laut.de-Kritik
Trotz des miesen Wetters: Zeit zum Luftholen blieb kaum.
Review von Michael EdelePfingsten ist vorbei, das Wetter immer noch mittelprächtig bis beschissen und die Schmerzen im Nacken und den Knien lassen auch so langsam wieder nach.
Das Rock Hard Festival 2005 liegt hinter uns und abgesehen von ein paar kleineren Mängeln, die sich im dritten Jahr der Veranstaltung eingeschlichen haben, war es auch dieses Mal ein voller Erfolg!
Freitag, 13. Mai 2005:
Nachdem raus war, dass Abandoned den SIMevil Bandwettbewerb gewonnen hatten, war klar, dass Kollege Fischer und meine Wenigkeit schon am Freitag vor Ort sein müssen. Da parallel zum Festival am Samstag aber auch das Lokalderby zwischen Schalke und Dortmund ansteht, sind bezahlbare Hotelzimmer nicht mehr zu haben. So greifen wir auf die private Zimmervermittlung zurück, die uns mit einer netten, älteren Dame in eine Wohnung steckt, die extra aus Cottbus angereist ist, um sich das Rock Hard Festival zu geben und vor allem Accept live zu sehen.
Dank diverser Staus auf der (Stadt-) Autobahn bekommen wir von Regicide leider nichts mehr mit und auch Sunride sind nur leidlich interessant. Kaum stehen aber die Abandoned-Jungs auf der Bühne, sieht das Bild schon ganz anders aus. Die Fläche vor der Partystage ist rappelvoll und das Publikum geht schon beim ersten Song steil. Kalli, Günt, Holg und Konny können es kaum fassen, lassen es aber entsprechend krachen und wohl nicht nur mein Kollege und ich wünschen uns 'nen Fotograben. Nichts gegen Pogo und Stagediven, aber meine Nieren massiere ich mir lieber selbst und im Genick brauche ich die Diver auch nicht. Nächstes Jahr also ab mit Abandoned auf die Hauptbühne.
Dass die Ladies von Girlsschool von der Power her da nichts mehr entgegensetzen können, war klar, doch auch die vier Engländerinnen motivieren noch eine beträchtliche Anzahl an Zuschauern. Der Heavyrock des Quartetts hat zwar seine beste Zeit schon hinter sich (wie die Mädels wohl auch, mag ein böser Mensch behaupten), aber um den Abend mit ein wenig Gerstentee ausklingen zu lassen, isses genau richtig.
Samstag, 14. Mai 2005:
Das Wetter lädt zwar auch am Samstag nicht unbedingt zu kurzen Hosen und T-Shirt ein, jedoch regnet es wenigstens nicht. Dass Communic mit "Conspiracy In Mind" ein erstklassiges Debüt eingespielt haben, hat sich wohl rumgesprochen, denn der Opener tritt vor einer schon recht beträchtlichen Menschenmenge auf. Sänger/Gitarrist Oddleif Stenslard spielt nicht nur obergeniale Riffs und Leads, sondern bringt seinen Gesang ebenfalls sehr souverän rüber. Zwar ist ein Keyboarder mit dabei, doch die Gitarrenparts spielt Oddleif alle selbst.
Als nächstes steht Metalcore mit Heaven Shall Burn an, die auf Sänger Marcus verzichten müssen und stattdessen Maroon-Fronter Andre Moraweck kurzfristig verpflichtet haben. Der macht seinen Job ausgesprochen gut und liefert ein paar herrlich fiese Shouts zu den kräftigen Riffs der restlichen Heaven Shall Burn-Mucker. Die Jungs haben alle sichtlich viel Spaß auf der Bühne und nutzen ihre knappe Stunde Spielzeit, um vielleicht ein paar neue Fans für ihren Sound zu begeistern.
Mit Ensiferum ist danach finnischer Battle Metal angesagt und trotz recht frischer Temperaturen präsentieren sich die ersten Bierplauzen. Der Cowboyhut von Sänger/Gitarrist Petri Lindroos passt zwar nicht so ganz zum eigentlichen Wikinger-Image der Band, doch musikalisch ist alles im Lot. Die Erfahrungen der Tour mit Graveworm und Communic merkt man der Band doch an, auch wenn sich die Keyboarderin vielleicht ein bisschen weniger gelangweilt geben sollte.
Die Vollbedienung, die The Haunted dann abliefern, ist fast nicht von dieser Welt. Während Jensen den Coolnessfaktor immens nach oben schraubt, sind die Bjorler-Brüder für die Feinarbeit und Sänger Peter Dolving fürs Grobe, sprich die Action zuständig. Der Frontmann hat nicht nur eine erstklassige Stimme, sondern auch jede Menge Humor und einen immense Power. Doch nicht nur die heftigen Thrasher bringt der Kerl souverän, auch eine melodische Nummer wie "Abysmal" besteht er live ohne Probleme. Die Stunde Spielzeit vergeht so wie im Flug und das Publikum hätte gern noch mehr gehabt.
Da haben es Samael nachfolgend entsprechend schwer, den Stimmungspegel zu halten, was natürlich nicht funktioniert. Vorph und Co. machen an sich nichts falsch und haben auch zahlreiche gute Nummern im Gepäck, nur funktioniert der Sound der Schweizer einfach am besten im Dunkeln, bei entsprechender Lightshow und wer gerade ein Thrashgewitter um die Ohren bekam, kann danach mit einem Drumcomputer recht wenig anfangen. Samael machen das beste aus dem Gig und schaffen es entsprechend, und wohl nicht nur unsere Zimmernachbarin, positiv zu überraschen.
Sonata Arctica kamen wohl nicht zuletzt dank des Rock Hard Votings ins Billing rein, waren aber, den Publikumsreaktionen nach zu urteilen, keine wirklichen Favoriten. Die zweite finnische Band des Tages präsentiert zwar auch ein solides Set, setzt aber zu keiner Zeit irgendwelche Glanzpunkte oder Standards. Irgendwie zieht der Power Metal der arktischen Sonaten zu sehr an einem vorbei, was ein nicht geringer Teil des Publikums wohl ähnlich sieht und sich das Ganze lieber von den Rängen aus betrachtet.
Diese leeren sich aber ganz schnell, als die nächsten Wikingerplauzen auf der Bühne auftauchen. Amon Amarth wirken wie ein Magnet und ziehen Heerscharen von Besuchern vor die Bühne, wo sie ihnen ihren Death Metal um die Ohren blasen. Die Schweden um den Wikingerprototypen Johan Hegg fahren ein Mörderset und lassen zu keiner Sekunde einen Zweifel aufkommen, wer den Viking Metal-Thron beansprucht. Selbst ohne großartige Lightshow sind die Schweden eine absolute Macht und walzen mit ihrem Sound alles platt. Die Mischung der Songs stimmt auch, und spätestens beim "Death In Fire" wissen Amon Amarth die komplette Meute hinter sich.
Das stört Alexi Laiho und seine Children Of Bodom aber nur wenig. Die letzten Finnen am Samstag wissen ganz genau, dass sie sich auf ihre Fans verlassen können und gehen entsprechend entspannt auf die Bühne. Wer auf Kommunikation mit dem Publikum wartet, ist auf der falschen Baustelle. Hier herrscht pure Spielfreude und ganz großes Posen. So kennt man die Children, so liebt man sie. Spieltechnisch gibt es bei den Jungs eh nichts zu meckern und so reißen Alexi (der sich von seinem Armbruch offensichtlich gut erholt hat) und Keyboarder Janne Warman wieder zahlreiche, exzellente Soli runter, als wäre es das natürlichste der Welt. Dass Zweitklampfer Roope eigentlich auch kein Schlechter ist, vergisst man dabei immer wieder leicht. Mit "In Your Face" gibt es auch noch einen neuen Song vom demnächst erscheinenden "Are Your Dead Yet?"-Album zu hören und nach 75 Minuten ist Schicht im Schacht.
Dann ist es Zeit für den Headliner des Samstags, denn der Mountain King wird auf die Bühne gerollt. Was der Kerl inzwischen für einen Leibesumfang hat, stellt die komplette Rock Hard-Belegschaft in den Schatten und hat wohl inzwischen seine eigene Postleitzahl. Dass er sich live, und vor allem als Headliner, nicht nur auf das Material von "Tage Mahal" verlassen würde (wovon es sogar kaum ein Track auf die Liste schaffte), war klar. Mit dem Savatage-Klassiker "Gutter Ballet" in das Set einzusteigen ist aber schon heftig. Ruht Oliva beim Opener noch als Berg in sich selbst hinterm Keyboard, so bringt er anschließend seine Zentner sogar in Bewegung. Musikalisch bereitet ihm seine Hintermannschaft eine erstklassige Unterlage, auf die er auch gekonnt aufbaut. Leider ist der Mann voll wie 'ne Strandhaubitze und faselt zwischen den Songs relativ viel und unbedeutendes Zeug. Dadurch verschenkt der Fleischklops nicht nur einiges an Spielzeit, sondern verscherzt sich auch zahlreiche Sympathien. Entsprechend gehen die Reaktionen des Publikums auseinander. Während die einen sich einfach darüber freuen, ein paar Savatage-Klassiker noch mal live zu hören, reden die anderen von Egomanie und Demontage der eigenen Legende. Die Wahrheit liegt wohl wieder irgendwo dazwischen.
Sonntag, 15. Mai 2005:
Da das Wetter am Morgen alles andere als einladend ist und die Temperaturen auch eher im einstelligen Bereich liegen, zögern wir etwas, aus dem Haus zu gehen und verpassen somit leider die Gelegenheit, von Hellfueled ein paar Fotos zu schießen. Fronter Andy Alkman macht stimmlich den Ozzy und auch die Licks von Jocke Lundgren klingen schwer nach Zakk Wylde. Ihre Openerfunktion haben die Schweden jedenfalls perfekt erfüllt.
Direkt im Anschluss folgen die Landsmänner Wolf, die mit ihrem Sound, der perfekt in die "NWOBHM"-Ära gepasst hätte, auch für recht gute Laune sorgen. Sänger Niklas Olsson ist zwar nicht ganz bei Stimme, hat das Publikum aber dank seiner sympathischen Art schnell auf seiner Seite. Im Posen sind die Kerle auch ganz groß, auch wenn die Rotzbremse von Basser Mikael schon beinahe ins Museum gehört. Wer aber auf Sounds der älteren Iron Maiden steht, kommt an Wolf nicht vorbei.
Threshold waren schon beim allerersten Rock Hard Festival dabei, mussten dort aber kurz nach Beginn wieder abbrechen, da es in Strömen zu regnen begann. Dieses Jahr bleibt der Regen aus und die Band zeigt, dass sie musikalisch verdammt viel auf dem Kasten hat. Sänger Mac ist ständig in Bewegung, könnte aber in bester Rob Halford-Manier mal 'nen Teleprompter brauchen, da er nicht nur einmal den Text vergisst und auch gesanglich schwer improvisieren muss. Der Zuschauerraum füllt sich zwar im Laufe des Konzerts immer mehr, am Verfasser dieser Zeilen zieht der Sound live aber mindestens genauso vorbei, wie auf CD.
Ganz und gar nicht an einem vorbei, sondern ziemlich genau auf die Nuss zielen gleich im Anschluss Unleashed. Johnny Hagel und seine Jungs haben in ihrer Geschichte ein paar der feinsten, schwedischen Death Metal-Kracher geschrieben, die sie nun durch die PA knattern lassen. Ohne großen technischen Firlefanz riffen sich die Jungs durch eine Stunde Programm und sorgen für mächtig Laune beim Publikum. Johnny versucht sich zwar die meiste Zeit im richtig evil aus der Wäsche schauen, aber seine Mitstreiter können sich das ein oder andere Grinsen nicht verkneifen.
Moment mal, bin ich auf einmal auf dem Bang Your Head gelandet, oder was machen die alten Säcke da auf der Bühne? Ach nee, das sind ja die Rock Hard-Faves von Pretty Maids. Deren Sänger Ronnie Atkins wird wohl nie Model für Faltencreme, hat aber als Frontmann noch einiges auf dem Kasten. Die Dänen können auf ein großen Repertoire an Klassikern zurückgreifen und geben sich selbstsicher und souverän auf der Bühne. Allein die Tatsache, dass sich keiner von ihnen bei der Autogrammstunde einfindet, trübt den guten Eindruck nachträglich etwas.
Auf Masterplan bin ich dann wirklich gespannt, vor allem weil ich mit dem Material der Band überhaupt nicht vertraut bin. Die Deutsch-Norwegische Connection kann vom ersten Ton an mit jeder Menge Spielfreude überzeugen und vor allem Jorn Lande präsentiert sich nicht nur als hervorragender Sänger, sondern auch als Poser vor dem Herrn. Das scheint auch Petrus gut zu gefallen, denn auf einmal zeigen sich sogar ein paar Sonnenstrahlen. Masterplan selbst verbreiten eine Stunde lang gute Laune und machen eindeutig klar, dass man von dieser Band noch öfters hören wird.
Haben am Tag zuvor noch Amon Amarth auf der drittletzten Position ein musikalisches Gewitter entfacht, so kommt diese Aufgabe heute Overkill zu. Die New Yorker kommen, sehen und räumen ab! "We came to shred" hat einen Auftritt noch nie so exakt beschrieben wie heute. Verstärkt um Ex-Hades Drummer Ron Lipnicki, der den vor kurzem erst ausgestiegenen Tim Mallare ersetzt, knallt das Quintett um Blitz und D.D. Verni einen Thrasher nach dem anderen unters Volk. Zeit zum Luftholen bleibt kaum. Blitz scheint jedes Jahr noch fitter und durchtrainierter zu sein und seine Sidekicks riffen sich mit traumwandlerischer Sicherheit durch manchen Klassiker der beinahe 25-jährigen Bandgeschichte. Als vor dem obligatorischen Rausschmeißer "Fuck You" auch noch das geniale "Old School" ertönt, steht der heimliche Headliner des diesjährigen Rock Hard Festivals nicht nur für mich fest.
Nach dieser Thrash-Harke ist es erst einmal Zeit für Melancholie und zwar nicht nur, weil Sentenced diese in ihren Songs par excellence fabrizieren, sondern auch, weil es sich heute um eines der Abschiedskonzerte der Band handelt. Frontförster Ville ist am Tag zuvor schon hackebreit durch die Gegend gewackelt und hatte dabei eine Stimme wie seit drei Tagen tot. Davon merkt man ihm auf der Bühne kaum was an, hier ist er in seinem Element. Mit den typischen Anleitungen zum Selbstmord und ein paar neuen Hassliedern vom demnächst erscheinenden "Funeral Album" geben die Finnen einen Querschnitt durch ihre Schaffensphasen, wobei nur die ersten beiden Alben zu kurz kommen. Sorry Jungs, aber 75 Minuten sind einfach viel zu kurz, um sich anständig und für immer zu verabschieden. Ich nehme mal an, nicht nur ich hatte einen Kloß im Hals, als sich Ville und Co. nach getaner Arbeit mit den Worten: "Take care folks, see you never!" von der Bühne machen.
Viel Zeit zum Trauern bleibt jedoch nicht, denn das Großereignis des Festivals steht an. Zwar lassen sich Accept etwas mehr Zeit, um auf die Bretter zu kommen, aber als nach dem Intro die ersten Pyros hochgehen, herrscht sogar im Fotograben ein Hauen und Stechen. Frontzwerg Dirkschneider tritt im langen Ledermantel und mit Sonnenbrille auf, singt immer noch wie vor 20 Jahren und genießt es sichtlich, die Menge im Griff zu haben. Ihren Spaß haben mit Sicherheit auch Wolf, Gerhard, Peter und Stefan, denn wenn wir von Posen sprechen, sind hier die ganz Großen am Werk. Was die Setlist angeht, gibt es eigentlich kaum Grund zur Klage (ok, "Winter Dreams" in der Zugabe war wohl für'n Arsch) doch ein bisschen mehr Kommunikation mit dem Publikum wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Trotzdem wird man als Fan nicht enttäuscht und auch wenn man nicht zu den treuesten Anhängern der Solinger gehört, kann man der Show und vor allem den Songs einiges abgewinnen. Mit "Balls To The Walls" machen sie den Sack zu und entlassen die Metalheads in die Nacht.
So geht auch das dritte Rock Hard Festival zu Ende, welches zwar ein paar mittelprächtige, dafür aber auch ein paar erstklassige Bands auf die Bühne brachte. Organisatorisch waren dieses Mal zwar einige Mängel dabei (Das Presse/VIP-Zelt platzte beinahe aus den Nähten und der Fotograben war maßlos überfüllt) aber auch im nächsten Jahr werden wir wohl wieder vor Ort sein. Mit Brainstorm, Bolt Thrower und Soilwork haben auch schon drei Bands definitiv zugesagt und der Termin an Pfingsten steht auch. Um es also (fast) mit den Worten von Ville zu sagen: Take care, folks, see you next year!
Fotogalerien zu allen Bands gibt es bald im jeweiligen Artistportal.