15. September 2023
"Mit meinem Vater auf Hochzeiten spielen, war irgendwann uncool"
Interview geführt von Dani FrommDen ersten Auftritt vor Tausenden von Leuten? Ohne ausgearbeitetes Live-Set ins Vorprogramm von Oliver Tree? Ohne ein Album veröffentlicht zu haben, zu Studio-Sessions in die USA fliegen? Überhaupt ... fliegen? Poulish Kid hat das alles gemacht, und inzwischen ist auch sein Debüt "In The Shadow Of A Giant" erschienen.
Eigentlich ein Newcomer, stand Poulish Kid mit seinem durchaus massenkompatiblen Mix aus Indie und Electronica bereits auf großen Festivalbühnen. Er supportete Oliver Tree, begleitete Gashi auf Tour und folgte einer Einladung nach L.A., um mit Musiker*innen vor Ort an seinen Tracks zu feilen. Das alles, ohne ein Album veröffentlicht zu haben: Sein Debüt "In The Shadow Of A Giant" ist gerade erst erschienen. Na, diesen rasanten Karrierestart beleuchten wir doch gerne ein bisschen genauer. Via Zoom erreiche ich einen aufgeschlossenen, zudem blendend aufgelegten Menschen. Vom Fensterbrett hinter ihm aus guckt seine charakteristische Sturmhaube-Fischerhut-Vermummung zu ... hallo!
Ich hab' echt lachen müssen über deine Ansage: "Ich will auf die ganz großen Bühnen." Das ist ja ein bescheidenes Ziel.
Das hör' ich tatsächlich oft. Es ist immer ganz unterschiedlich. Für, ich sag' jetzt mal 'ganz normale Menschen' klingt das immer ein bisschen lächerlich und sehr hoch gegriffen. Aber wenn ich mich jetzt mit meinen Künstlerkollegen oder mit anderen Produzenten unterhalte, dann hat jeder so seine Vision, worauf man hinarbeitet, was man als Musiker als Ziel hat. Und da ist das gar nicht mal so hoch gegriffen. Da hab' ich schon von noch viel krasseren Zielen gehört. Aber für mich wars schon immer klar, seitdem ich ... ich mach' jetzt seit 18 Jahren Musik. Ich hab' Klavierunterricht bekommen, hab' dann noch Gitarre gelernt. Ich hab' in Schülerbands gespielt. Aber so richtig mit Musikmachen hab' ich erst so ungefähr vor acht Jahren angefangen, als ich 17 war. Und da war schon immer das Ziel für mich: Ich will auf die Bühne. Ich will einfach die Leute unterhalten und ich will auf der Bühne Musik machen, und das am besten auf den größten Bühnen der Welt. Seitdem ist das im Prinzip mein Antrieb, warum ich jeden Tag wieder neue Songs schreiben will: weil ich das Gefühl hab', dass ich da oben hingehöre. Das ist im Prinzip die Motivation dahinter.
Also auch nicht Musik für irgendeine Nische, sondern schon für ein möglichst breit gefächertes Publikum?
Genau. Schon Mainstream, aber mit meinem komplett eigenen Sound. Ich will auf jeden Fall, dass man Poulish Kid von weitem schon erkennt, egal ob klanglich oder visuell. Es soll nichts Vergleichbares sein, und ich will mich auch ungern mit irgendwelchen Künstlern vergleichen. Dass es wirklich für sich dasteht, DAS ist Poulish Kid, und das ist jetzt nicht "wie Twenty One Pilots" oder "wie Kraftklub" oder irgendwas, sondern es ist irgendwas Neues, was Eigenes. Mit Mainstream muss man natürlich immer noch 'n bisschen schauen. Man kann da jetzt natürlich nicht komplett irgendwas anders machen, man muss halt schon irgendwie ein bisschen mitgehen, im Mainstream. Aber ich sag' mal so: Den Sound, den ich gerade entwickle, der ist, glaub' ich, schon relativ einzigartig.
Was unterscheidet deinen Sound denn deiner Meinung nach von dem anderer Acts?
Das ist schon die ganze Herangehensweise. Ich hab' angefangen, ohne irgendwie Ahnung zu haben. Ich hab' mir einfach einen Laptop gekauft, mit 'ner Software drauf, und hab' angefangen mit Musikmachen. Meine erste Station waren so EDM- und Electronic-Produktionsweisen, alles was so Hip Hop-Beats, Trap, Dubstep, alles, was so härtere Beats betrifft, sowas hab' ich für ein paar Jahre produziert, erstmal. Ich wollte auch eigentlich erst so Beats bei BeatStars verkaufen, an Rapper und an andere Produzenten und sowas. Aber (lacht) das ist total in die Hose gegangen. Das hab' ich so circa zwei Jahre probiert, hab' so drei Beats verkauft, zwei waren beschissen. Und da kam dann irgendwann der Moment, wo ich gemerkt hab': Hmm, vielleicht probier' ich nochmal was anderes. Und dann bin ich im Prinzip wieder zurück zum Indie gekommen. Meine komplette Jugend und Kindheit wurde ich enorm von meinem Vater beeinflusst, in Richtung Beatles, Cat Stevens, Elton John, AC/DC ... alles, was so handgemachte alte Musik betrifft. Das war so vor circa drei, vier Jahren ungefähr, als ich wieder total angefangen hab', mich mit sowas zu beschäftigen. Dann hab' ich irgendwann vor drei Jahren Poulish Kid gegründet und hab' dann im Prinzip diese beiden Welten verbunden, Beats und Indie. Und dabei ist irgendwie Poulish Kid rausgekommen. Das ist auch der Sound: so Electronic-Indie.
Mit der visuellen Wiedererkennbarkeit wäre es natürlich mit dieser Maske-Fischerhut-Kombination, die da auch bei dir im Hintergrund steht, bisschen einfacher gewesen.
(Lacht) Ja, das stimmt. Aber: Als ich angefangen hab', war das alles noch ein bisschen schwieriger, persönlich, mit mir. Ich war ein sehr unsicherer Mensch, war auch eher nicht so gut. Quarterlife-Crisis, würd' ich es mal nennen. Es war schwierig für mich, zu Hause auszuziehen. Es war auch ziemlich schwierig für mich, klarzukommen, so als Student, und nach dem Studium dann noch weiter klarzukommen, erst recht. dadurch bin ich halt ein superunsicherer Mensch gewesen, war auch nicht besonders gut zu mir selbst, und deswegen hab' ich dann irgendwann entschieden: Bevor ich jetzt irgendwas ins Internet hochstelle, und mich da zerreißen lasse, vom Internet und der Community, hab' ich mich im Prinzip damit geschützt, mein Gesicht zu verstecken, meine Identität zu verstecken. Was ich aber jetzt als Happy-End sagen kann, ist einfach, dass ich über diese drei Jahre, dass ich eben immer weitergemacht hab', das hat mir dabei geholfen, immer mehr Selbstbewusstsein aufzubauen. Und dann hab' ich irgendwann gemerkt: Eigentlich brauch' ich die Maske gar nicht mehr. Ich bin selbstbewusst genug und ich hab' mich sehr doll lieb, mittlerweile, so dass ich weiß, dass ich das nicht brauch'. Deshalb hab' ich irgendwann die Maske abgesetzt, bin aber trotzdem irgendwie als so ein Hybrid-Ding unterwegs. Ich will das halt trotzdem behalten, weil es einerseits daran erinnert, wo ich herkomme und wie das alles begonnen hat, und andererseits siehts halt auch visuell total cool aus.
Im Vergleich zu diesen ganzen anderen Rappern mit schwarzen Sturmhauben ist es halt auch wirklich unique, gerade in Kombination mit dem Hut. Das diente aber schon eher dem Selbstschutz?
Ja, in erster Linie ein Selbstschutz-Ding, aber es war halt auch gleichzeitig immer wieder ... (unterbricht sich) Ich bin halt auch ein sehr kreativer Mensch, ich liebe visuelle Kunst. Es ging immer alles miteinander einher. Es hat immer ein bisschen von allem reingespielt.
Du sagtest auch mal, dass diese Maske Projektionsfläche bietet. Dass sich jede*r da rein-vorstellen kann, was er oder sie möchte.
Voll. Absolut, und das ist einfach wirklich so. Das war vor allem am Anfang total spannend zu sehen: Was denken eigentlich die Leute, wer ich bin, wie ich aussehe oder wie ich so bin? Deswegen war das eigentlich auch total cool, so eine neutrale Person zu haben, oder so ein neutrales Etwas, wo jeder sich im Prinzip reinfinden kann. Weil die Musik war anfangs ja noch wesentlich spezieller, als sie jetzt ist. Dadurch war das eben auch 'ne total coole Sache, so bisschen ein mystisches Ding reinzubringen, das alles ein bisschen interessanter zu machen. Irgendwie hat das auch ein bisschen was gebracht, dass die Leute sich anders identifiziert haben, als jetzt. Jetzt identifiziert man sich schon eher über mein Aussehen oder meine Person als über dieses Poulish Kid-Ding, würd' ich jetzt mal behaupten. Aber das stört mich jetzt nicht. Joh, is' halt so.
Ich stell' es mir viel bequemer vor, nicht ständig aufpassen zu müssen, dass einen bloß keine*r sieht. Einerseits ... ich kann mit Cro relativ wenig anfangen, aber ich bewundere echt, wie konsequent er dieses Maskending durchgezogen hat. Der kann halt wirklich unbehelligt in Stuttgart durch die Fußgängerzone laufen. Den Rummel von sich weghalten, das ist wahrscheinlich schon entspannt.
Ja, voll. Und ich glaube auch, wenn ich in den ersten zwei Jahren den krassesten Erfolg überhaupt gehabt hätte, dann hätte ich, glaub' ich, das Maskending noch weiter durchgezogen. Weil so war ich über die Zeit auch ein bisschen gezwungen ... also, nicht unbedingt 'gezwungen', aber man entwickelt sich halt anders, als wenn man jetzt 'n Haufen Kohle im Hintergrund hat, und eine riesige Reichweite und sowas. Es ist schwierig, Content zu finden und den Leuten Content zu geben, mit dem sie sich identifizieren können, wenn wirklich nur 'ne Maske da ist. Das war dann auch ein kleiner Grund, der da mit reingespielt hat: dass es für mich dann auch einfacher ist, Content zu liefern, langfristig gesehen. So kann man auch mal schnell zwischendurch ein Bild machen, so: 'Hi, ich bin hier grade im Netto und kauf mir irgendwas.'
Ja, und man muss dabei eben nicht aufpassen, dass dabei keiner merkt, dass man dieser Maskenrapper XY ist. Oder auch bei Liveauftritten: Wie soll das denn gehen? Willste da den ganzen Tag, auch backstage, mit Maske rumlaufen?
Es ist 'ne Katastrophe gewesen, beim ersten Auftritt. Wie machen wir das jetzt, dass die Leute uns jetzt nicht sehen können? Und das allerschlimmste für mich: Ich schwitze sehr, sehr doll, weil ich mich auch doll bewege. (Lacht) Nach den ersten zwei, drei Songs ... das ist gar nicht mehr aushaltbar gewesen! Deswegen. Jetzt machen wir es ja so, dass wir immer noch voll maskiert auf die Bühne kommen, als Band. Dann spielen wir zwei, drei Titel, und dann haben wir so einen Signature-Titel, der heißt "Maya", das ist auch einer der ersten Songs, der rausgekommen ist. Und bei dem Song zieh' ich bei allen die Maske ab, und dann spielen wir den Rest des Konzerts maskenlos.
Ist ja auch irgendwie ein wiedererkennbarer Move.
Voll. Das ist unheimlich lustig. Vor allem auch jedes Mal, wenn uns eigentlich keiner kennt. Wir sind als Support unterwegs gewesen - das war jedes Mal das Geilste der Show, eigentlich.
Wenn du sagst, du seist eigentlich ein unsicherer Mensch: Mich wundert immer, wie viele angeblich gehemmte, schüchterne Leute es auf die Bühne zieht.
Ja. Ja, mich wundert das auch jedes Mal. Das ist wahrscheinlich das Ding: Ich meine, ich bin ja als Person ... wir unterhalten uns gerade, ich bin jetzt Paul Kätzler, ne? Poulish Kid ist ja im Prinzip meine Künstlerfigur, nur ein Teil von dem, das ich wirklich bin. Ein Teil von mir ist eben so extrovertiert und so enorm kreativ und will unbedingt auf die Bühne, aber ein anderer Teil ... ich sitz' halt hier und will Musik machen, ohne viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber trotzdem, die Stimme in mir sagt mir immer wieder: Du musst auf die Bühne, Paul! (Lacht) Kurz vor der Bühne, die letzten Minuten, die sind bei mir aber immer noch völlig der Horror, vor Aufregung, vor Nervosität, da könnte ich auch sagen: Ey, Leute, lasst mich in Ruhe. Ich will nach Hause.
Wird das besser?
Es wird auf jeden Fall besser, ja, ja. Wenn ich das vergleiche, so letztes Jahr, da war ja im Prinzip mein Bühnendebüt, zusammen mit Eskei. Eskei83, dieser DJ. Das war beim SonneMondSterne-Festival in einem riesigen Zelt mit 8.000 Leuten, und für mich was das das erste Mal, so 'ne riesige Bühne ... das war (schnippt mit den Fingern) ein Schnipp-Moment, kann man wirklich sagen. Ich kann mich kaum noch an diesen Auftritt erinnern, weil ich völlig mit Adrenalin geflutet wurde. Da stand ich dann halt da auf der Bühne, hab' irgendwas gemacht, bin wieder runtergegangen ... war krass. War krass! Und den ganzen Tag davor war ich im Prinzip schon total aufgeregt. Jetzt, ein Jahr später, hab' ich das gleiche wieder gemacht, und für mich war das total entspannt. Okay, die letzten 15 Minuten davor waren halt wieder totale Aufregung, aber es war kein Vergleich zu dem vor 'nem Jahr.
Du hast wirklich dein Bühnendebüt vor so einer riesigen Menge gegeben? Den Status In-kleinen-kaschemmigen-Clubs-spielen hast du übersprungen?
(Lacht) Mit meiner Band zusammen haben wir auf jeden Fall in kleineren Clubs gespielt. Aber das waren vielleicht zwei, drei Auftritte. Nicht besonders viel.
Stichpunkt Band: Ist Poulisch Kid denn nun ein Ein-Mann-Projekt oder doch eine Band?
Poulish Kid ist alles und nichts. Ich möcht' mich nicht festlegen, dass ich als Produzent Poulish Kid bin oder als Artist Poulish Kid bin oder als Band, weil es ist so variabel. Wenn wir aug der Bühne stehen, und wir sind zu dritt da oben, dann nimmt man uns auf jeden Fall als Band wahr. Dann red' ich auch so, als wären wir als Band Poulish Kid. 'Hi, wir sind Poulish Kid aus Leipzig.' Da würde man uns auf jeden Fall als Band wahrnehmen. Jetzt wenn ich aber wieder zu Hause bin, und ich mach' hier Musik und ich arbeite mit anderen zusammen, dann bin ich der Produzent Poulish Kid. Wenn wir aber zum Beispiel wieder auf Tour gehen, dann haben wir ein riesiges Team, da wär' es einfach völlig Quatsch, zu sagen, dass ICH Poulish Kid bin, und der Rest kommt einfach mit. Das funktioniert nicht, ich finds dämlich. Deswegen bin ich Poulish Kid, aber wir sind auch Poulish Kid. Poulish Kid ist einfach so viel mehr als nur diese eine Person.
Das ist ein festes Team, live auf der Bühne?
Genau. Wir haben uns im Studium kennengelernt, haben alle in Mittweida studiert. Zuerst hab' ich den Schlagzeuger kennengelernt, und über ihn dann den Bassisten. Zwischendurch war noch ein Gitarrist und ein Saxofonist mit dabei. Das hat sich immer mal wieder geändert, jemand ist reingekommen, jemand anderes ist wieder gegangen. Mittlerweile gibts einen Hauptkern, das sind Friedrich, Florian und ich. Das ist Bass, Schlagzeug, und ich mach' eben so Gesang und 'n bisschen Synthie- und Klavierzeug auf der Bühne, und seitdem funktioniert das. Wir sind im Prinzip beste Freunde und machen das zusammen, kann man sagen.
Wie läuft der Produktionsprozess ab? Erarbeitet ihr das zusammen, oder hirnst du alles aus?
Tatsächlich mach' ich alles selbst. Die zwei anderen, die sind jetzt nicht so krass in der Musikerstellung und Musikproduktion zu Hause, sag' ich jetzt mal. Friedrich, unser Bassist, ist eher so ein IT-ler, der kennt sich total krass mit Website-Design aus, mit diesem ganzen IT-Zeug, ich hab' davon einfach gar keine Ahnung. Florian ist unser Tourmanager, der ist total geil im Organisieren und außerdem ein total guter Drummer. Wenns aber jetzt ums Musik-Erstellen geht, dann ist das ganz unterschiedlich. Meistens fang' ich hier zu Hause, in meiner Wohnung, an, am Klavier irgendwas zu spielen, oder an der Gitarre, oder ich hab' schon eine Idee im Kopf, irgendein Sample ... irgendwas inspiriert mich immer. Und dann mach' ich im Prinzip von der Komposition bis hin zur Produktion alles selbst. Ich kümmer' mich dann auch um das Live-Konzept, um alles, das so technisch dahintersteht, um die ganzen Backing-Tracks, was wir da so brauchen. Das erstelle ich alles, und dann nehm' ich dieses Projekt mit in unseren Proberaum, und dort sprechen wir dann alles durch, spielen es durch. Dann gibts meistens noch ein, zwei Kleinigkeiten, die man verbessern muss, und dann funktioniert das so.
Da hilft natürlich kolossal, wenn man selbst mehrere Instrumente beherrscht.
Voll, ja. Auf jeden Fall. Zum Produzieren sowieso! ich mein', ich kann kein Instrument jetzt ultrageil, würd' ich mal sagen. Aber ich kann von jedem was. ich kanns dir mal zeigen ... (schwenkt die Kamera über eine Wand, an der Gitarre(n), ein Bass, eine Ukulele aufgereiht hängen, auf ein Keyboard ...) Wobei ich jetzt Anfang des Jahres, als ich meinen ersten Trip nach Amerika gemacht und da mal so in die Musikindustrie reingeschnuppert hab', im Prinzip mein komplettes Musikequipment verkauft hab', weil ich einfach viel zu viel besessen hab', das ich gar nicht mehr benutzt hab'. Ich hatte dann so einen Stand-Mac, ich hatte 'nen Laptop, ich hatte 'nen iPad, einen Haufen Synthesizer, und dann hier noch was und da noch was, und am Ende hab' ich eigentlich gar nichts davon benutzt, und zudem war ich noch nicht mal so richtig mobil oder flexibel. Deswegen hab' ich alles verkauft, mir diesen einen Laptop hier gekauft und nur die wichtigsten Instrumente übriggelassen, die auch für meine Musikproduktion sehr wichtig sind. Damit ich einfach mehr Platz für meine Kreativität hab', und vor allem, damit ich flexibel bin und überall arbeiten kann.
"Ich hab' im Leben nicht geglaubt, dass das funktioniert"
Schlagzeug und Gitarre hast du von deinem Vater gelernt?
Ja, genau. Mein Vater ist leidenschaftlicher Musiker, schon immer gewesen. Durch ihn bin ich an die Musik gekommen. Er spielt auch selbst immer noch in Cover-Bands und so. Er hat mich im Prinzip als erstes sensibilisiert für Live-Musik. Ich glaube, ich war fünf oder sechs, da hat er mich das erste Mal zu einem Eagles-Konzert mitgenommen. Das ist so meine erste Erinnerung an Musik überhaupt, das war total geil. Ich hör' hute immer noch Eagles, ich hab' auch gerade eine Platte von denen draufliegen. Das ist eine meiner Lieblingsbands, auf jeden Fall. Mein Vater hat mich dann erst zum Klavierunterricht gebracht und hat mir dann noch Gitarre gelernt, Ukulele und Schlagzeug. Wir haben dann noch 'ne ganze Weile zusammen in 'ner Cover-Band gespielt, haben so Elton John und die Beatles gecovert, bis ich so 16 war. (Lacht) Da war es dann zu uncool, mit meinem Vater auf irgendwelchen Hochzeiten zu spielen. Da hab' ich dann aufgehört damit. Dann hatte ich erstmal noch eine andere Leidenschaft, die ich verfolgt hab'. Und dann bin ich erst wieder zurückgekommen.
Bisschen verblüffend, dass jemand, der von Kindesbeinen an Musik macht und damit auch auftritt, erst mit 16 anfängt, sein eigenes Zeug zu machen.
Ja? Ja, na, zwischendurch wollte ich halt Pilot werden. Auch so ein niedrig gestecktes Ziel. Meine Eltern machen es halt auch immer mit, das ist auch so ein Ding. Ich hab' wirklich großes Glück mit meinen Eltern. Die machen jeden Scheiß mit, den ich mir irgendwie in den Kopf setze. Mittlerweile bin ich 26 und steh' auf eigenen Füßen, aber was so in meiner Vergangenheit abging ... Ich hab' halt mit 14 entschieden, dass ich Pilot werden will. Natürlich haben meine Eltern da gesagt: 'Sag mal, du hast wohl 'ne Macke, oder was?' Aber ich hab' mich echt nicht davon abbringen lassen. Ich bin dann in den Ferien arbeiten gegangen, auf dem Geflügelhof, in irgendwelchen großen Werkstätten, hab' da irgendwelche Löcher gebohrt und solche Sachen. Mit 16 hatte ich so viel Geld verdient, dass ich die Anzahlung für die Flugausbildung machen konnte. Das hab' ich auch gemacht. Dann hab' ich den ersten Schein gemacht, die Sportpilotenlizenz. Dann wollte ich gerade weitergehen zur ATPL, also zum Verkehrspiloten, und da bin ich dann leider am medizinischen Tauglichkeitszeugnis hängengeblieben, weil ich eine Rot-Grün-Schwäche hab'. Das war dann echt kacke, vor allem weil mir erst gesagt wurde: Das ist nicht so schlimm, ja, du hast eine, aber du kannst ja trotzdem die Farben sehen, du kannst fliegen. So. Und dann war das okay, und ich dachte mir: Ja, geil, machst du die erste Lizenz. Dann ist es aber irgendwie total durcheinander gekommen, und dann durfte ich es doch nicht machen. Dann bin ich erst mal in ein Loch gefallen. Seitdem ich 14 war, bis 17, hatte ich mein komplettes Leben darauf hin ausgerichtet, dass ich Pilot werde. Ohne einen Plan B zu haben. Und nach dem Abitur wusste ich halt überhaupt gar nicht, was ich machen sollte. Ich hab' dann angefangen, BWL zu studieren. Hab' abgebrochen. Hab' ein duales Studium angefangen. Abgebrochen. Hab' noch ein Studium angefangen. Abgebrochen. Und dann hab' ich erstmal ein Jahr bei der Post gearbeitet, als Zusteller. Da hab' ich auch wieder Geld verdient. Davon hab' ich mir dann diesen Laptop gekauft, GarageBand runtergeladen, und dann hat mich Gottseidank die Musik gerettet. Mich wieder auf den richtigen Pfad gebracht, der mich glücklich macht.
Das ist alles in Leipzig passiert?
Ich komm' nicht ursprünglich aus der Nähe von Dresden, da hat alles angefangen. Ich bin dann nach Mittweida gezogen, zum Studieren, und hab' da drei Jahre studiert. Vor nochmal drei Jahren bin ich dann jetzt nach Leipzig gezogen. Alle gehen nach Berlin, aber ich tu' mich immer noch total sträuben, weil a) kann ich mir, glaub' ich, die Miete nicht leisten, und b) wenn man hier nach Leipzig reinfährt, ist ein Graffiti in der Nähe der Autobahn, wo draufsteht: 'Leipzig, das bessere Berlin'. Als Künstler hat man sowieso nicht so viele Mittel, ich bin außerdem noch ein Newcomer, also hält sich das sowieso sehr in Grenzen. Wenn ich da überlege, jetzt noch umzuziehen, nach Berlin ... Ich mein', klar hab' ich dort einen Haufen Kontakte und könnte da wahrscheinlich wesentlich schneller arbeiten und könnte mir da jeden Tag irgendwelche Termine hinlegen. Aber das ist es mir einfach grade nicht wert, muss ich sagen. Und ich meine, von Leipzig nach Berlin zu fahren, das ist jetzt auch keine Weltreise. Man fährt eine Stunde mit dem ICE hoch, und dann da nochmal 'ne Stunde, um in der Stadt irgendwo hinzukommen. Das ist kein Problem.
Inzwischen hast du aber ja auch gar ordentlich internationale Kontakte. Du bist gerade erst aus L.A. zurück?
Ja, genau, ich war gerade 'ne Woche in L.A. Es ist so dämlich, das zu sagen. Es ist KRASS, eigentlich. Weil: Das war nicht schon immer mein Traum, aber für mich ist das mittlerweile schon Prestige, muss ich ehrlich sagen. Wenn ich das vergleiche, mit dem letzten Jahr: Da war ich das erste Mal überhaupt auf 'ner Bühne. Dann ging das im Herbst sofort auf Tour, mit Oliver Tree und Gashi, das ist so einer der größten amerikanischen Acts überhaupt ...
Darf ich mal unterbrechen? Wie kam das denn?
(Lacht) das sind im Prinzip alles Zufälle gewesen. Dadurch, dass ich beim SMS aufgetreten bin, zusammen mit Eskei, ist seine Bookingagentur auf mich aufmerksam geworden. Die meinten: Hast du nicht Lust, bei uns in die Kartei aufgenommen zu werden? Da haben wir dann ein bisschen gesprochen, und zu dem Zeitpunkt wurden zufällig gerade das Konzert von Oliver Tree und die Tour von Gashi geplant. Aus Witz hab' ich dann zu meinem Booker gesagt: 'Hey, Oliver Tree ist in der Stadt. Eigentlich müsste ich da als Voract spielen, das wär' doch total cool.' Und er so: 'Joah, gucken wir mal, was passiert.' Ich hab' im Leben nicht dran geglaubt, dass das funktioniert. 'Ne Woche später kam der Anruf: 'Ja, hier, Oliver Tree, hast du Lust? In Berlin? Tausend Leute?', und ich so: 'Was??! Ich hab' noch nicht mal ein Live-Set vorbereitet!' (Lacht) Ich hab' wirklich mit der Band drei Tage vorher angefangen zu üben. Wir haben da wie so ein kleines Camp gemacht, wo wir jeden Tag geübt haben bis zum Gehtnichtmehr. Und dann sind wir wirklich nach Berlin hochgefahren, mit unseren Möglichkeiten ... wir hatten ja ooch keene Technik, und kein krasses Team im Hintergrund. So kamen wir da hin, zu dieser riesigen Produktion, und das hat aber Gottseidank alles funktioniert, das war ein tolles Konzert. Danach ist wieder jemand zu mir gekommen und meinte: 'Hey, Gashi geht nächste Woche auf Tour. Hast du nicht Bock, bei drei Auftritten da mitzukommen?' Und ich so: 'Na, klar! Auf jeden Fall!', und dann sind wir noch im Dezember mit Gashi mitgefahren. Dann hatten wir da noch einen Auftritt und hier noch einen Auftritt, zwischendurch hab' ich noch Eskei supportet und gleichzeitig noch meine Bachelor-Arbeit geschrieben ... das war eine superintensive Zeit, auf jeden Fall. Januar/Februar war dann ein bisschen ruhiger, da ist dann erstmal nichts mehr passiert. Aber dann sind wiederum meine Kontakte aus Amerika auf mich aufmerksam geworden, weil: Ich hab' ja Oliver Tree und Gashi supportet. Da wurde ich dann im Prinzip mehr oder weniger eingeladen, mal nach L.A. zu kommen, um da Musik zu machen. So ist das passiert, dass ich im März das erste Mal dort war und erstmal gekuckt hab': Wie ist das in Amerika? Was sind das für Leute? Wie kann man hier arbeiten? Wie funktioniert das? Dann bin ich wieder nach Deutschland zurückgekommen, hab' hier einige Sachen verändert, und jetzt bin ich eben nochmal 'ne Woche dagewesen, um wirklich intensiv jeden Tag 'ne Session zu haben. Ich hatte auch wirklich jeden Tag 'ne Session. Ich hab' mich mit irgendwelchen Businessleuten getroffen ... Es war eine ultraintensive Woche, muss ich sagen. Es hat meinen Horizont erweitert. Es war wie eine Bildungsreise, das war echt gut.
So spontan muss man ja erstmal sein, solche Gelegenheiten dann auch zu ergreifen.
Ey, das kannst du dir gar nicht vorstellen, am ersten Tag: Ich bin da hingekommen, ich hatte das krasseste Heimweh überhaupt. Ich hätte mir am liebsten gleich wieder einen Flug zurück gebucht, weil 12.000 Kilometer von zu Hause weg, du bist komplett alleine, fremde Sprache, fremde Währung, alles ist anders! Ich saß den ersten Tag dort und dachte mir: Nee, das kannste nicht. Das ist viel zu krass. Ich hätt' mich vergraben können, im Bett. Dann hatte ich aber meinen ersten Termin, sozusagen, so etwa 14 Uhr Ortszeit. Dann hab' ich mir ein Uber gerufen, hab' mich da reingeworfen, der hat mich dann da hingefahren, mich rausgeworfen ... (lacht) Im Prinzip wurde ich da ins kalte Wasser gestoßen. Das war aber genau das Richtige. Dann hab' ich den Rand das erste Mal getroffen, den Produzenten von Limón Limón, und der hat mich dann so angegrinst, mich in den Arm genommen und gesagt: 'Hey, ist doch alles gut. Komm doch rein, wir trinken erstmal 'nen Kaffee.' Das war halt alles total aufregend. So viel Vorfreude, aber zugleich mit so viel Angst ... Aber weil ich eben diesen Sprung ins kalte Wasser doch gewagt hab', hat mich das am Ende so motiviert und so glücklich gemacht ... Den Rest der Woche war ich einfach nur total euphorisiert und total motiviert, da was zu machen.
Wir kann ich mir das vorstellen: Du bist da mit einer Art festen Terminplan hingefahren?
Ja. Ich musste das vorher für mich alles schon durchplanen, damit ich weiß: Da funktioniert auch was. Wenn ich einfach so da hingefahren wäre, ich glaube, ich hätte es nicht hinbekommen. Ich hatte vorher schon mit allen Termine ausgemacht. Ich hatte am ersten Tag die Session mit Limón Limón, am zweiten Tag nochmal eine. Am dritten Tag hatte ich dann mit NVDES, mit denen ich auch schon einen Song rausgebracht hatte, 'ne Session. Am vierten Tag hab' ich mich 'n bisschen rausgenommen, um vor allem Content zu drehen. Alles Mögliche für Social Media, dann hab' ich auch ein Musikvideo gedreht und hab' mich auch so einfach zu Mittag mit jemandem verabredet. Die meisten Manager-Kontakte, da trifft man sich eh nicht länger als ein, zwei Stunden. Mal zu Mittag, bisschen kucken, wo die Überschneidungspunkte so sind. Und dann an dem Sonntag hatte ich noch 'ne Session mit 'nem Masterproduzenten, der auch Deutscher ist, vor langer Zeit ausgewandert - und dann war die Woche auch schon wieder vorbei und ich bin wieder nach Hause geflogen. Aber ich hatte das alles im Prinzip schon vorher geplant, aus Deutschland raus, damit das dann auch so funktioniert. Vieles ist in der Woche dann auch spontan entstanden, so: Hast du nicht Bock, da noch schnell hinzukommen? Oder da noch auf ein Abendbrot mitzukommen? Aber grundsätzlich hatte ich alles vorher geplant.
Sind dabei musikalisch wie businesstechnisch auch greifbare Ergebnisse bei rumgekommen?
Ja. Ja, auf jeden Fall. Musikalisch sowieso. Ich hatte ja schon vorhin erzählt, dass ich die gesamte Produktion im Prinzip selbst mache. Das Problem daran ist allerdings, dass die Feedback-Schleife einfach fehlt, und am Ende sind die Songs meist so zu ungefähr 85 Prozent fertig, aber es ist immer noch so ein kleines bisschen, wo man sagt: das könnte man noch machen, oder das, dann wär' der Song topp. Das hab' ich im Prinzip gemacht. Ich hatte einen Demo-Ordner voll mit Songs, die ich vorproduziert hatte, und damit bin ich zu den Produzenten und Songwritern hingegangen und hab' gesagt: Hier sind Songs. Davon haben wir dann fünf oder sechs rausgenommen, die am besten waren, und die haben wir dann nochmal mit 'nem professionellen englischen Text bestückt. Weil: Als Native Speaker macht man echt nochmal andere Texte. Sag' ich jetzt mal so. Grammatikalisch, ausdrucksmäßig und sowas. Zum anderen, wenns jetzt zum Beispiel darum ging, nochmal 'n echtes Klavier aufzunehmen, oder 'ne geile E-Gitarre, die ich nicht hab', oder sowas, dann haben wir das auch noch gemacht. Solche Sachen.
Das können ja aber keine Songs für dein kommendes Album gewesen sein.
Nein, mein kommendes Album ist komplett fertig. Alles, das ich jetzt mache, ist für danach. Ich will jetzt noch keine Versprechungen machen, ich weiß noch nicht so richtig, was kommen wird. Aber es wird auf jeden Fall neue Musik kommen, und davon nicht zu wenig.
Reden wir kurz über die aktuelle: Wieso ist ausgerechnet "In The Shadow Of A Giant" der Titeltrack geworden? Ich finde ihn nicht gerade repräsentativ für den Rest des Albums.
Zum einen wollte ich ein Intro machen, das möglichst cinematisch und episch, aber doch dynamisch und einzigartig klingt. Der Track verbindet beide Welten, Electro und Indie, und leitet meiner Meinung nach perfekt in das Album ein. Zum anderen war mir wichtig, dass das Intro so lang wie möglich ist. Im Streaming-Zeitalter müssen Songs eine gewisse Kürze haben, um besser zu performen. Ich berücksichtige das auch teilweise für mehr Klicks. Ich finde dieses Prinzip aber sehr schlimm und wollte dagegen ein Statement setzen, daher die Überlänge. Und tatsächlich sind lange Instrumental-Stücke als Intro eine Tradition bei mir geworden. Ich habe bisher bei allen meinen EPs ein viel zu langes Intro gemacht, einfach, weil mir das großen Spaß bereitet.
Hast du keine Bedenken, mögliches Mainstream-Publikum mit einem Instrumental-Intro, das noch dazu über sechs Minuten lang ist, gleich zu verschrecken?
Nein, denn ich mache, was ich will, ohne mich beeinflussen zu lassen von den Meinungen der anderen. Ich habe viel zu lange darauf gehört, was andere sagen, habe mich sogar deswegen fertiggemacht. Heute sehe ich das anders, und ich bin mir sicher, als Künstler sollte ich mich trauen, anders zu sein, Sachen auszuprobieren und keine Angst davor haben, zu scheitern. Ich bin, was ich bin, und ich mache, was ich mache.
Hast du beim Produzieren eines solchen Instrumentals bestimmte Bilder im Kopf, die du in gewisser Weise vertonen willst?
Beim Musikmachen lass' ich mich voll und ganz fallen. Ich gebe mich völlig meiner Intuition und Kreativität hin und versuche, möglichst 'outside the box' zu denken. Sobald der Track langsam fertig wird, ergibt sich auch für mich ein Bild. So war es auch bei der Produktion dieses Intros. Hört man den Track von Anfang bis Ende durch, dann wird sich der Song wie eine Reise anfühlen, mit Höhen und Tiefen. Dann ergibt sich für jeden ein individuelles und emotionales Bild. Wenn ich den Song höre, denke ich ganz stark an eine Filmmusik oder auch an Videospielmusik. Das ist auch kein Zufall, denn beides liebe ich sehr.
Bei mehr als einem Song hatte ich das Gefühl, er sei mir von Anfang an total vertraut, erinnere mich an irgendetwas, das ich eigentlich kenne, ich krieg' aber nicht so recht zu fassen, woran. Bei "Paradise" und "Kill Me To Stop Me" war dieses Gefühl besonders präsent. Kannst du konkrete Einflüsse benennen, die dich inspiriert haben?
Nein. Wenn eine gewisse Vertrautheit beim Hören auftritt, dann liegt das, denke ich, am generellen Genre, wo es ja immer wieder stellenweise zu Ähnlichkeiten kommt. Es kann allerdings sein, dass ich irgendwo etwas aufschnappe, das unterbewusst abspeichere und dann beim Produzieren wieder hervorbringe, ohne es zu merken. Grundsätzlich erschaffe ich aber mein eigenes Sounduniversum und versuche, mich dabei nicht allzu sehr zu beeinflussen zu lassen. Was natürlich hier und da aber trotzdem mal vorkommen kann.
"Ich hätte mich nicht unter Vertrag genommen!"
Weil du vorhin sagtest, ihr habt die Lyrics nachgebessert: Auf Deutsch zu texten wär' für dich keine Option gewesen?
Doch. Doch, doch! Doch. Ich arbeite - noch nicht lange, aber seit drei, vier Monaten ungefähr - auch an deutschen Texten, an deutscher Musik. was auch für mich total neu ist, weil bis vor ein paar Jahren hatte ich noch das Mindset, von wegen: Deutsch, nee! Da fangen wir gar nicht erst damit an! Aber mittlerweile ... ich glaube, jeder Künstler kommt irgendwann an den Punkt, wo es in die Muttersprache zurückgeht. Es hat sich irgendwann so entwickelt, dass ich einfach gemerkt hab': Irgendwie hab' ich Bock, mal auf Deutsch zu texten, auf Deutsch zu schreiben und auf Deutsch zu produzieren. Das mach' ich jetzt auch. Aber ich kann wirklich noch nichts dazu sagen, ob das am Ende wirklich rauskommen wird, ob das auch zu Poulish Kid passt. Irgendwie hab' ich das Gefühl, dass es passt. Es fühlt sich auch gut an. Aber es ist alles noch sehr frisch.
Für Mainstream-Erfolg auf großen internationalen Bühnen ist Deutsch wahrscheinlich eher hinderlich.
Voll. Wobei, 'hinderlich' würde ich eher nicht sagen. Es sind ja trotzdem unterschiedliche Märkte, die man angreift. Mit englischer Musik ist es leider nicht so einfach, den deutschen Markt anzugreifen, weil hier schon die meisten eher Deutsch hören wollen. Auch gerade businessmäßig, die Labels, die sind auch gerade eher auf deutsche Musik aus, und eher auf einen Mainstream-Erfolg. Ich hab' meistens meine englische Musik eher über europäische beziehungsweise über amerikanische Labels veröffentlicht, damit die Musik einfach funktioniert. Wenn ich jetzt einen deutschen Song rausbringen würde, würde das, glaub' ich, trotzdem ganz gut Welle machen, auf jeden Fall. Aber dann müsste ich das halt auch mit 'nem deutschen Label alles rausbringen. Dann könnte das auch funktionieren. Das ich halt genau das Ding bei Poulish Kid: Ich will keine Schublade. Und ich will dann auch nicht als Poulish Kid in diese Englisch-Schublade gesteckt werden, sondern das soll so divers und variabel wie möglich sein. Wenn dann eben mal ein Album rauskommt, wo englische Texte, deutsche Texte, vielleicht auch noch 'n spanischer Text, weil warum nicht? Dann fänd' ich das einfach geil.
Wie gewichtest du, falls du das überhaupt trennen kannst: Ist dir der Text, die Botschaft wichtiger, oder dein musikalisches Ding?
Hmmm. (Überlegt) das ist schwierig zu sagen, aber ich geb' immer bei allen Sachen hundert Prozent. Ich bin auf jeden Fall ein sehr perfektionistischer Mensch. Klar, 'perfekt' gibts nicht, aber ich versuch' alles mögliche in diese Richtung zu produzieren und zu schreiben. Mir sind meine Texte schon sehr wichtig, weil da auch immer sehr viel Persönlichkeit von mir verarbeitet wird, und auch Verarbeitetes oder Erlebtes von anderen. Deswegen ... kann ich das so gar nicht sagen. Ich würde sagen: fifty-fifty. es gibt natürlich Songs, bei denen die Energie des Songs mehr zählt, weils eben auf der Bühne total abgeht. Die Songs gibts auch. Aber es gibt auch Songs, wo ich sage, da ist vielleicht das Instrumental jetzt nicht so geil, aber die Texte sind cool.
Ich denk' mal, Leute, bei denen der Fokus auf dem Text liegt, kommen über kurz oder lang immer auf ihre Muttersprache zurück. Weil das einfach die ist, in der man sich am präzisesten ausdrücken kann.
Der Ansatz ist komplett anders. Wenn ich hier sitze und mach' ein Instrumental und sehe: Okay, hier passt ein englischer Text drauf, dann geht das meistens damit einher, dass ich mir ein Dictionary dazuholen muss, um, Wörter zu übersetzen, und dann ist halt schon wieder an einem gewissen Punkt der Flow weg. Beim Deutschen ist es einfach so: Man hört sich das an, man hat was im Kopf, man schreibt sich das auf, und sofort ist es da. Das ist viel intuitiver und dadurch natürlich auch intimer, weil man jedes Wort versteht. Beim Englischen kann man immer noch mal was tricksen, auch mit Slang oder sowas.
In einer Fremdsprache fehlt einem halt oft das Gefühl für so Zwischen- und Doppeldeutigkeiten, für so feine Bedeutungs-Abstufungen, die mitschwingen.
Voll. Ich hab' zwei Beispiele: Ich hab' mal einen Song geschrieben, der heißt "Let's Go To The Mountain". Für mich war das eigentlich so ein Text, von wegen: Komm, lass uns wandern gehen. Das hat einen persönlichen Hintergrund. Als wir dieses Jahr in Amerika waren. Als ich dieses Jahr wieder in Amerika waren, hab' ich den Leuten den Song vorgespielt, und die meinten alle: 'Let's go to the mountain', aber du weißt schon, was das bedeutet, oder? Ich so: 'Naja, wir wollen wandern gehen.' (Lacht) Nee! Das heißt nicht 'Wir gehen wandern', das heißt: 'Wir gehen skifahren.' Ich wusste das einfach nicht, 'Let's go to the mountain' ist umgangssprachlich für 'Lass skifahren gehen'. Ich wusste es nicht, Zufällig hat es aber irgendwie Sinn ergeben, in dem Text (lacht) Aber das ist halt ein Beispiel dafür, dass es manchmal einfach nicht funktioniert. Und dann gibts aber auch Momente, wo mir Amerikaner schon gesagt haben: 'Das würde niemals einer sagen, aber es ist irgendwie lustig, also lass' es drin.' Beispiel, da gibts einen Text, der Song heißt "Westcoast", da gehts darum, wie krass ich in meiner Kindheit von Amerika beeinflusst wurde, durch Serien, durch Filme, durch Produkte, die man kauft, und dass man ja eigentlich schon in seiner Kindheit einen Hype auf Amerika bekommt, dass eigentlich klar ist, dass alle nach Amerika wollen, und darin gibts 'ne Textzeile: 'I feel so American, I feel so good.' Für die Amerikaner, die sich das durchgelesen haben, war das richtig unangenehm, aber für mich als Europäer ist das mehr so ironisch gemeint. Dann funktioniert das halt wieder irgendwie.
Man muss halt aufpassen, dass man nicht irgendwelchen Quatsch sagt.
Voll! Aber man hört ja auch an meiner Aussprache, dass ich kein Amerikaner bin und auch nicht aus Großbritannien komme. Man weiß zwar auch nie, dass ich aus Deutschland komme, das ist das Lustige: Die meisten denken eher, dass ich aus Neuseeland bin, oder Australien. Aber das ist halt das Coole, das ist irgendwie mein Signature-Sound. Ich weiß ja auch nicht, warum ich einen teilweise englischen, teilweise amerikanischen Akzent zu haben scheine, obwohl ich vorher nie in einem englischsprachigen Land war. Ich erklärs mir irgendwie so, dass man in der Schule eher so britisches Englisch lernt, man dann aber, wenn man Medien konsumiert, eher auf amerikanisches Englisch umschwenkt. Gerade bei YouTube und sowas. Dann vermischt sich das, glaub' ich, alles, und dann kommt dieser neuseeländische Akzent dabei raus
Es ist ja auch nicht peinlich, wenn man hört, dass man nicht aus England oder den USA kommt. Es ist ja so. Meine Güte. Wir sind halt nicht von dort.
Genau, das soll man ja auch hören. Das ist ja keine identitätslose Musik, sondern die kommt wirklich von einer Person, die so ist, wie sie ist.
Um noch ein bisschen internationaler zu werden: Du hast auch schon mit einem niederländischen Artist kollaboriert, wie kam denn das?
Oh, ja, stimmt. Das fiel mir auch wieder zufällig irgendwie in den Schoß rein, das kam so: Ich bin ja bei Audiolith jetzt frisch dabei ... wobei, 'frisch', das ist jetzt auch schon wieder fast zwei Jahre Zusammenarbeit ... und unsere beiden Verlage kennen sich irgendwie. Da gab es irgendwelche Überlappungen von zwei Menschen, die sich dachten: 'Wir sollten mal Danny aus den Niederlanden mit Paul aus Deutschland connecten.' Wir haben uns dann für eine Zoom-Session verabredet, Danny - also Absent Chronicles - und ich. Wir haben uns erstmal richtig gut verstanden, dann haben wir uns ein paar Demos hin und her geschickt, und er hatte mir ein Gitarrensample geschickt. Das war im Prinzip das Sample, das jetzt bei "Out Of Time" mit drin ist. Das hat mich irgendwie direkt abgeholt. Er hat dann auch noch ein paar Drums eingespielt, und mit diesem Gitarrensample und den Drums hab' ich "Out Of Time" produziert. Komplett unabhängig von ihm. Dann haben wir uns noch ein paarmal getroffen, um ein paar Feinabstimmungen zu machen, und dann war auf einmal der Song da. Das war eine ziemlich einfache und schnelle Zusammenarbeit, muss ich sagen.
Kommt da noch mehr nach?
Mit Danny sitzen wir auf jeden Fall an neuen Projekten. Wir schreiben tatsächlich gerade für eine andere Künstlerin. Ob da für Poulish Kid was rauskommt, wissen wir tatsächlich noch nicht, aber: Wir spielen beim Reeperbahn Festival in Hamburg, am 23. September, und da wird er auf jeden Fall als Special Guest mit auf der Bühne sein.
Okay, dann sehen wir uns dort.
Du wirst die Show lieben.
Wehe, wenn nicht! Erzähl' mir doch noch schnell, wie du zu Audiolith gekommen bist?
Das ist ganz klassisch über den geschäftlichen Weg meines Managers gelaufen, der hatte Kontakte. Wir kannten jemanden hier aus Leipzig, der Lars kannte. [Lars Lewerenz, Boss und Handmodel von Audiolith, d. Red.] Dann hat man sich mal getroffen, mal gefragt, kann man hier irgendwie 'ne Connection herstellen ... und so sind irgendwie meine Demos zu Lars gekommen. Also, man muss auch echt sagen, zu dem Zeitpunkt waren die Demos ja .... pfff (lacht) Also, ICH hätte mich nicht unter Vertrag genommen. Da hieß ich ja auch noch anders, ich hab' ja unter einem anderen Namen angefangen.
Kapuze.
Genau. Da kams dann leider zu einer Klage, weil der Name schon markenrechtlich geschützt war, in Deutschland. Deswegen musste ich mich umbenennen. Wo ich aber auch sehr glücklich drüber bin, Poulish Kid ist auf jeden Fall sehr viel cooler als Kapuze, meiner Meinung nach.
International auch tauglicher als Cap-pooh-see, wahrscheinlich.
Käppusi, genau, so wurde ich dann genannt. Aber egal. Also, ich hätte mich nicht unter Vertrag genommen, damals, aber Lars ... der hat uns dann, auch wieder zu Reeperbahn Festival, ich glaube, das war 2021, nach Hamburg eingeladen. Da sind wir hochgefahren, mit dem Zug, ich und mein Manager, und Lars saß da in so 'nem Späti drin, hat sich gerade zwei Cola rausgeholt. Wir sind da angekommen, und der hat uns halt begrüßt wie der herzlichste Mensch überhaupt. Für mich war das aber so ein Moment, wie: Ich werd' gleich einen Promi treffen. Weil: Als ich nämlich damals in Mittweida noch studiert habe, hat Lars Lewerenz mal einen Vortrag gehalten, über sein Leben und seine Karriere. Bis dahin kannte ich den Menschen noch gar nicht. Ich saß aber erste Reihe. Früh um acht. In der Vorlesung. Und Lars Lewerenz steht vorne und erzählt, wie geil, was für ein krasses Leben sie als Punker in den 90ern hatten und wie er dann wieder zurückgekommen ist und das Label gegründet hat, und ich fand das alles total beeindruckend.
Bin vor allem beeindruckt davon, dass Lars geschafft hat, morgens um acht irgendwo zu sein und Vorträge halten zu können.
(Lacht) Deswegen beton' ich das ja so! Er war einfach total fit, auch richtig gestriegelt, stand einfach wie so 'n Promi auf der Bühne und hat diesen Vortrag da abgerissen, und zwei Jahre später treffen wir uns im Späti, und er umarmt mich so richtig herzlich und sagt: 'Mensch, willkommen hier in Hamburg, wie siehts denn aus, erzählt mal!' Dann haben wir den Vormittag zusammen verbracht, er hat uns ein paar Leuten vorgestellt ... da waren vielleicht Typen unterwegs! Da haben wir uns kennengelernt, wir wussten dann aber gar nicht so richtig: Hat das überhaupt funktioniert? Mag der uns jetzt? Dann hat es zwei, drei Tage gedauert, und dann hat er uns nochmal angerufen und meinte: 'Lass mal zusammenarbeiten. Irgendwas habt ihr. Ich weiß zwar selbst noch nicht so richtig, wohin mit euch. Aber das kriegen wir schon irgendwie hin.' Er hat uns, vor allem mir, so unheimlich viel Vertrauen geschenkt. So: 'Mach einfach mal.' Und das war das Beste, das man mir sagen hätte können. Deswegen war die Zusammenarbeit mit ihm von Anfang an ziemlich praktisch für mich. Ich konnte im Prinzip das machen, was ich will. Das mach' ich ja bis heute. Und irgendwie hat es sich zum Glück ja auch noch verbessert, über die zwei Jahre. Wenn ich denke, wie krass das Album jetzt geworden ist und welche Möglichkeiten da in letzter Zeit entstanden sind: Das ist auf jeden Fall eine sehr coole Entwicklung, da ist eine gute Zusammenarbeit entstanden.
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