Details

Mit:
Datum: 22. September 2003
Location: Live Music Hall
Lichtstraße 30
50825 Köln
Website: Offizielle Homepage des Veranstaltungsorts
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Dreckiges Spektakel mit Sex, Drugs und Anti-Faltencreme.

Review von Jasmin Lütz

Man nehme Sex, Drugs, Rock'n'Roll, Trash, Rockabilly, Betty Page, Leder, eine gute Portion Provokation, viel Spucke und mittlerweile eine Tube Antifalten-Creme und heraus kommen The Cramps. Eine noch lebende Legende, die ihre Liebe zum guten, alten Elvis-Sound vor allem durch ihre Bühnenshows verkörpert. Doch jünger wird man auch als Ganzkörper-Leder-Tolle nicht und somit fing das Konzert in Köln recht lahm an. Ich stehe in der ersten Reihe und wundere mich, dass ich hier überhaupt stehen kann. Selbst der Fotograf hat Angst, vor der bald ausrastenden Menge zermatscht zu werden. Doch das vorwiegend bedrohlich aussehende Publikum ist ebenfalls in die Jahre gekommen und zahm wie ein Huhn.

Außer einer hysterischen Sopran-Punkerin hinter mir warten die Fans geduldig auf ihre Rock-Sexgötter. Die lassen sich allerdings Zeit. Hinter der Bühne wird erst mal ein wenig gemeckert. That's fucking R'n'R. Handtücher sind nicht weich genug und der Rotwein hätte auch besser sein können. Dennoch leert ihn Frontsau Lux Interior mit großen Schlücken später auf der Bühne lustig aus. Mir persönlich macht das Warten nichts aus, trotz 90 Grad im Schatten. Die Musik vom Plattenteller lässt schon einige 60er Klassiker los und die Freude wird immer größer. Wieher!

Desweiteren sorgt der Roadie für kurzweilige Unterhaltung. Der macht mir allerdings etwas Angst. Sieht doch sehr gruselig aus mit seinem Ganzkörper Tattoo und der Glatze und seinem hämischen Grinsen. Und sein Popo ist auch nicht der Schönste.

Doch jetzt beginnt die Show. The Cramps betreten das Rampenlicht und legen sofort los. Lux, natürlich ganz in schwarz und mit Sonnenbrille, zeigt seinen breiten Mund, aus dem goldene Zähne hervor blitzen. Meine Ma würde sagen: "Bah, wat is dat für ne fiese Möp"! Ich finds geil, auch wenn ich fast von seinem Mikroständer erschlagen werde und der Bassist mir beinahe auf den Kopf rotzt. Poison Ivy schafft es den ganzen Abend, kein einziges Mal zu lächeln und sieht unglaublich gelangweilt aus. Dafür spielt sie aber ihre Gitarre simpel professionell und rockt die Halle. Meinen ersten persönlichen Höhepunkt erreiche ich beim vierten Song: "Mule Skinner Blues" ist mein Hit und bisher fand ich die Fendermen-Version unübertrefflich, aber die Trasher Kings toppen das Ganze mit ihrer Grusel-Live-Show: HA HA HA HA HA HA.

Die Rotweinflasche ist mittlerweile nur noch halbvoll. The Cramps bieten eine coole Show, die ich mir allerdings etwas heftiger vorgestellt habe. Sänger Lux spuckt zwar, sabbert und steckt das Mikro, nein, leider nicht in seinen Arsch (gesehen wohl schon mal auf einem Amsterdamer Gig), sondern ständig in seinen großen, feuchten Mund. Erotisch ist was anderes, aber je mehr es sich dem Ende nähert, desto dreckiger wird das Spektakel. Neben der Vorstellung vom neuen Album "Fiend Of Dope Island" gelangen auch Smasher wie "Hot Pearl Snatch", "Garbage Man", "Domino" und "TV Set" in die tauben Gehörgänge. Der Schlagzeuger macht während der ganzen Rock'n'Roll-Reise einen unglaublich entspannten Eindruck. Mit nur wenigen Bewegungen lässt er sein Instrument zur exstatischen Rhythmus-Bombe mutieren.

Ich habe mich mittlerweile doch ein paar Reihen nach hinten gestellt. Es wurde immer heißer und ich bin schließlich auch nicht mehr die Jüngste. Und dann wird zum Finale eingetrasht. Die letzten 15 Minuten erlebe ich The Cramps, wie ich es mir eigentlich vorgestellt habe. Mit der Trashmen-Hymne "Surfin' Bird" wird nicht nur das Publikum wachgerüttelt und um Jahre verjüngt, auch Lack-Man Lux erinnert sich an die gute, alte Zeit: "Well Everybody's Heard, About The B-B-Bird!"

Zuerst gibt es eine Dusche aus der Wasserflasche. Dann klettert er auf die Monitore und hat imaginären Sex mit seinem Mikroständer. Plötzlich zieht er seine Stiefel aus und eine kleine Ladung Nasses schwappt auf den Boden. Damit nicht genug streift er seine Socken von den Füßen und wirbelt die wassergetränkten Stinker ins Publikum. Die freuen sich und reißen die Hände hoch, als würde es sich um das schweißgetränkte Handtuch eines Robbie Williams handeln. Puh. Wer’s mag. Zum Glück stand ich nicht mehr in dieser Reihe, weil eine Socke von Mr. Interior muss dann doch nicht sein. Bird, Bird, Bird. Ziemlich elegant schafft er es dann wieder auf den Boden. Jetzt ist seine Gitarristin dran. "The Bird Is The World!" Madame Poison wird jetzt ihrer langen Stiefelletten entledigt und Lux schweift um sie, wie ein wilder Stier. Na Na Na ...

Der Mikroständer muss natürlich auch dran glauben und man hofft, yeah, jetzt wird die ganze Bühne kurz und klein geschlagen. Doch die "8" in den Ständer zu biegen ist schon sehr mühsam für einen alten Rockabilly. Also knallt er das Ding in die Ecke und die Show ist vorbei. Ziemlich nass und doch irgendwie überwältigt geht man hinaus. Man wird halt nicht jünger, aber das Motto "Born bad" bleibt für immer. Ich frage mich allerdings die ganze Zeit, wer hat die Stinksocke und was macht man eigentlich damit?

Fotogalerie:

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Artistinfo

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