laut.de-Kritik
Spoiler-Horst meets Lovah-Lovah - wer hat den größten Auspuff?
Review von Tobias KrausBodenseefähre Konstanz-Meersburg: Ich bin auf dem Weg zum einzigen Shaggy-Konzert in Deutschland. Dieses findet in Friedrichshafen statt, und weil das nicht gerade mein Barrio ist, folge ich einfach ab der Anlegestelle Meersburg dem metallic-blauen Golf mit Böblinger Kennzeichen. Der ist verdammt tiefgelegt, hat einen tollen Auspuff, super Felgen, fette Schlappen und beherbergt drei Solarium-Boys. Wenn die mich nicht direkt bis zum Parkplatz vor die Halle lotsen, fress' ich einen Besen. Denn Shaggy tritt im Rahmen der "Bodensee Tuning World 2004" auf - Spoiler meets Lovah-Lovah, wir ham' den größten Auspuff!
Eine halbe Stunde später: Die Jungs im Golf haben zielsicher das Messegelände angesteuert, und schon vor dem Parkplatz empfangen mich geparkte Vehikel, die aussehen wie aus "Spoiler-Report 3": Neonfarbe, Flämmchen, Chrom satt und mit dem Bodenschweller so nah am Asphalt, dass der Fifi bei Tempo 185 Spaghetti von der Straße frisst. Weniger Bodenabstand als 110 mm ist dem Ordnungshüter aber doch zu wenig. Und so werde ich Zeuge, wie die Krabbelgruppe der örtlichen Polizei um die Cars robbt und alles ganz genau vermisst. Für mich als Fahrer eines schwedischen Kombi eher ungewohnt, aber durchaus drollig.
Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn um 20 Uhr ist der Besucherzuspruch in der Halle noch überraschend mau. Facettenreich jedoch ist die Zusammensetzung des Publikums. Karibik-Horst, Tuning-Mike, Ausdruckstanz-Brigitte, Teenie-Girls mit Vati, Felgen-Promo-Schnecken, Jamaica-Top-Trägerinnen, alles am Start. Ohnehin könnte man fast meinen, schwarz, gelb und grün seien neuerdings die Corporate Colours einiger Modelabels aus dem Freizeit- und Sportbereich. Als Shaggys Band um viertel nach acht die Bühne betritt, sind immerhin geschätzte 2.000 erwartungsfrohe Fans in der Halle. Dem obligatorischen Riddim-Medley folgt die Frage, ob alle Mädchen bereit seien für den "Mr. Lovah-Lovah", den "Mr. Boombastic", den "One And Only Shaggy". Unüberhörbar sind sie das, und so kommt er auf die Bühne geschlendert, steckt sich erstmal das Mikro in die Hose und übt sich ein bisschen im Luft-Poppen.
In den kommenden zwei Stunden liefert er die Show eines routinierten Vollprofis ab, der ganz genau weiß, wann und wo er was zu tun hat. Chartbreaker und Classics wie "Boombastic", "It Wasn't Me", "Oh Carolina" oder "Strength Of A Woman" sind exakt so im Set verteilt, dass Shaggy dem Chart-Hörer auch unbekanntere Tunes wie "Big Up" oder "Hot Gal" darbieten kann, ohne dass die Stimmung abflaut. Nicht weniger routiniert übernimmt Shaggys Kollege Rayvon seine Parts. Mit dem treibt er natürlich auch die üblichen Stimmungs-Spielchen: "Meine Seite im Publikum ist lauter als deine!" oder "Hey Rayvon, come on, wir holen mal ein paar sexy, german Girls auf die Bühne." Der Offerte folgt ein Kreischen: "Ja, ja, ich, ich!" Aber aber, meine Damen! Mit Shaggy auf der Bühne dancen, während der Freund eine Halle weiter Niederquerschnittsreifen aussucht?
Aufgrund der dargebotenen Tanzkünste jedoch zu behaupten, in Friedrichshafen seien die "hottest gals and the best fans all over" vertreten, ist dann doch ein wenig dick aufgetragen vom Herrn Boombastic. Schließlich führt das Duo noch die derzeit in Jamaica beliebtesten Tänze vor. Beim "Signal Di Plane" macht das Publikum noch mit, bei "Thunderclapp" kommt man dann doch eher ins Stocken.
Nach einer Zugabe, die hauptsächlich aus einem Bob Marley-Hitmedley besteht, ist das Konzert vorbei. Die meisten Besucher machen einen durchaus zufriedenen Eindruck. Ich persönlich würde den Mann gerne mal in einem kleineren Rahmen vor richtigem Dancehall-Publikum sehen. Insgesamt war die Show eben doch zu poppig. Dass Shaggy auch ganz anders kann, bewies er jüngst mit seinen Singles "Stand Up And Fight" und "Roadblock". Beide sind im übrigen auf seinem jamaikanischen Big Yard-Label erschienen und extrem dick. Na ja, wer weiß, poppig geremixt und auf CD erhältlich, schaffen es vielleicht auch diese Tunes noch mal bis auf eine Tuning-Messe.