laut.de-Biographie
Professor Green
Vom Wunderkind zum fast vergessenen Da-War-Doch-Mal-Was-Dasein – sollte das die Geschichte von Stephen Paul Manderson aka Professor Green gewesen sein? Nein, eine Attacke mit einer Bierflasche und dem Wohlwollen eines britischen Pop-Sternchens sei Dank.
Professor Green war einst das größte Freestyle-Talent des Vereinigten Königreichs, wurde von Mike Skinner mit Lob und Label-Deal versorgt, verschwand spurlos, um dann auf einmal wieder mit Major-Label im Rücken und Lily Allen an seiner Seite aufzutauchen.
Der Prof wird 1983 als Stephen Paul Manderson in Hackney geboren. Sein Rap-Talent bringt ihn gerade volljährig in die Prestige trächtigsten Cyphers des Landes. Und schließlich auch in die umkämpften Rap-Battles der globalen Szene. Beim Fight Klub, dem angesehensten Freestyle-Wettkampf der westlichen Hemisphäre, steht er den US-Größen Jin und Serius Jones gegenüber.
In Jin findet er zwar seinen Meister und verliert im Finale gegen den Ruff Ryders-Spross, doch die Augen der Rap-Öffentlichkeit sind auf den Zwanzigjährigen gerichtet. Auch daheim macht der Name Green die Runde.
Mike Skinner, auf der Insel besser als The Streets bekannt, nimmt das Freestyle-Wunderkind unter seine Fittiche und stockt das Roster seines gerade gegründeten Labels The Beats mit dem blonden Jungen aus Ost-London auf. Die Promomaschine nimmt an Fahrt auf. Im aufkommenden Grime-Hype erntet Green Lob, seine Skills finden allerorten positive Erwähnung.
Vielleicht hat seine Liebe zum grünen Kraut – der er natürlich auch seinen Künstlernamen zu verdanken hat – Schuld, vielleicht aber auch das Unvermögen Mike Skinners Label, Fakt ist: Trotz eines beachtlichen Hypes fehlt von einem Debutalbum jede Spur. Die schwierige Vermarktung des talentierten Mannes mit den schiefen Zähnen und das offensichtlich größere Interesse von The Beats an den Mitchell Brothers tun ein Übriges.
Schnell hat es auch mit Mike Skinners Label-Kiste ein Ende, und auch Professor Green verschwindet im Treibsand der Hip Hop-Szene Großbritanniens, die mittlerweile eher Dubstep als einen verkifften Rapper's Rapper, der an Eminem erinnert, hören will.
Was die Hörer nicht wissen – das Majorlabel Virgin greift Green auf und beschert dem Mitzwanziger nicht nur eine Zahn-OP, sondern auch eine echte Perspektive. Das Projekt Karriere ist für Green, der nie etwas anderes gelernt hat, also doch noch nicht abgeschlossen. Es soll aber noch ein anderer Rückschlag kommen, der das Projekt ernsthaft in Gefahr bringen kann.
Im Mai 2009 sticht man Green bei einer Schlägerei in einem Londoner Club mit einer abgebrochenen Flasche in den Hals. Die Angreifer verpassen jedoch nur um Zentimeter seine Halsschlagader und Professor Green kommt mit dicken Narben im Nacken davon. Der Beginn eines neuen Lebensabschnittes.
Entsprechend kämpferisch arbeitet er motiviert an seinem Albumdebüt und betitelt die Platte "Alive Till I'm Dead". Durch Zufall macht er per Facebook Bekanntschaft mit der als größter britischer Nachwuchs-Star gehandelten Lily Allen und findet in der verrückten jungen Dame eine aktive Unterstützerin. In Folge bewegt sich Professor Greens Musikentwurf sukzessive weg von Rap um des Rappens Willen und öffnet sich hin zum Pop.
Für die Karriere die richtige Entscheidung: Professor Greens erste Single "I Need You Tonight" basiert auf dem (fast) gleichnamigen INXS-Song und schunkelt funky in die britischen Charts. Für eine weitere Cover-Version – Beats Internationals "Dub Be Good To Me" - unterstützt ihn Lily Allen und katapultiert auch diese Single in die Top 10-Höhen der Hitlisten.
Teilweise in der Fachwelt, aber besonders bei engstirnigen Hip Hop-Heads gerät der Prof in die Kritik. Er biedere sich viel zu sehr den Massen an. Ein fröhliches 'Scheiß-drauf' folgt in Form einer neuen Nummer-Eins-Single: "Read All About It". Auch sein zweites Werk "At Your Inconvenience" erobert die Charts im Sturm. Zwar immer noch sehr auf sein Heimatland konzentriert, weckt er mittlerweile auch hierzulande das Interesse an seiner Person.
Die Metamorphose vom Genre-Geheimtipp zum ernst zu nehmenden Pop-Artist hat funktioniert. Professor Green ist im Mainstream angekommen. Und dafür musste er nicht mal sein Rap-Talent ablegen.
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