14. September 2015
"Keiner erwartet etwas von uns"
Interview geführt von Kai ButterweckNach "Keep It Hid" aus dem Jahr 2009 veröffentlicht Dan Auerbach dieser Tage unter dem Band-Banner The Arcs sein zweites Album abseits der Black Keys ("Yours, Dreamly,")
Dan Auerbach ist kein Mann der vielen Worte. Der Sänger der Black Keys kommuniziert lieber via Musik. Interviews sind nicht so sein Ding. Das war schon immer so. Ich kann mich noch gut an mein letztes Gespräch mit ihm erinnern. Seinerzeit ging es um "El Camino". Übermüdet und leicht genervt von nicht enden wollenden Frage-und-Antwort-Spielchen musste man dem Sänger und seinem Kollegen Patrick Carney die Wörter förmlich aus der Nase ziehen.
Ich war also vorgewarnt, als es zwei Wochen vor der Veröffentlichung des The Arcs-Debüts – Auerbachs zweitem "Soloalbum" – mal wieder hieß: Dan wäre in Berlin und stünde für Interviews zur Verfügung. Aber egal, der Kerl hat's nun mal drauf. Also: Sachen gepackt, raus aus dem Haus und rein ins Getümmel.
Der Andrang in der Lobby des schnieken Berliner Grand Hyatt-Hotels hält sich jedoch in Grenzen. Es ist ja auch schon spät. Die meisten Interviews des Tages sind schon durch. Es ist kurz vor halb sechs, als sich Dan Auerbach endlich von meiner Vorgängerin, einer feenhaften Radio-Elfe, losreißen kann und mir ein höfliches, aber unterkühltes "Nice to meet you" entgegen haucht. Na, das kann ja heiter werden, denke ich mir. Irgendwie muss ich an "Die Schöne Und Das Biest" denken, als die Madame vom Rock-Sender hüftschwingend an mir vorbei huscht. Dan Auerbach scheint ähnliche Gedanken zu haben. Mit der Sonnenbrille auf der Nase fläzt er sich wieder lässig in die Couch. Ganz der Rockstar. Dann legen wir mal los ...
Hi Dan. Du bist gerade auf Promotour für dein neues Bandprojekt The Arcs. Anfang September erscheint das Debütalbum "Yours, Dreamly,". Gestern warst du in London. Heute und morgen weilst du hier in Berlin. Danach geht es weiter nach Amsterdam. Deine Laune könnte besser sein, oder?
Dan Auerbach: Oh, du scheinst mich zu kennen. (lacht)
Naja, du bist nicht gerade bekannt dafür, gerne Interviews zu geben. Wir hatten auch schon einmal das Vergnügen. Da habe ich einfach eins und eins zusammengezählt.
Interviews sind nicht so mein Ding. Ich wäre froh, wenn ich für jedes neue Album, das ich herausbringe, ein Interview geben könnte, das dann überall gleichzeitig erscheint. Dann weiß jeder über alles Bescheid, und ich müsste mich nicht hundert Mal wiederholen. Im Grunde werden doch immer die gleichen Fragen gestellt. Das ist ziemlich anstrengend.
Wir müssen ja nicht zwingend über deine neue Band sprechen. Wir könnten uns auch über Jack White unterhalten. Das möchtest du aber nicht, wie mir gestern noch einmal ausdrücklich gesagt wurde.
Das stimmt. Es gibt Dinge, da habe ich keine Lust drüber zu sprechen. Also ...
... reden wir über The Arcs.
Genau. (lacht)
"Auf dem Album gibt es keine Singles"
Hat der Bandname eigentlich eine besondere Bedeutung? Oder klingt er einfach nur cool?
Er klingt einfach nur cool. Es gibt keine große Geschichte dahinter. Es ist nur ein Name. Was zählt, ist die Musik.
Wann ist die entstanden?
Oh, es gibt Songfragmente auf dem Album, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben.
Warum kommst du erst jetzt damit um die Ecke?
Ich hatte einfach immer zu viel um die Ohren. Zeit ist das kostbarste Gut für einen Musiker, der in viele Projekte und Arbeiten involviert ist. Und ich bin nicht der Typ, der mal eben so zwischendurch was raushaut. Zwischen der "Ultraviolence"-Produktionsphase und der Pause mit den Black Keys fand ich dann endlich etwas Zeit. Also nahm ich mir meinen Buddy Leon Michels zur Seite. Wir durchstöberten dann gemeinsam meine Festplatten und fanden dabei jede Menge unveröffentlichte Songskizzen. Da waren ungefähr 60 oder 70 Demos, die förmlich danach schrien endlich mal bearbeitet zu werden. Und das haben wir dann gemacht.
Zusammen mit Richard Swift, Homer Steinweiss, Kenny Vaughan und Nick Movshon.
Genau. Diese Jungs gehören seit Jahren zum engsten Kreis meiner Freunde.
Klingt nach einem großen Spaß-Projekt.
Das ist es auch. Wir haben zusammen Spaß. Nur darum geht es. Wir haben uns weder mit Soundkonzepten noch mit langen Gesprächen aufgehalten. Wir haben uns getroffen, die Instrumente eingestöpselt und einfach losgelegt.
Dabei ist irgendwie ein ganz bestimmter Flow entstanden. Diverse Songs des Albums gehen sogar nahtlos ineinander über. Es ging euch eher um das große Ganze, richtig?
Absolut. Das war das einzige, auf das wir uns im Vorfeld geeinigt haben. Einzelne Songs sollten nicht im Vordergrund stehen. Wir wollten ein Album machen, das einer musikalischen Reise gleichkommt. Es gibt ein Anfang und ein Ende. Und dazwischen werden jede Menge Geschichten erzählt. Auf dem Album gibt es keine Singles im herkömmlichen Sinn. Es gibt aber auch keine Filler. Alles ist eins. Das macht dieses Album so besonders.
"Wir werden auf jeden Fall auf Tour gehen"
Dein erstes Soloalbum "Keep It Hid" aus dem Jahr 2009 ist ein klassisches Einzelgänger-Werk. Auf dem Album steht dein Name, es sind deine Songs, und bis auf ein paar helfende Hände im Background hast du alles allein eingespielt. Mit The Arcs präsentierst du dich erstmals als Teil eines Kollektivs. Ist dir die Umstellung schwer gefallen?
Nein, gar nicht. Wie ich schon sagte, die Leute, mit denen ich hier zusammenarbeite, sind enge Freunde von mir. Natürlich haben wir uns ausgetauscht. Und natürlich wurde hier und da auch ein bisschen diskutiert. Aber die eigentliche Kommunikationsebene war die Musik. Wir haben uns mit Hilfe von Klängen, Sounds und Rhythmen verständigt. Und wenn wir mal nicht weiter wussten, haben wir uns einfach die Mariachi Flor De Toloache-Mädels ins Boot geholt. Die haben uns mit ihren Chören dann wieder auf Kurs gebracht. (lacht)
Wie fühlt es sich an, endlich mal wieder ein Album am Start zu haben, das keiner großen öffentlichen Erwartungshaltung unterliegt?
Das fühlt sich großartig an. Es ist befreiend. Keiner erwartet etwas von uns. Niemand macht uns Druck. Es geht nur um die Musik. Ich bin sehr dankbar für die Zeit gerade. Das wäre ohne den Black Keys-Erfolg wahrscheinlich gar nicht möglich. So habe ich die Zeit und die Mittel, um mich musikalisch mal wieder so richtig auszutoben. Ich genieße den Moment.
Wird sich der Moment wiederholen?
Es gibt noch genug Songs, die es nicht auf das Album geschafft haben. Daran wird es nicht scheitern. Ich denke schon, dass da noch mehr kommen wird. Wir sind momentan alle komplett drin dieser Sache. Diese Band kickt uns alle so richtig. Wenn wir alle Zeit finden werden, steht einem zweiten Album nichts im Wege.
Was hält dein Black Keys-Kollege Patrick Carney von The Arcs?
Patrick liebt gute Musik. Also liebt er auch The Arcs. (lacht)
Wie geht's ihm überhaupt? Was macht seine Schulter?
Oh, es wird immer besser. Es geht ihm gut. Wir haben Anfang August die letzten Shows gespielt. Seitdem haben wir uns aber nicht mehr gesehen.
Wirst du mit deiner neuen Band auch live zu sehen sein? Es gibt Gerüchte, dass ihr im Winter auch nach Europa kommt. Ist da was dran?
Wir werden auf jeden Fall auf Tour gehen. Ich kann es kaum erwarten, mit den Jungs auf Reisen zu gehen. Europa? Ja, so etwas habe ich auch gehört. Lasst euch einfach überraschen. (lacht)
Und was ist mit den Black Keys?
Wir werden sehen. Jetzt fokussiere ich mich erst einmal auf die Arbeit mit The Arcs. Da steht noch einiges an. Und dann ist das Jahr auch schon wieder fast zu Ende. Viel weiter kann und will ich nicht in die Zukunft blicken.
(Dans Blicke schweifen immer mehr in der Gegend umher)
Du wirkst müde.
Ich bin müde.
Lust auf nen Wachmacher?
Kommt drauf an.
Jack White?
Keine Chance.
Dann viel Spaß morgen in Amsterdam.
(Dan lacht, und nimmt erstmals seine Sonnenbrille ab. Darunter kommen müde Augen zum Vorschein. Das Leben als Rockstar scheint wirklich kein Zuckerschlecken zu sein.)
1 Kommentar
Sind Auerbachs müde Augen nicht angeboren?