeiten wir ja bereits gezielt mit Kommunen zusammen und wissen daher, wie schwierig es für Newcomer ist, an Auftrittsmöglichkeiten zu gelangen. Auf der anderen Seite hat sich die gesamte Konzertbranche in den letzten Jahren relativ dramatisch verändert, so dass es für Clubs und Veranstalter immer schwieriger geworden ist, Newcomer ins Programm miteinzubinden.

Denn natürlich ziehen unbekannte Namen auch weniger Publikum. Uns liegt es besonders am Herzen, Plattformen zu unterstützen, die Newcomer fördern, da junge Bands nun mal die Acts von morgen darstellen. Gleichzeitig wollen wir für Veranstalter Anreize schaffen und den Leuten deutlich machen, dass es gerade bei unbekannten Acts einiges zu entdecken gibt.

Aus kulturpolitischer Sicht ist es ja auch so, dass in das Rock-/Pop-Segment so gut wie keine Fördergelder einfließen, obwohl es genauso ein Kulturgut ist wie die so genannten hochkulturellen Einrichtungen wie Theater, wo ja beinahe jeder Stuhl subventioniert wird. Sowas wäre bei Popmusik gar nicht nötig, das ist viel leichter zu fördern.

Stützt sich das "ClubAward"-Konzept auf bereits etablierte Supporter-Modelle in anderen Bundesländern?

Nein, leider existieren viel zu wenig gute Ideen hinsichtlich intelligenter Newcomer-Förderung. Natürlich gibt es Wettbewerbe, die sich etabliert haben, aber ansonsten müssen sich einzelne Clubs selbst reinhängen und im Alleingang Artist Development betreiben. Ein Act, der nicht live spielt, wird sich nicht durchsetzen.

Wie sehen denn die Zukunftschancen von Newcomerbands generell aus? Gibt es zu viele Hoffnungsträger und zu wenig finanzielle Mittel?

Zu viele gute Bewerbungen gibt es leider nicht, das weiß ich aus meinen Erfahrungen in unserem Coaching-Projekt Bandpool. Aber da wir keine bestimmte Zahl an Bands pro Jahr unterstützen müssen, orientieren wir uns da strikt an unseren eigenen, festgelegten Maßstäben.

Woran scheitert es bei den Bands in den meisten Fällen?

Vor allem an handwerklichen Fähigkeiten. Die Vorstellung, nicht gut Gitarre spielen zu müssen, um erfolgreich zu werden, ist ein Irrglaube. Zudem fehlt es oft an richtig guten Songs.

Ist der Sprung zum kommerziellen Erfolg wie der von Die Happy etwa als Eintagsfliege zu werten?

Das glaube ich nicht. Da müssen ja immer viele Komponenten zusammen kommen. Die Happy sind sicher ein Vorzeige-Modell, aber eines, das für den Erfolg auch hart gearbeitet hat. Professionalität ist eine essentielle Voraussetzung, um in den Bandpool aufgenommen zu werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Majorlabels im Moment keine nationalen Bands signen.

Soll der ClubAward als eine Art Ergänzung zu renommierten Talentwettbewerben wie dem John Lennon Talentaward oder dem Emergenza Festival fungieren?

Warum nicht, uns geht es schließlich auch primär um die Live-Szene. Wir wollen eine weitere Plattform für Newcomer bieten. Der Emergenza-Wettbewerb hat sich ja beispielsweise sehr positiv entwickelt.

Wie genau gestalten sich die Kriterien bei der Clubbewertung?

Zunächst müssen die Interessenten einen Fragebogen ausfüllen, der dazu dient, uns über den Club zu informieren. Da geht es zum Beispiel um den Anteil etablierter Bands gegenüber Newcomern, um mögliche eigene Förderungskonzepte oder um herauszufinden, ob man zu bekannten Acts einen Newcomer-Support hinzustellt. Wir schauen, ob der Club privat betrieben wird, wie hoch die Unterstützung der Kommunen ist, wieviele Besucher regelmäßig kommen, etc. Eine Vorjury besucht dann die ausgewählten Clubs und es gibt eine Art Bewerbungsgespräch, bevor eine Endjury die glücklichen drei Gewinner bekannt gibt.

Geht es vor allem darum, zu sehen, in welchem Club am meisten Newcomer gespielt haben?

Nein, da muss man differenzieren. Ein privater Betreiber muss im Vergleich zu einem kommunalen Betreiber, der viel mehr Möglichkeiten hat, natürlich ganz andere Kriterien anlegen. Aber natürlich ist das ein wichtiger Punkt. Überspitzt gesagt: Ein Veranstalter, der von Montag bis Sonntag Disko macht, ist für uns sicher nicht so interessant. Wir wollen ein eigenständiges Live-Programm bewerten.

Besucherzahlen spielen auch eine Rolle bei der Bewertung. Verlieren Clubs mit kleinerem Etat und geringerem Publikumszuspruch nicht von vornherein gegenüber besser bezuschussten Clubs?

Nein, wir achten sehr auf die Größe der Locations und ziehen noch weitere Kriterien zu Rate, dass alles gleichwertig abläuft. In der Jury sitzen ja auch Vertreter der Musikwirtschaftsbranche, die natürlich darauf achten, dass nicht der Club gewinnt, der die meiste Kohle hat. Tatsächlich gibt es zahlreiche Jugendclubs oder soziokulturelle Zentren, die teilweise auch von Jugendlichen geführt werden und eine hervorragende Band-Auswahl anbieten.

Die Ausschreibung läuft bereits seit Oktober. Wieviele Clubs haben bislang daran teilgenommen?

Das Interesse ist groß, momentan haben wir bereits dreißig Teilnehmer und Einsendeschluss ist ja erst im Februar 2004. Ich denke, dass momentan noch viele über dem Fragebogen brüten, da der ziemlich umfangreich geworden ist (lacht). Wenn wir am Ende zehn coole Clubs zusammen haben, ist das das beste, was passieren kann.

Hat denn schon ein Mannheimer Club teilgenommen?

Ich glaube nicht.

Schade. Nachdem nun das erste Semester an der Popakademie begonnen hat, würde das ja gut passen. Wie macht sich Mannheim ihrem Eindruck nach denn als Pop-Metropole?

Das macht sich sehr gut, da man hier in der Stadt hervorragend eingebettet ist und nun die Möglichkeiten ergreift, das Thema Popmusik in der Kommune umzusetzen. Mannheim hat ja auch als erste Stadt Baden-Württembergs einen Rock- und Pop-Beauftragten ernannt (Busters-Sänger Markus Sprengler, Anm. d. Red.). Außerdem ziehen wir nächstes Jahr in das neue Gebäude um, zu dem ein Gründungszentrum ("Musikpark") für die Musik- und Medienbranche gehört. Unter einem Dach finden dort junge Unternehmensgründer zusammen, die sich alle in der Branche tummeln. Hier kann sich einiges ergeben, gerade für Popakademie-Absolventen. Man muss ja nicht gleich nach dem Abschluss nach Berlin abreisen.

Wo pulsiert denn das Nachtleben für die Mitarbeiter und vielleicht auch die Dozenten der Popakademie?

Das ist insofern schwierig zu beantworten, weil ich noch nicht in Mannheim wohne. Da müssten sie schon die Studenten fragen, die kennen alle Kneipen in Mannheim.

Sie haben aber doch sicher einen Favoriten in der Clubszene - gerade im Hinblick auf eine Mannheimer Bewerbung, oder?

Generell gilt der Aufruf an alle Clubs, sich zu bewerben, egal aus welcher Stadt. Natürlich gibt es da auch Clubs, in die ich gerne gehe, aber wir haben nun mal viele Kriterien, die erfüllt werden müssen und wenn ich in einen Club gehe, mache ich mir als Besucher ja nicht in erster Linie über das Programm der letzten zwölf Monate Gedanken oder wie es mit der Finanzierung aussieht.

Das Interview führte Michael Schuh.

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