Details

Mit:
Datum: 13. November 2001
Location: Columbiahalle
Columbiadamm 13-21
10965 Berlin
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Mal ehrlich: natürlich sind wir wegen der Hits hingegangen. Das ist doch klar.

Review von Michael Schuh

Mal ehrlich: natürlich sind wir wegen der Hits gekommen. Das ist doch klar. Und weil wir sehen wollten, wie Marc Almond sein jahrelang antrainiertes Chansonnier-Auftreten wohl inmitten hüpfender Pophymnen ausleben würde. Und weil wir prüfen wollten, ob Dave Ball wirklich so alt aussieht wie auf dem Tourplakat. "Tainted Love"-Tour stand da ja drauf. Man mag Soft Cell also Ausverkauf am Revival-Hype vorwerfen, aber das interessiert mich nicht. Auch 1995 hätte die Band die Columbiahalle gefüllt. So!

Eine stilvolle Bühnendeko im 70er Jahre Disko-Charme bestimmt das Bild. Wenn die meist blauen, roten und violetten Lichtstrahlen die hinter der Band aufgehängten Paillettenketten beleuchten, fühlt man beinahe die Verruchtheit der Cabarets, deren Star Almond früher immer sein wollte. Doch plötzlich dröhnen die aufgepeppten Drum-Beats zum Opener "Memorabilia" an meine Ohren und schubsen mich unsanft wieder in die Realität. Almond, der ewig Junggebliebene, tänzelt verhalten am Bühnenrand entlang, seine Nervosität nur schlecht kaschierend. Siebzehn Jahre waren sie nicht mehr in Berlin, wird er später sagen, doch bis das Publikum auftaut dauert es noch ein Weilchen. Zur Sicherheit kündigt Almond gleich zu Beginn an, auch neue Songs ausprobieren zu wollen. Zwei davon, "Divided Souls" und "Center Of My Heart" (Titel aus Refrain-Zusammenhang geraten) beweisen, dass Soft Cell noch immer Ohrwürmer schreiben können, die an alte Glanzzeiten anknüpfen. Der zweite im Bunde, Dave Ball, scheint die Lichtmänner im Vorfeld erfolgreich bestochen zu haben, keinen Strahl auch nur annähernd in seine Gesichtsnähe zu werfen. So ergibt sich die Szenerie eines bucklig über Keyboards gebeugten Mannes und eines Vortänzers, der auf die Fünfzig zugeht.

Doch Almond wird zunehmend sicherer. Obwohl viele Versionen der ersten Konzerthälfte unnötig über ihre Drei-Minuten-Existenz strapaziert werden, hält Almond die feiernde Schar der Nostalgiker mit Hüftschwüngen und Zappelgebärden bei Laune, die durchaus Unterhaltungswert besitzen. Den Höhepunkt der Show erreicht ausgerechnet "Tainted Love" (dass ich das mal schreiben würde ...) Noch immer ungläubig, wie tief einen das quirlige "Bedsitter" berührt hat und wie man beim grandiosen "Torch" beinahe dem unbekannten Nebenmann um den Hals gefallen wäre, wird man der drei Töne gewahr, die jeder schon 1000 Mal im Leben gehört hat. Ein kluger Schachzug allemal. Die Menge ist heiß, sie ist bereit und die Karaoke-Show nimmt ihren Lauf. Während ich mir noch überlege, wie sie den Song wohl ausklingen lassen, schleicht sich Almond zu zwei Drum Pads, um die Maxi-Version mit "Where Did Our Love Go" spektakulär einzuleiten. Das gibt's nicht. Mein Bier ist seit 20 Minuten leer, aber ich kann hier nicht weg. Nicht jetzt.

Bevor das Duo die Bühne verlässt, zerrt Almond seinen Partner hinter den Keyboards ans Licht hervor. Mit seiner massiven Statur wirkt Ball wie Almonds Onkel und als der ihn mühsam umarmt, ist uns das Pop-Bild des Jahres entgangen. Doch der Abend birgt noch einen zweiten Klimax. "Say Hello Wave Goodbye" in der Originalversion mit den Protagonisten von einst auf der Bühne. Da taucht sie wieder auf, diese Magie, die Almond auf der Bühne zu vermitteln imstande ist. Der "Sex Dwarf" für den Heimweg ist nur noch ein flüchtiger Abschiedskuss, die innige Umarmung durften wir vorher genießen.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Soft Cell

Vier Jahre nur hielten es die beiden Kunststudenten Marc Almond und Dave Ball zusammen aus, bevor das Duo beschloss, fortan wieder getrennte Wege zu gehen.