Details

Mit:
Datum: 9. Mai 2005
Location: Underground
Vogelsanger Straße 200
50825 Köln
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Retro-Rock mit Augenbinde und Hühnerbrust.

Review von Jasmin Lütz

Bevor sich der neueste NME-Streich auf die Underground-Bühne traut, gibt es erst mal einen sehr schönen, viel zu kurzen Support der Kölner Band Gloria. Mit jedem Konzert steigert sich die Harmonie des Quintetts. Wunderbar zwischen dramatischen Instrumentalbomben und verträumten Popballaden, die ersichtlich ernst genommen werden. Treffsichere Bassakrobatik von René, Oberschrammel-Effektgitarren von Jeffrey, charismatische Ekstasen von Sänger André, Gitarren- und Keyboardästhetik von Babsi und bombastische Rhythmen von Neuzugang Michael am Schlagzeug, der gerade mal zwei Proben miterleben durfte. Sehr schön.

Nach ihrer EP "Stars (Coincidentally Shot Down)" darf man sich hoffentlich bald auf ein ganzes Album freuen (gloria-music.de). Dann: The Bravery, Deutschlandkonzert-Debüt. Im angenehm gefüllten Underground, von der "Ausverkauft-Marke" jedoch weit entfernt, präsentiert die neue amerikanische Rotzformation ihr gleichnamiges Album und sorgt mit ihren heißen Dance-Beats und dem voluminösen Rock-Glamour für tanzbare Stimmung im Saal. Die Single "An Honest Mistake" brüllt mancher schon lauthals mit. Der vorauseilende Ruf ("Next Big Thing") diverser englischer Magazine scheint mal wieder zu funktionieren.

In den vordersten Reihen blickt das Auge zunächst auf den beliebten und heißesten Retro-Look-Contest 2005. Eine ganze "Stu-Stu-Stu-Stu-Studio-Line"-Serie musste hier wohl bei den jungen Frisuren drauf gegangen sein. Weitere Kandidaten beim Wettbewerb "Wer hat die klebrigste Haartolle" kommen dann in Form der Jungs von The Bravery stylish auf die Bühne. Frisch aus dem 80er Jahre-Klassiker "Die Klasse von 1984" entspringen Sam Endicott (Gesang, Gitarre), Anthony Burulcich (Schlagzeug), Michael Zakarin (Gitarre), Mike Hinder (Bass) und John Conway (Keyboards) aus der imaginären Leinwand. Ein ziemlich trashiger Terror- und Selbstjustizfilm. Mit Schlagstöcken sind The Bravery zwar nicht bewaffnet, aber ein wenig gefährlich und provokant wollen vor allem Sänger Sam und Bassist Mike rüber kommen. Mit schwarz gemalter Augenbinde, kitschigen Accessoires und später entkleideter Hühnerbrust. Das Motto Rock'n'Roll steht hier an erster Stelle. Hotelzimmer wurden natürlich schon vorher verwüstet und Groupies an Land zu ziehen, fällt den fünf Schwerenötern wohl auch nicht schwer. Yeah.

Die rebellische New Yorker Gang flößt mir persönlich allerdings keine Angst ein. Eher macht mir der Sänger ein wenig Sorgen mit seiner üblen Posershow. Ehrlich gesagt finde ich ihn ganz schrecklich. Mal hantiert er ungeschickt mit dem Mikroständer um sich und weiß dabei nicht, ob er Morrissey, Billy Idol, Kevin Rowland oder doch lieber Elvis sein will. Im Teddyboy-Rockeroutfit verrenkt er sich auf der Bühne und versucht jedes Wesen im Saal mit seinem Moschusblick zu vernaschen. Bei einigen wird es mit Sicherheit klappen. Mir erscheint er jedoch als Blender, wenn er wenigstens wirklich so ein Pöbel-Arsch wie der Gallagher wäre?! Ist er aber bestimmt nicht. Alles wirkt frisch kopiert, unreif und mit einer scheinbar großen selbstbewussten Rockerattitüde. Mal eben den Catwalk mit der Konzertbühne getauscht? Und mal versuchen, mit dem Lederoutfit sexy zu sein? Dazu die billigen "Hänschen & Mäuschen"-Gürtelbandagen und der absolute Oberhingucker: ein Dollarschein, den er sich lässig um den muskeltrainierten Arm wickelt. Wow. Zwischendurch gibt Sam unverständliche Sätze von sich, die dann auch mal ein paar deutsche Wörter wie "Spezi" beinhalten. Was aber der Kölner an sich wiederum nicht versteht, weil das Cola-Fanta-Gesöff hierzulande anders heißt.

Beim Betrachten der Show wundert man sich nicht, dass es schon zu bösen Wortgefechten zwischen Sam und Killers-Sänger Brandon Flowers kam. Allet Kinderkacke. Battle hin oder her. Wer klaut von wem? Wer ist der Schönste im ganzen Land? Überhaupt nicht wichtig, so lange die Musik überzeugt. Und das tut sie auch, vor allem weil die restlichen Bandkollegen die wahren Frontmänner sind. Schlagzeug-Tier Anthony vermöbelt sein Instrument die ganze verdammte Show lang und der kurz verdaute Cheeseburger dreht sich dabei schwerelos im Magen herum. Basser Mike drangsaliert sein Saiteninstrument, als würde er schon von Geburt an daran nuckeln. Tatsache ist, dass er erst zur Gründung der Band (2003) den Hüft-Rhythmus erlernte. Auch wenn sich The Bravery oft zu sehr nach Franz Ferdinand anhören, gibt der Moogsound von John (der übrigens beim Adam Green-Lookalike-Test locker den ersten Platz machen könnte) einen individuellen Touch. Gitarrist Michael sollte neben seinen Saitenkrachern häufiger das Mikro benutzen.

Wenn sich der Orkan zurückhält und als normaler Wirbelsturm durchs Land zieht, dann sind The Bravery genau richtig. Und jeder, der den Kurztrip der Band verpasst hat, kann sich auf den hoffentlich bald beginnenden Sommer freuen. Dann gibt es die ordentliche Konzertreise mit Moschus, Mosch und "Macho-Ken, äh Sam" nochmal in längerer Form.

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Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT The Bravery

"Number 1 promising act of 2005", sagt der Kritikerpoll der BBC. Geht noch mehr? Für The Bravery wohl schon. Eine Band, die sich 'brave' - mutig - nennt, …