5. Oktober 2007
"Pharrell Williams ist unvergleichlich"
Interview geführt von Daniela ReichertSeit dem letzten Hives-Album sind mittlerweile drei Jahre vergangen. Doch die Band ruhte sich in der Zeit keineswegs aus, sondern tourte durch Amerika, Großbritannien und arbeitete auch an einer neuen Platte.Schon für Ende letzten Jahres angekündigt, erscheint am 12. Oktober der neue Longplayer "The Black And White Album", dem im Herbst eine Tour folgt. Grund genug, einmal bei Drummer Chris Dangerous nachzufragen, wie das Album denn nun klingt, warum es überhaupt so lange gedauert hat und noch einige andere Dinge.
Bevor ich allerdings mit Chris sprechen kann, ruft seine Promoterin an und vertröstet mich um 15 weitere Minuten. Es dauert zwar noch ein klein wenig länger, dafür habe ich dann einen äußerst humorvollen Chris am anderen Ende der Leitung.
Hi, ich bin Dany von laut.de
Chris: Und ich bin Chris, der Schlagzeuger von den Hives
Ja, das wurde mir bereits mitgeteilt.
Chris: Ausgezeichnet. (lacht)
Also, um das gleich am Anfang zu sagen, ich hatte noch keine Chance, mir das neue Album vor diesem Interview anzuhören ...
Chris: Oh Shit!
Genau. Deshalb, erzähl mal, wie hört es sich an?
Chris: Es klingt wie eine Greatest Hits-Platte. Ziemlich genau so ja, als versuchten wir eine fortgeschrittene Karriere in anderthalb Jahren zu erfinden. Wir arbeiteten in acht verschiedenen Studios, mit, ich glaube sechs verschiedenen Produzenten zusammen, deshalb hört es sich wirklich sehr nach einem Greatest Hits-Album an. Aber so war das dieses Mal auch irgendwie geplant. Ich meine, zwei Lieder auf der Platte, einmal "Well Alright" und "T.H.E.H.I.V.E.S" nahmen wir mit Pharrell Williams in Miami auf.
(Er buchstabiert den Songtitel, erschlossen hat sich mir das Ganze erst später.)
Ja, ist mir schon zu Ohren gekommen. Ihr habt mit Timbaland und Pharrell Williams produziert. Wie kam es dazu? Was verbindet die Hives und Timbaland oder Pharrell Williams?
Chris: Ja, also wenn wir mal mit Pharrell starten: Er wollte schon seit einiger Zeit mit uns arbeiten, denn er ist ein Fan von unserer Band, und wir lieben einige Sachen, die er gemacht hat. 2004 trafen wir ihn in Japan, und er meinte eben, er will mit uns arbeiten. Na ja, und als die Zeit kam, in der wir uns mit Produzenten trafen und darüber redeten, wohin wir mit diesem Album wollten, riefen wir ihn eben an. Dann flogen wir nach Miami und nahmen ein paar Sachen mit ihm auf. Mit Timbaland war das eine völlig andere Geschichte. Ich meine, er wollte uns auf seinem Album "Shock Value" dabei haben, also spielten wir den Song "Throw It On Me" mit ihm ein. Dabei ging es im Grunde bloß um Dateien, die übers Internet gesendet wurden. Nur ein paar Gitarrengriffe, und Pelle, der ein bisschen darüber schreit. Das ist mehr oder weniger alles. Während er dann als Teil der "Justin"-Tour in Stockholm war, nahmen wir ein paar Sachen zusammen auf, aber das Zeug ist bis jetzt nicht wirklich auf dem Album. Es ist halt noch nicht wirklich fertig und wir wissen nicht was wir damit tun sollen. Es war mehr wie ...
Die Songs mit Timbaland sind also noch nicht auf dem Album?
Chris: Nein, noch nicht.
Aber sie kommen noch drauf oder ...
Chris: Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Pharrell Williams ist aber definitiv drauf?
Chris: Ja, zwei Lieder sind auf jeden Fall drauf, die Songs "Well Alright" und "The Hives".
Diesmal ohne Buchstabierung
Beide Produzenten sind nicht wirklich bekannt dafür, Rockmusik zu machen. Klingt das jetzt mehr nach R'n'B oder wie hört es sich an?
Chris: Einer der Pharrell-Songs ... ich meine, er war wirklich interessiert daran, Rockmusik zu produzieren. Deshalb ist einer der Songs sehr 60s inspiriert, aber aufgenommen mit einem sehr modernen Sound. Es klingt halt nicht wie Musik aus den 60ern, es klingt ... keine Ahnung, für mich klingt es wie Pharrell Williams, der versucht, eine Rockplatte mit den Hives aufzunehmen. So hört es sich an, was aber sehr interessant ist. Wir wollten nichts tun ... wir wollten nicht wie 60er Jahre klingen, das hatten wir schon vor Jahren. Es ging nie darum. Aber bei "T.H.E.H.I" (verspricht sich), sorry, versuchten wir eben, eine von diesen modernen Disco Sound-Sachen zu machen. Unsere Art "wir vermissen dich" oder so zu sagen.
Im Prinzip nahmen wir einen Haufen Scheiße auf
Auf hivesmusic.com sah ich einen Videoclip, in dem es einen Kommentar von dir gab, dass die Zusammenarbeit mit Pharrell Williams so war, als würdet ihr den Rock'n'Roll noch einmal neu entdecken. Also ...Chris: Ja weißt du, als wir unsere "üblichen" Songs mit den, weißt du, "üblichen" Rockproduzenten aufnahmen, das fühlte sich immer irgendwie gleich an. Aber mit Pharrell Songs einzuspielen, lässt sich mit nichts vergleichen, das wir bisher machten, etwas völlig, völlig Neues eben. Wir gingen ins Studio, ohne eine Idee, was uns erwartet, ohne Songs, ohne irgendwas. So schrieben wir einfach mit Pharrell einige Songs und nahmen sie richtig schnell auf. Am Ende standen wir mit acht Liedern da und fingen dann halt an, mit den Ideen, die wir richtig gut fanden, weiterzuarbeiten. Im Prinzip spielten wir also einen Haufen Scheiße ein, suchten raus was wirklich gut war und beendeten diese Sachen. Das ist nicht die Art, wie wir normalerweise Songs aufnehmen.
Die Zusammenarbeit mit Pharrell und Timbaland steigert doch mit Sicherheit eure Beliebtheit in den USA. Oder nicht?
Chris: Könnte sein, aber das hängt davon ab, ob die Leute unsere Musik mögen oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob du mit jemand arbeitest, der einen berühmten Namen hat oder so. Klingt das Ergebnis scheiße, dann bringt es dir am Ende gar nichts. Aber, um ehrlich zu sein, alle Fragen, die bisher kamen, gingen um Timbaland und Pharrell, also ...
Entschuldige, aber ...
Chris: Nein, nein, nein, nein das ist total in Ordnung. Ja, es ist sehr interessant für die Leute ...
Es ist nur so, als ich gelesen habe, dass ihr mit Timbaland und Pharrell gearbeitet habt, dachte ich mir nur: Die Hives und Timbaland? Bitte was?
Chris: Yeah, genau.
Das ist nicht etwas, das man erwartet hätte, deshalb frage ich danach.
Chris: Aber auf dem Album gibt es auch Songs, von denen die Leute meinen könnten, dass Timbaland und Pharrell die Produzenten sind. Das stimmt nur nicht, wir produzierten sie selbst. Diese Songs klingen sogar noch komischer, als alles, was du erwarten würdest.
Okay, die nächste Frage geht nicht um Timbaland oder Pharrell: Habt ihr auch mal über eine Zusammenarbeit mit Rick Rubin nachgedacht?
Chris: Ja, Rick Rubin ist großartig, bei dem, was er macht. Wir dachten nur, naja, ich meine, erstens, schätze ich, er hatte keine Zeit. Ich bin auch nicht sicher, ob er mit uns zusammen was produzieren will, wahrscheinlich schon, aber keine Ahnung. Rick Rubin ist stilistisch sehr ähnlich wie Pelle Gunnerfeldt, mit dem wir unsere früheren Alben aufnahmen. Wir wollten nur wirklich etwas Neues probieren, nicht einfach mit einer Person, die mehr in den Medien ist als Pelle Gunnerfeldt. In ganz andere Richtungen gehen, und für die Hives bedeutet eine völlig andere Richtung eben, nicht auf einen der weltberühmtesten Produzenten zu setzen. Ungefähr die Hälfte der Platte nahmen wir mit Dennis Herring in Oxford, Mississippi auf. Er ist auch eine Art Rockproduzent, aber völlig anders und na ja, es ist schade, dass du die Platte noch nicht gehört hast, weil ... aber die Single "Tick Tick Boom", die spielten wir mit Dennis Herring in Oxford, Mississippi ein.
Mando Diao sind offensichtlich eifersüchtig
Sollte das Album nicht schon letztes Jahr rauskommen?Chris: Den Großteil der Platte hatten wir auch schon vor einem Jahr fertig. Nur, weil wir halt mit all diesen verschiedenen Leuten zusammen arbeiten wollten, mussten wir eben irgendwie warten bis sie eben Zeit für uns hatten. Weißt du, Produzenten und solche Leute, die sind schwer beschäftigt. Die haben ständig irgendwas zu tun, und wenn wir kommen und sagen: "Hey wir wollen mit euch arbeiten", klar ist die Antwort ja. Andererseits können sie aber nicht einfach eine Band, die bereits da ist, aus dem Studio schmeißen. Das wäre doch ein bisschen gemein. Deshalb mussten wir ... ja, es war ein ziemlich langwieriger Prozess und harte Arbeit. Doch an dem Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, sind wir glücklicher als jemals zuvor. Vor allem weil uns die Zeit nahmen, um auf all diese Leute zu warten und wirklich über die Songs nachzudenken.
Neben den Aufnahmen für das neue Album habt ihr auch einen Werbefilm für Finish Line in den USA gedreht. Ist das euer erster Werbespot, und warum für Finish Line?
Chris: Ähm, ich bin mir nicht sicher, ob es dabei um Finish Line ging, ich denke es handelte sich um Nike & iPod. Die Sache ist die, wir haben in den letzten zehn Jahren schon zu Milliarden anderen "Nein" gesagt. Es gab nur einmal eine Werbung für Agent Provocateur, also Unterwäsche für Frauen. Kylie Minogue ritt darin einen dieser elektronischen Bullen. Eigentlich sollte das nur zwei Wochen lang exklusiv in britischen Kinos laufen, aber der Spot entwickelte sich zum größten Internet-Download in diesem Jahr. Das ist die einzige Werbung, in der wir bisher mitmachten. Aber nach zehn Jahren, nachdem wir zehn Jahre lang immer mit "Nein" antworteten, dachten wir, ach zur Hölle damit. Lass es uns versuchen, lass uns mal sehen, was passiert wenn wir "Ja" zu einer Werbung mit Nike sagen. Es ging uns dabei nicht ums Geld, das Geld gaben wir sowieso weg.
Befürchtet ihr nicht, dass die Fans euch Sell-Out vorwerfen?
Chris: Nein, wir besitzen genug Geld. Das geben wir auch weg für Sachen wie "Verhindert Kinderarbeit" oder "Kinderarbeit in der dritten Welt".
Ja, ich las auch, dass ihr einen Rucksack für East Pak entworfen habt, für Charity richtig?
Chris: Wir machen tonnenweise Zeug für Charity, wir reden nur nicht gern darüber. Der Rucksack ist keine Werbung, weißt du, nur unsere Art um Menschen zu helfen.
Wie siehst du die schwedische Musikindustrie der letzten drei oder vier Jahre? Denkst du sie hat sich verändert?
Chris: Ja, ich denke schon, dass sich eine Menge geändert hat. Wahrscheinlich gibt's mittlerweile 25 Bands, die gerne die Hives wären, die vorher nicht da waren. Schweden hatte schon immer eine Tradition von qualitativ hochwertiger Musik. Nachdem wir so bekannt wurden, entstehen überall neue Bands. Für Bands ist Schweden ein gutes Land, um anzufangen, denn ich denke, es herrscht ein ernsthaftes Interesse an Musik dort.
Aber die ganzen neuen schwedischen Bands sagen alle Sachen wie "Wir sind die beste Band überhaupt". Klingt das für dich nicht ein wenig wie ein Echo?
Klar ist das ein Echo! (Pause)
Also denkst du, sie...
Chris: Ich weiß nicht genau, von welchen Bands du jetzt redest.
Ich habe von ein paar Bands wie Mando Diao oder Sugarplum Fairy gelesen, die sich öffentlich über euch lustig gemacht haben. Stört euch das?
Chris: Wieso sollte es? Denkst du wirklich, es interessiert mich, was Mando Diao über uns sagen? Die sind offensichtlich eifersüchtig (lacht). Es interessiert mich einen Scheiß, um ehrlich zu sein. Die können sagen, was immer sie wollen, ich meine, Fakt ist: Wir sind eine gute Band, eine großartige Band. Lassen wir es einfach dabei.
Okay. Ihr kommt auf Tour nach Deutschland diesen Herbst, was erwartet uns? Irgendwelche Neuerungen?
Chris: Ja, klar könnt ihr euch auf etwas Neues gefasst machen. Wir sind jetzt fast vier Jahre nicht mehr in Deutschland auf Tour gewesen und wir fühlen uns deshalb richtig schlecht. Denn wir lieben es, in Deutschland aufzutreten, einige der schönsten Erinnerungen unserer Karriere waren in Deutschland, deshalb freuen wir uns wirklich darauf, wieder zu kommen. Wir haben ein verdammtes brandneues Album dabei, mit dem wir bisher nur in Amerika tourten. Deutschland sollte sich besser auf etwas gefasst machen!
Ja, das werden wir.
Chris: Wir auch!
Das ist gut. Vielen Dank für das Interview.
Chris: Kein Problem.
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