11. April 2006

"Live 8 war ziemlich nervenaufreibend"

Interview geführt von

Vor dem exklusiven Konzert im Kölner Prime Club nahm sich Snow Patrol-Gitarrist Nathan Connolly Zeit für unsere Fragen. Das neue Album der Briten, "Eyes Open", erscheint am 28. April.Als wir den Bus betreten, entschuldigt sich Nathan höflich für die Unordnung - sie seien hier gestern noch etwas zusammengehockt und hätten getrunken. Im Gegensatz zu den überquellenden Mülltüten im Bus sieht der Gitarrist von Snow Patrol sehr aufgeräumt auf.

Ihr habt eure neue Platte an einem recht speziellen Ort aufgenommen. Wessen Idee war das?

Das war Johnnys Idee. Unser Drummer lebt im Süden Irlands. Wir haben das Album hauptsächlich in Irland geschrieben und aufgenommen, allerdings in zwei verschiedenen Locations. Wir waren sechs Wochen - von Ende Februar bis März 2005 - in diesem kleinen Haus, das keine 100 Yards von den Klippen am Atlantik entfernt steht. Das war ein ziemlich inspirierender Ort, um ein Album zu schreiben. Anschließend gingen wir ein paar Monate auf Tour, dann nahmen wir das Album mitten in Irland auf. Das war auch ein großartiger Platz. Wir hatten eine super Zeit, während das Album entstanden ist. Das hatte etwas Besonderes. Wir sind uns als Band näher gekommen und auch selbstsicherer geworden. Unsere Zeit auf der Halbinsel Dingle war genau so wichtig für das Songwriting wie für uns als Band. Einfach mal längere Zeit zusammen sein, ohne dass permanent irgendjemand um uns rum ist. Das hat gut geklappt, was ja eigentlich das Wichtigste ist!

Hattet ihr schon Songideen, als ihr ankamt, oder sind die Songs alle dort entstanden?

Wir hatten ein paar, aber die meisten haben wir dort geschrieben. Es war wirklich großartig. Nur wir fünf in diesem Haus. Allerdings war es da verdammt kalt.

In eurem Presse-Sheet steht, dass ihr für dieses Album ruhiger werden wolltet und etwas Abstand von dem gewinnen wolltet, was in den letzten Jahren so passiert ist. Aber daraus hätte man doch auch Inspirationen für das neue Album schöpfen können?

Ja, wir wollten ja nicht die Platte ruhig machen. Sie sollte eher größer, gewagter, besser werden - was auch geklappt hat. Es ist einfach so viel passiert, wir waren die letzten zweieinhalb Jahre auf Tour. Wir wollen das nicht komplett vergessen, denn natürlich gab es da inspirierende Momente. Aber der Grund, warum wir etwas davon wegkommen wollten, war, dass wir wieder lernen mussten, wie wir zusammen Songs schreiben. Denn wir hatten seit zwei Jahren keine mehr geschrieben. Es ging uns einfach darum, unsere Köpfe für den Moment frei zu bekommen, nicht das alles komplett zu vergessen. Damit wir schreiben und mal an was anderes denken konnten. Das waren schon zwei sehr hektische Jahre.

Also schreibt ihr keine Songs, während ihr auf Tour seid?

Nein, wir können das nicht wirklich. Andere Bands machen das, das ist super, aber wir müssen für eine Weile in Ruhe zusammen hocken, bevor wir Songs schreiben können. Auf Tour hast du immer Promo, Soundcheck und so weiter. Wir müssen uns zusammen wegschließen, wenn wir Songs schreiben wollen.

Ich habe euch in Berlin gesehen, als Vorgruppe von U2. Was ist denn da passiert? Ihr konntet plötzlich nicht weiterspielen!

Ich glaube, die Amps von jemandem haben plötzlich nicht mehr funktioniert.

Ein schrecklicher Moment, wenn man vor 70.000 Menschen steht und nicht mehr weiterspielen kann, oder?

Ja, lacht verlegen, das war es. Denn da kann man nichts machen, man muss einfach warten, bis es repariert ist. Aber du darfst auch keine Angst haben, du musst einfach weitermachen. Es ist schon ein schrecklicher Moment. Vor allem, wenn du vor 70.000 Leuten stehst. Aber es war eine super Zeit, die acht Shows, die wir mit U2 gespielt haben. Man hat uns top betreut und behandelt. Am Schluss zählt nur noch, dass du U2 supportet hast. Das ist fantastisch, egal was passiert. Das ist definitiv ein Highlight in unserer bisherigen Bandgeschichte!

Auf Tour mit U2 und in Amerika

Ihr wart ja auch bei der Neuauflage von Live 8 dabei. Die Kaiser Chiefs meinten danach, sie hätten den Eindruck gehabt, dass es einigen Teilnehmern dabei mehr um die Promo als um die gute Sache ging. Habt ihr diese Einstellung auch bemerkt?

Nicht wirklich. Da ging es bei keinem ums Ego. Jeder wusste, wofür er da war. Natürlich hatten wir trotzdem Spaß und einen großartigen Tag. Ich denke nicht, dass da irgendjemand dabei war, der sich selbst präsentieren wollte. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wie wir auf der Bühne waren. Nicht weil ich dicht war oder so. Es ging alles so schnell und das war so eine riesige Menge an Leuten, das schien alles nicht mehr wirklich zu sein. Das war ziemlich nervenaufreibend. Wir waren echt richtig nervös. Aber wir hatten einen tollen Tag für einen fantastischen Zweck. Wir haben keinen Moment gezögert, zuzusagen. Zwischen all diesen Bands - was zum Teufel tun wir da? Ja, so hat sich das für uns angefühlt.

A propos Liveshows: Was ist aufregender - in Amerika oder Europa zu touren?

Es ist ziemlich unterschiedlich, wir waren schon ziemlich oft in Amerika, also freuen wir uns immer wieder, dahin zurück zu kommen. Aber wir sind auch schon aufgeregt, mal wirklich in Europa zu spielen. Das haben wir noch nicht so oft, wie wir eigentlich wollten. Wir wollen einfach mehr Gigs spielen, auch in Asien und Australien. Wir wollen überall mehr Platten verkaufen und dann versuchen, in so viele Länder wie möglich zu kommen. Europa ist näher an unserer Heimat, deshalb liegt uns das sehr am Herzen. Ich denke, wir haben hier einfach noch nicht so viel gespielt, weil wir so viel Zeit in Amerika verbracht haben. Wenn Amerika ruft, rennst du natürlich hin.

Wie groß seid ihr denn in Amerika?

Wir sind jetzt nicht riesig, wir haben da ca. 500.000 Platten verkauft. Das ist großartig, unglaublich. Es ist einfach großartig, da drüben zu spielen, denn viele unserer frühesten Einflüsse kommen da her, Nirvana und so. Amerika ist einfach so riesig, dass man da sehr viel touren muss.

Habt ihr eure Amerika-Tour mit dem Bus gemacht?

Ja, du kannst dir also vorstellen, dass wir wirklich was von Amerika gesehen haben. 2004 waren wir fünfmal da, die längste Tour dauerte zwei Monate. So lange brauchst du, um mit dem Bus in jedes Eckchen von Amerika zu kommen. Aber es ist großartig da!

Aber ihr habt trotzdem nicht so viel von Amerika gesehen, oder doch?

Nein, das meiste entdeckt man dann doch durch die Fenster des Busses. Aber es kommt immer darauf an, in manchen Städten hatten wir einen freien Tag. Dann kann man rumlaufen und die Stadt erkunden. Aber manchmal bleibt es eben bei der Venue.

In welchen Städten, in denen ihr wart, dachtest du denn: "Da muss ich unbedingt noch mal hin"?

Austin, Texas war fantastisch: Wir hatten da eine großartige Zeit, es hat mich ein bisschen an zu Hause erinnert. Auch Berlin war super, denn da gibt es so viele geschichtsträchtige Orte.

Eine neue Stimme

Um auf euer Album zurück zu kommen: Ihr habt mal gesagt, dass ihr mit jedem Album ein neues Territorium betreten wollt. Was ist also das neue Gebiet, das ihr mit diesem Album erschließt?

Du willst es immer besser machen. Das ist klar. Jedes Album muss besser werden als das letzte. Wir sind bessere Songwriter geworden. Das ist wahrscheinlich das neue Territorium: Wir sind in dem, was wir tun, besser geworden. Wir sind selbstbewusster bei dem, was wir machen. Wir sind einfach besser geworden. lacht. So einfach ist das. Ich dachte am Anfang, die Aufnahmen würden viel schwieriger, als sie es im Endeffekt waren. Denn wir haben uns zwar unter Druck gesetzt, doch sonst hat das eigentlich niemand, auch nicht die Plattenfirma. Es hat ziemlich viel Spaß gemacht, das Album aufzunehmen.

Ihr arbeitet jetzt schon eine ganze Weile mit dem selben Producer, wie viel Einfluss hat er auf die Songs.

Er hat schon einen ganz schönen Einfluss. Er arbeitet eng mit uns zusammen. Er ist Teil unserer Familie - er ist auch heute Abend hier. Die Sache mit Garret ist, dass er uns - als Individuen und als Band - kennt und weiß, wie man das Beste aus uns raus holt. Auf diesem Level hat er mehr zu tun, als damit, jetzt die Songs zu ändern. Obwohl er auch da Einfluss drauf hat. Er ist so was wie ein zusätzliches Bandmitglied. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, mit jemand anderem zu arbeiten. Ich weiß auch nicht, ob wir das je machen werden. Es sei denn, wir verstreiten uns. Aber ich glaube nicht, dass das passieren wird. Wir sind so damit beschäftigt, die Songs zu schreiben, er behält da den Überblick. Es ist großartig, mit ihm zu arbeiten, ich denke wir werden auch das nächste Album mit ihm aufnehmen. Aber jetzt müssen wir erst mal das hier raus bringen.

Ihr habt für einen Song auch mit Martha Wainwright zusammengearbeitet - wie habt ihr sie kennen gelernt?

Gary hat den Song in der letzten Woche der Aufnahmen geschrieben, er hat ihr die Vocals auf den Leib geschnitten. Wir haben sie angerufen und gefragt, ob sie das tun würde, und glücklicher Weise sagte sie zu. Das ist nicht gerade eine Rock'n'Roll-Story.

Also hattet ihr vorher noch nie Kontakt mit ihr?

Nein, wir sind riesige Fans. Ihr Album ist fantastisch. Gary hatte die Idee, sie zu fragen, egal ob sie uns nun kennt, unsere Musik mag oder so. Dieser Song ist einer meiner Lieblingstracks auf dem Album. Es ist mal was anderes für uns. Dass da eine andere Stimme auf der Platte ist, das gab es noch nie auf einem Snow Patrol-Album. Das war bisher immer nur Gary. Der Song hat was Magisches an sich. Jeder kann mit dem Song connecten.

Ihr betont auch immer wieder, dass ihr euch gegenseitig überprüft, ob ihr euch noch normal verhaltet oder anfangt, euch wie eingebildete Stars zu benehmen.

Ich denke einfach nicht, dass wir so sind. Ich kann mir das eigentlich kaum vorstellen, dass wir uns so benehmen würden. Weißt du, wir wollen einfach Musik machen, wir sind keine Celebrities. Das ist einfach Nonsens.

Ihr werdet also auch in England nicht auf der Straße erkannt?

Nein, bei Gigs, aber sonst nicht wirklich. Gary vielleicht - ein oder zwei Mal in Irland und Schottland. Wir sind nicht so interessant. lacht

Ihr lebt ja in Glasgow ...

Ich nicht mehr. Manche von uns schon noch. Wir haben da alle bis Januar letzten Jahres gewohnt. Ich lebe jetzt in Belfast, Johnny in Dingle und die anderen drei immer noch in Glasgow. Es gab keinen bestimmten Grund, warum wir unbedingt aus Glasgow weg wollten. Aber es gab einfach Sachen in unserem Privatleben, die dazu geführt haben. Glasgow ist eine super Stadt. Ein fantastischer Ort, um Musik zu machen, weil sich dort alle unterstützen. Das Zeug, das von da kommt, zeigt es.

Arbeitet ihr immer noch mit anderen Bands zusammen?

Ja, alle unsere Freunde sind in Bands. Der einzige Grund, warum wir nicht mehr so viel mit denen machen, ist, dass wir die ganze Zeit auf Tour sind. Ich glaube, ich kenne niemanden, der keine Musik macht - außer meine Familie. Gleich und gleich zieht sich eben an.

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