20. Mai 2011

"Ich mag es, andere zu beleidigen!"

Interview geführt von

Hart im Nehmen sind sie, die geächteten Helden des Dancefloors: Obwohl wir in der Vergangenheit alles daran setzten, das Verhältnis zu ruinieren, sprechen sie mit uns - über Kritikresistenz, Erfolgsdruck, enttäuschte Hoffnungen, "New Kids Turbo" und den ESC.Donnerstagabend. Telefon-Date mit H.P. Baxxter. Wer kann dazu schon Nein sagen? Dafür bleibt man doch gerne ein bisschen länger im Büro. Statt des Scooter-Frontmanns hängt dann allerdings ein freundlicher Mitarbeiter am Telefon: Der gesteckte Zeitrahmen verschiebe sich etwas. Geht ein Termin eineinhalb Stunden später auch okay? Aber klar! Wir waren jahrelang so garstig zu Scooter, dass wir uns schon noch ein bisschen gedulden können. Am Ende bekommen wir dafür auch alle drei Herren gemeinsam an die Strippe.

Guten Abend, zusammen. Nach so einem Interview-Marathon wisst ihr vermutlich gar nicht mehr, mit wem ihr jeweils sprecht. Wir sind die, die H.P. als Kürzel für "Hanswurst-Profiprolet" gedeutet und Scooter zum "eingetragenen Warenzeichen für anspruchslosen Vocal-Techno-Schwachsinn" deklariert haben.

(Gelächter) Rick J. Jordan: Naja, du kannst ja nix dafür. Für die Unzulänglichkeiten der jeweiligen Redakteure.

Deswegen schicken sie euch hier auch den Rap-Schreiber. Ich bin gestählt - und außerdem der missverstandene Scooter-Fan in der Redaktion.

Rick: Kein Problem. Schieß einfach los.

Jahrzehnte im Kreuzfeuer derer, die glauben, die Wahrheit und das Musikwissen für sich gepachtet zu haben: Wie hält man das überhaupt aus?

Rick: Och, das ist eigentlich gar nicht so problematisch. Am Anfang hat man so ein bisschen ...

H.P. Baxxter: (Unterbricht) Also, Rick muss es ja auch nicht aushalten, weil der ja wenig angegriffen wird. Und ich seh' das immer als sportliche Herausforderung. Außerdem mag ich Streit. Ich liebe Streitkultur und ich mag es, mich damit auseinander zu setzen und auch andere zu beleidigen. Also lass' ich mich auch gern selber mal beleidigen und find' das gar nicht so schlimm.

Dringt Kritik da überhaupt noch durch?

H.P.: Selten. (Lacht) Man nimmt es so zur Kenntnis. Bei unserem heutigen Interviewtag haben wir oft festgestellt, dass sich das in den letzten Jahren doch sehr verändert hat, differenzierter geworden ist, und dass auch durchaus mal positive Kritik zu lesen ist. Das ist dann doch auch mal ganz schön.

In einem Interview mit stern.tv habt ihr kürzlich beklagt, ihr frickelt ewig an euren Songs herum, und dann kommen die Leute und sagen: 'Das klingt alles gleich.' Wie erklärt ihr euch das?

Rick: Es ist halt so, dass du in dem Augenblick, in dem H.P.s Stimme dazu kommt, eine gewisse rote Linie hast, die sich durch unsere Songs zieht. Zum einen finden wir es klasse, dass es irgendwann einen Punkt gab, an dem die Leute gesagt haben: 'Ihr klingt immer nach Scooter', wo andere uns vorwerfen: 'Ihr klingt wie Trallalla für Arme'. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn man sich die Songs mal wirklich anhört, merkt man: Der eine hat 170 bpm, der andere hat 130, dann haste 'ne Ballade dabei, dann haste wieder Sachen im Shuffle-Beat ... also im 6/8-Beat. Ich denke mal, wenn man sich wirklich ein bisschen mit den verschiedenen Songs auf den Alben auseinandersetzt, dass schon eine ganz schöne Bandbreite - speziell was die Playbacks betrifft - dabei ist.

Die Bandbreite seh' ich - vielleicht ist das meiner Hip Hop-Sozialisation geschuldet - ja eher in den Samplequellen. Da habt ihr ja gar keine Hemmungen.

Rick: Nö. Da sind wir schmerzfrei.

Gibts eine Musikrichtung, die ihr noch nie benutzt habt - und auch nicht benutzen wollt?

H.P.: Ich denke, man findet immer mal wieder durch Zufall Dinge, die passen. Das lässt sich schwer konstruieren, und man kann das auch unglaublich schwer im Voraus planen. das ergibt sich meistens während der Produktion, oder die Ideen kommen während einer After-Show-Party. Da gibts kein Rezept, nach dem man vorgehen kann.

Das Strickmuster, das ihr benutzt, ist aber schon immer ähnlich.

H.P.: Ja, 'ne gewisse Songstruktur ... stimmt. Die ist eigentlich ähnlich wie bei einem Popsong, mit Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, C-Part, Schlussrefrain.

Der Erfolg gibt euch ja auch Recht. Bei mehr als 20 Top-Ten-Singles und mit praktisch jeder Single in den deutschen Dance-Charts, kann man sich über Verkaufszahlen kaum beschweren. Setzt einen das auch unter Druck?

Rick: Och, jaaaa ... Wir kucken wenig nach hinten. Wir schauen eigentlich immer nach vorne. Natürlich kämpft man, sobald der Erfolg da ist, immer gegen den drohenden Abstieg. Das war schon immer so. Aber ich denke, der Spaßfaktor überwiegt immer noch bei uns.

H.P.: Aber man hat ja so einen Anspruch. Ich finde schon, wenn eine Single nicht Top Ten ist, dann ist die für mich persönlich gefloppt. Das ist einfach so. So ein sportlicher Ehrgeiz, den man irgendwann entwickelt hat, und eine Messlatte, die man irgendwie erreichen möchte.

Die Ansprüche steigen mit dem Erfolg.

H.P.: Ja.

Rick: Na klar, logisch.

Regiert dann nicht irgendwann die Angst, dass man, wenn man mal etwas ganz anderes machen oder etwas ausprobieren möchte, damit die treue Fanbase zu verprellen?

H.P.: Nein, aber ich glaub', man hat ja so ein bestimmtes Spektrum. Was man selber kann, wo man weiß, das kriegen wir hin - und andere Wunschvorstellungen, die man vielleicht mal hat, aber bei denen man weiß, das wird vielleicht auch nach hinten losgehen. Ich finde, man hat doch schon sehr viel Spielraum, gerade auch bei einer Album-Produktion, sich soweit auszutoben. Dinge zu probieren, die man gern möchte. Zum Beispiel wollte ich beim letzten Album gern von den Chameleons "Second Skin" machen. So 'ne Nummer aus meiner frühen New Wave-Phase, was eigentlich musikalisch überhaupt nix mit Scooter zu tun hat. Trotzdem hat es irgendwie funktioniert, und selbst einige Fans fanden es toll, auch wenn viele sich vielleicht denken: 'Was soll das jetzt?' Oder: 'Das verstehe ich nicht.' Aber das machen wir dann einfach. Man würde es vielleicht nicht unbedingt als Single rausbringen. Aber man hat doch genug Spielraum bei der Album-Produktion.

Danke. "Second Skin" wäre ohnehin mein nächster Stichpunkt gewesen. Mein Kollege Michael Schuh besitzt tatsächlich ein Celebrate The Nun-Album ...

(Raunen im Raum) H.P.: Aha!

Rick: Das ist ja heiß.

Ich weiß nicht, wie viele davon verkauft wurden. Arg viele können es ja nicht gewesen sein ...

H.P.: Nee. Das ist wirklich selten, dass man da mal ein Exemplar zu Gesicht bekommt. In Autogrammstunden verirrt sich hin und wieder 'ne alte Maxi. Aber das ist echt selten.

Okay, aber unsere Synthie-Windel hat eins, und der meinte: 'Frag ihn: Wie schwer war der Schritt von melancholischem Synthie-Pop hin zu Happy Hardcore-Phrasendrescherei?'

H.P.: Ja, das war einfach auch so ein Zeitgefühl. Irgendwann war diese New Wave-Synthiepop-Zeit einfach vorbei. Und wir waren mit Celebrate The Nun sowieso recht spät dran. Da war das meiste eigentlich schon gelaufen, deswegen ist auch der Erfolg nicht so richtig gekommen. Und dann ging das parallel los, während wir noch Celebrate The Nun waren, dass ich privat schon eher so Acid House gehört habe. Dann kamen irgendwann die ersten Techno-Geschichten auf, und dann war irgendwann klar, dass wir mehr in diese Richtung gehen. Alles weitere hat sich dann zum Teil auch durch Zufall ergeben.

Wärst du denn nicht lieber als Gesicht der deutschen Depeche Mode in die Musikgeschichte eingegangen als als der Schreihals mit dem Megaphon und dem blonden Bürstenhaarschnitt?

H.P.: Naja, das war zu der Zeit sicherlich mein Ziel, so in den 80ern. Aber als man irgendwann merkte, das funktioniert alles nicht, da hat man sich die Frage gar nicht mehr gestellt. Es hat sich so ergeben, und ich fühl' mich da eigentlich ganz wohl, in der Situation.

Bei "Second Skin" auf "Under The Radar Over The Top" hab' ich mir damals gedacht: Entweder sind sie jetzt altersmilde geworden, oder es ist so ein back to the roots-Gefühl, das da ausgelebt wird.

H.P.: Nö. Eigentlich war das eher so, dass wir zu der Zeit hauptsächlich, auch privat, Hardstyle gehört haben. Diese ganzen holländischen Sachen. Und das so als Kontrast zu dem, was sonst so in der Dance-Szene stattfand, eigentlich ganz cool fanden. Leider waren wir da (Gelächter aus dem Hintergrund) so ein bisschen allein auf weiter Flur, hatten nicht so den durchschlagenden Erfolg, aber gut. Is' ja auch nicht so schlimm. Beim nächsten Album wirds auch wieder ganz anders, und ... mal kucken.

"Um anzugreifen, muss man auf Augenhöhe operieren"

Na, ich bin gespannt. Ich glaub', ich grusele mich auch deswegen weniger vor Scooter als manch anderer hier, weil ich euch Anfang der 90er komplett verpasst habe. Ich hab' "Hyper Hyper" das erste Mal '98 oder '99 bewusst gehört - und zwar in einem knüppelharten Drum'n'Bass-Set.

(Gelächter. Überhaupt sehr fidel, die Jungs. Das könnte sich gleich ändern ...)

Unsere letzte Scooter-Schlagzeile auf laut.de lautete "H.P. Baxxter posiert mit Nazi-Band" ...

H.P.: (Unterbricht) Das ist ja auch wieder so ein Dilettantismus des Journalismus', weil das ist ja völlig haltlos und ohne jeglichen Sinn entstanden. Das war ja nur, weil irgendwelche Leute im Flieger von Moskau nach Hamburg unter 80 weiteren Gästen nach einem Foto gefragt haben. Wir haben das gemacht, völlig ohne zu wissen, wer das ist und was die machen oder so. Und dann wurde noch irgendein Bild mit so 'ner Fotomontage ins Netz gestellt ... Das war ja ...

Ich muss zu unserer Ehrenrettung anmerken, dass wir im Artikel den Sachverhalt schon richtig dargestellt haben. Unsere Leser haben uns in den Kommentaren für die Überschrift aber in der Luft zerrissen ...

H.P.: Okay.

Ärgert dich das nur, wenn du liest "Baxxter posiert mit Naziband", oder erkennst du irgendwo schon die journalistische Notwendigkeit an, dass wir in einer Überschrift nicht schreiben können: "H.P. Baxxter posiert versehentlich mit Typen, von denen er nicht wusste, dass sie in einer Naziband mitmischen"?

(Gelächter) H.P.: Ähem ... Ich weiß nicht. Ich finde ... mir ist das zu reißerisch, irgendwie. Es ist natürlich ärgerlich, weil es Quatsch ist, aus meiner Sicht. Das war ja einfach ein Zufall. Ich weiß nicht, ich seh' da keine Story.

Rick: Das Problematische ist eben: Weißte, du machst ständig Fotos. Die Typen hatten keinerlei jetzt für uns erkennbare Nazi-Symbole. Die hatten keine 88 auf den Arm tätowiert. Die hatten keine Hakenkreuze. Da war nichts, woran man irgendwie hätte erkennen können ...

H.P.: Und selbst wenn! Da achtest du doch nicht drauf, wenn ständig einer kommt, hier ein Foto, da ein Foto ...

Rick: Der Pilot hat für H.P. ein Bild gemalt, in dem Flugzeug. Das weiß ich noch, das haben wir dann auf Facebook gepostet. Das war eh ein verrückter Tag. Das hat man dann natürlich nicht in der Hand, zu verhindern, dass dann irgendwann einer neben uns steht, der eine Gesinnung hat, die nun gar nicht unserer entspricht.

Glaub' ich sofort, dass das jederzeit passieren kann. Aber ich steh' dann jetzt mal trotzdem auf der Gegenseite und sage, dass die Geschichte davon, wie es dazu kommen konnte, mit einer reißerischen Schlagzeile aufgemacht eben ungleich mehr Leute lesen.

Rick: Ja, klar.

H.P.: Aber das ist ja das Problem unserer Zeit, dass es gar nicht mehr darum geht, was war wirklich, sondern nur darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhaschen auf Kosten irgendwelcher Leute. Das find' ich halt vom Ding her unseriös.

Uns wurde Bild-Zeitungs-Niveau unterstellt.

H.P.: Is' ja auch so. (Lacht.)

Was Überschriften angeht, ist die Bild-Zeitung für mich auch nicht das abschreckendste Beispiel. Irgendwas machen die schon auch richtig. Musst du ja auch finden: Warst du nicht bei dieser Bild-Kampagne dabei? "Bild' dir deine Meinung"?

H.P.: Ja, da war ich auch dabei.

Judith Holofernes, die Sängerin von Wir Sind Helden, hat einen ziemlich geharnischten Brief geschrieben, als sie dafür angefragt wurde ...

H.P.: (Unterbricht) Ja, weil von der auch kein Mensch mehr was wissen will! Das ist für mich auch unseriös! Das hätte gar keiner gemerkt, dass die das abgesagt hat. Das hab' ich auch nicht verstanden.

Sie hat ja auch gut über die Leute, die dabei mitmachen, vom Leder gezogen. Hast du dich in irgendeiner Weise angegriffen gefühlt?

H.P.: Nö. Da muss man schon auf Augenhöhe operieren, damit ich angreifbar bin.

In eurem Statement zu der Geschichte mit der Nazi-Band hast du geschrieben: "Es ist unfair. Wir haben nie etwas mit Politik zu tun gehabt." Ich geh' jetzt aber schon davon aus, dass ihr wie auch immer geartete politische Ansichten pflegt.

H.P.: Ja, aber die brauch' ich doch nicht jedem rausposaunen. Ich trenne das strikt, weil ich nichts schlimmer finde, als wenn Leute, die in der Musik erfolgreich sind, glauben, sie könnten plötzlich die Welt verbessern und machen auf heiliger Samariter wie Bono, zum Beispiel. Das finde ich ekelhaft und ich möchte sowas nicht.

Aber juckt es einen nicht manchmal, wenn man eh schon ein Megaphon in der Hand hat, seine Macht auch mal auszunutzen?

H.P.: Nee. das sind zwei Paar Schuhe. Außerdem machen wir ja Party-Musik, Dance-Musik, positive Musik, da passt das auch nicht hin. Wenn mir mal irgendein Thema am Herzen liegt oder ich werde gefragt, dann sag' ich auch, dass ich es scheiße finde, dass das Rauchverbot jetzt überall eingeführt wurde oder was einen wirklich nervt. Aber das würd' ich auch so sagen. Ich muss nicht irgendwie politische Tendenzen oder Meinungen kund tun oder mich vor irgendeinen Karren spannen lassen.

Du findest also, Engagement ist Privatsache.

H.P.: Joa. Man kann ja gerne irgendwelche Sachen supporten. Aber man muss das nicht so an die große Glocke hängen und das dann ausnutzen.

"Dem Raab trau' ich Einiges zu!"

Supportest du etwas?

(Lacht.) Hin und wieder.

Zum Beispiel die aktuelle Nummer 1 in den deutschen Kino-Charts - "New Kids Turbo".

H.P.: Naja, das ist ja eher so eine Kooperation, wo eine Hand die andere wäscht.

Was erhofft ihr euch davon, da mitzumischen? Oder war das einfach Spaß?

H.P.: Klar ist das auch eine Art PR, jetzt, wo es bei uns losgeht, mit neuer Single, neuem Album, dann auch mal den Titelsong zu so 'nem Film zu haben. Und auch die Zusammenarbeit mit dem Video, das ja echt witzig geworden ist. Ich fand das jetzt völlig okay.

Ging die Initiative dazu von eurer Seite aus?

H.P.: Nee, wir wurden von dem Filmverleiher, Constantin Film, angesprochen, ob wir das für Deutschland machen würden. In Holland war das ja Paul Elstak, und da meinten die, das sei naheliegend, dass wir das machen, weil das so 90er-mäßig ist. Der ganze Film spielt ja somewhere in the nineties, und deswegen sind die da auf uns gekommen.

Der Film zielt aber schon eher in die Klamauk-Richtung. Fühlt ihr euch wohl in dieser ... komödiantischen, prolligen Ecke?

H.P.: Nein! Am Anfang, als ich die ersten Ausschnitte gesehen hab', da dachte ich auch: Was'n das für'n Scheiß? Wenn man sich aber ein bisschen mehr damit befasst, dann versteht man auch den Humor, der in Deutschland natürlich nicht so publik ist. In Holland hat das Ding ja so 'nen Rembrandt-Award, das ist der holländische Oscar, gekriegt, als der erfolgreichste holländische Film aller Zeiten. Da muss schon irgendwas dran sein. Auch die Leute, die das produziert haben, sind ja eigentlich ganz coole Typen. Das ist eine Persiflage auf diese Vokuhila-Menschen, die es ja überall gibt. Oder gab. Das ist halt völlig überzogen. Viele verstehen das nicht. Ich glaube, es ist eher Unverständnis, warum einige das ablehnen. Es geht ja nicht um eine Glorifizierung des Prolls, sondern eigentlich wird genau das völlig ad absurdum geführt.

Echt?? Ich hab' den Trailer gesehen und dachte mir: Meine Güte, is' schon wieder 'Manta, Manta'?

Rick: Nee, eben genau das ist es nicht. Wir haben einige Episoden [der TV-Serie 'New Kids'] gesehen und Ausschnitte aus dem Film - den Film komplett haben wir noch nicht gesehen: Es ist ein Kult dahinter. Wie H.P. schon gesagt hat: Diese Charaktere persiflieren den tumben 90er-Jahre-Dorfbewohner, der alles, was man so uncool findet, plötzlich für supercool und wichtig hält, der schaulustig ist, stargeil ... Diese ganzen Stereotypen werden da einfach so persifliert und überspitzt dargestellt. Das ist das, was diese Serie, die dem Film zugrunde liegt, so erfolgreich gemacht hat.

Überspitzung ist ein Stilmittel, mit dem ihr euch bei Scooter bestens auskennt.

H.P.: Na, klar. Wir haben ja schon bei der allerersten Single Stadion-Zuschauer reingemischt. So als wenn wir schon seit zwanzig Jahren top wären. Das war das Debüt - völlig überzogen! Da haben alle gefragt: 'Wo habt ihr das denn aufgenommen? Da muss ja tierisch was los gewesen sein!' (Allgemeines Gelächter) Dabei haben wir da nur irgendwelche Live-Stadion-Zuschauer gesamplet und mit ins Stück reingemischt.

Gerade in euren Anfängen habt ihr ja auch ganz schön Gegenwind bekommen von den ... ich nenn' sie mal 'Stars der Szene', die ihr in "Hyper Hyper" hofiert habt. Hat das weh getan?

H.P.: Zu dem Zeitpunkt damals schon, weil man das selber eigentlich gar nicht verstanden hat. Oh, Mann, das ist ja schon so lange her, das ist ja schon bald nicht mehr wahr! Zumindest hat man damals die Absicht gehabt ... ach, das war einfach ein Gag! Seine eigenen Lieblings-DJs so zu grüßen, wie in dieser Techno-Sendung von Steve Mason immer die Hörer gegrüßt wurden. Dadurch ist das entstanden. Der hat immer gesagt: 'Big shout to so-und-so', an alle Hörer, die ihm geschrieben haben - und da haben wir eben gesagt, oder ich: 'Big shout to ...', und dann eben die ganzen DJs aufgezählt.

Rick: Ich kann mir auch vorstellen, dass der eine oder andere sich geschmeichelt gefühlt hat.

Aber zugeben wollte es keiner.

(Gelächter)

Jetzt steht wieder der Eurovision Songcontest vor der Tür. Ihr seid 2004 beinahe dort gewesen. Wie bitter war es, an Max Mutzke abzutropfen?

H.P.: Och, ich muss sagen, wir hatten ja eh nicht damit gerechnet, so weit zu kommen und waren eigentlich echt happy. Logisch, in dem Moment dachte man: Wär' ja witzig, wenn das klappt. Aber im Nachhinein, wenn man das ganze Theater beobachtet, waren wir ganz froh mit unserem zweiten Platz.

Hätte, wäre, wenn: Hättet ihr besser abgeschnitten?

H.P.: Pffft, keine Ahnung. Das kann man im Vorfeld immer schwer sagen. Weiß ich nicht. Kann man nicht sagen.

Würdet ihrs nochmal versuchen?

H.P.: Nein! Das hat sich ja so ergeben. Das wurde damals alles von VIVA in die Wege geleitet. Da war ja auch Westbam dabei und ... dings ... Setlur und diverse erfolgreiche Acts aus Deutschland. Nur in diesem Rahmen ist das ja überhaupt entstanden. Ich glaub', sonst hätten wir das eh nicht gemacht.

Das heißt, wenn jetzt der Raab zu euch käme und sagt: 'Ey, hier, Scooter, würdet ihr noch mal ...?' - würdet ihr noch mal?

H.P.: Weiß ich nicht. das hängt immer davon ab. Also, Raab is' ja witzig. Und wenn der 'ne Idee hat oder so ... weiß man nicht. Kann man schwer sagen. Jetzt so ad hoc würde ich eher sagen: nicht.

Einmal tippen: Wie stehen die Chancen für Lena?

H.P.: Ich bin da skeptisch, ob man diesen Erfolg wiederholen kann. Aber dem Raab trau' ich Einiges zu. Von daher wär' ich da vorsichtig mit irgendwelchen Prognosen.

Die Google-Prognose führt sie tatsächlich wieder als Titel-Anwärter.

H.P.: Echt?

Yepp. Aber ich tippe nicht mehr, ich lag letzten Jahr schon komplett daneben. Statt dessen mag ich lieber noch was für meine Hip Hop-Leserschaft fragen. Ich weiß nicht, ob irgendjemand von euch in irgendeiner Weise Hip Hop-affin ist?

Michael Simon: Äh ... also, also ... (lacht) Nicht so wirklich.

Mich beschlich in den letzten Jahren schon öfter das Gefühl, dass sich vieles vom Hip Hop weg in die Elektro- oder die Spaß-Party-Richtung bewegt.

Michael: Ich glaube, das ist auch leider ein Fehler der DJs gewesen. Ich hab' früher ein bisschen Hip Hop aufgelegt, als DJ. Es gab schon viele Sachen. Aber wenn du dann weggehst, haben die DJs immer nur die Sachen gespielt, die im Fernsehen laufen und was man so kennt, so Mainstream-mäßig. Ich glaube, dem Hip Hop fehlte so ein richtig ernst zu nehmender Underground wie in der Dance-Szene. Die Grundlage für den Hip Hop hat so ein bisschen gefehlt, bin ich der Meinung. Zumindest in Deutschland, bei den DJs. Einfach nicht das spielen, das im Mainstream passiert. In der Dance-Szene hat das funktioniert: Das kam aus dem Underground, und das greifen die ganzen großen Stars jetzt auf.

Ich glaub' eher, im Hip Hop ist gerade vieles, das früher spannend war, nicht mehr ganz so spannend, weil es jetzt so viele machen. Jeder und deine Mudder rappt, Deswegen sucht man wieder neue Ufer - und dreht dabei verstärkt am Elektro-Rad. Ich denk' nur an Deichkind oder die unsäglichen Atzen ... Fühlt ihr euch dieser Richtung verbunden? Seid ihr da vielleicht sogar Trendsetter gewesen?

H.P.: Schwer zu sagen.

Michael: Trendsetter sicher nicht. Ich finde es aber interessant. Ich finde, es ist für uns und die ganze Szene eine tolle Entwicklung, dass sich alles so ein bisschen aufeinander zu bewegt hat. Gerade im Dance-Bereich gabs ja ein paar Jahre, wo das sehr geschwächelt hat. Jetzt sind aber die ganzen neuen fitten Kiddies am Start, die frische Ideen haben. Daraus ist der Sound eben entstanden. Find' ich auf jeden Fall eine tolle Entwicklung.

Scooter ist auf jeden Fall ganz unbestritten Mainstream. Nachdem inzwischen sogar DSDS-Kandidaten im Casting Scooter-Songs vortragen ...

(Allgemeines Gelächter) Rick: Wir haben diesen Typen kennengelernt. Das ist ein riesen Scooter-Fan. der konnte auch gar nicht so richtig was dafür, der ist da ziemlich vorgeführt worden. Der ist eigentlich ...

H.P.: (Unterbricht) Aber das ist doch ein Vollpfosten!

Rick: Ja, klar!

H.P.: Also, ich kenn' den nicht. (Erneutes Gelächter)

Man kann sich seine Fans eben nicht aussuchen. Erschrickt man manchmal?

H.P.: Manchmal schon. (Lacht) Da will ich mich besser nicht zu äußern.

Na, gut. Da wir hier am Bodensee über die Preise bestens informiert sind, frag' ich nicht, was der Fisch kostet. Wenn ihr mal in der Gegend seid, schaut vorbei. Wir verraten es euch dann. Vielen Dank für die Ausdauer und die Auskunftsfreude.

Im Chor: Alles klar! Schönen Abend.

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