19. November 2004

"Frauen sind einfach cooler als Männer"

Interview geführt von

Nach ein paar Durchstellversuchen, kämpft sich die Leitung schließlich von Sony Berlin zu Sony London durch. In der Warteschleife der Deutschen läuft MIA., bei den Briten "Sing" von Travis. Danach gehts weiter ins private Domizil Paynes, das ebenfalls in London steht.

Hi Dougie. Störe ich?

Nein, ich bin bei mir zuhause und trinke Kaffee.

Oh je, und dann auch noch Interviews geben ...

Ja, ich mache jeden Morgen ein paar davon. Halb so schlimm. Einfach nur, um euch Hallo zu sagen.

Sehr nett. Nun, wie fühlt es sich denn so an, mit der ersten Singles Collection im Rücken?

Ähm, es ist sehr interessant. Innerhalb der Band tendieren wir ja eher dazu, unsere eigenen Songs nicht allzu oft anzuhören. Vielleicht wegen Steve Lillywhite, dem Produzenten unserer ersten Platte. Der sagte einmal: "Jungs, macht, was ihr wollt. Aber was mich betrifft, höre ich mir mein eigenes Zeug nie an." Ich fragte warum, und er antwortete: "Entweder du wirst selbstgefällig, weil du denkst, du bist der Größte, oder du wirst unsicher, weil du denkst, es ist alles scheiße." Naja, und ich denke, beides ist nicht gerade gesund (lacht). Das war also ein guter Rat.

Parallel erscheint ja auch eine DVD, auf der u.a. auch Homemovies drauf sind, die wir seit Jahren nicht gesehen haben. Es war aufregend, das alles zu sehen. Die 17 Singles, die wir bislang veröffentlichten, scheinen alle gut zusammen zu passen. Naja, es gab noch Diskussionen, ob wir "Tied To The Nineties" mit draufnehmen sollten, da es nicht wirklich drauf passen würde. Doch wir blieben stur und sagten: Nein, das muss drauf, es war eine Single.

Fühlst du dich alt?

Seltsamerweise nicht. Im Gegenteil, für mich war die Singles-Geschichte eher eine Art Verjüngung. Ich bin sowieso derjenige in der Band, der unsere Sachen im Fernsehen nie anschaut. Ich rege mich sonst nur immer über meine Haare auf oder frage mich, warum ich so blöd mit meinen Händen herumwackle. Aber nun wurde ich eben gezwungen, mir das ganze Material anzuschauen. Ich glaube, ich bin sogar noch optimistischer geworden, was die Zukunft der Band betrifft, denn man bekommt einen schönen Gesamteindruck, was die Band ausmacht.

Wolltet ihr nach vier Studioalben bewusst diesen Schnitt machen?

Nun, oft ist es ja so, dass Singles-Collections darauf hinweisen, dass die Band am Ende ist. Vor allem wenn sie erst nach dem siebten oder achten Album rauskommen. Vier Alben erschienen uns eher wie eine Art Halbzeit, die uns natürlich auch kurz ausschnaufen lässt. Und wer weiß, vielleicht bewegen wir uns in Zukunft ja ein bisschen weg von der bisherigen Arbeitsweise und dann blicken wir auf das erste Kapitel mit 17 Singles zurück.

Bereust du irgendetwas, das ihr in all den Jahren gemacht habt?

Bereuen ... (gähnt)

Langweilige Frage?

(lacht) Also, ich muss sagen, ich hatte größere Angst, dass mir irgendwas heute nicht mehr so gefällt wie früher. Gut, das Video zu "U 16 Girls" ist kein Meisterwerk, aber auch das half uns damals, um weiter zu kommen. Vielleicht war es ein Fehler, nach der langen Tournee für "The Invisible Band" noch ein paar Extrashows zu geben. Wir waren damals alle ziemlich durch, da wir beinahe vier Jahre ununterbrochen aufeinander saßen. Dann hängten wir aber trotzdem noch ein paar Konzerte dran, spielten in Island, was fantastisch war, und in Frankreich auf dem Festival in Belfort, wo sich Neil ja dann den Halswirbel brach. Vielleicht waren diese Zusatzshows unnötig, aber das weiß man halt auch erst hinterher.

Und wie sieht es mit Presse-Pflichten aus? Ich denke da vor allem an eine Ali G-Show, in der Fran euer "Why Does It Always Rain On Me" vorträgt und von Ali in bekannter Manier runtergemacht wird. Fran sah ja nicht so begeistert aus ...

Oh doch, er war begeistert. Sein großes Problem bei Ali war nur, dass er sich die ganze Zeit zusammen reißen musste, um nicht anzufangen zu lachen. Ihn hat es schon bei der Probe schier zerrissen.

Macht Ali vor der Show eigentlich klar, dass es gleich ziemlich hart zugehen könnte?

Nein, er ist eigentlich die ganze Zeit derselbe Charakter. Das Credo für Gäste lautet also: Geh da rein und sei gewappnet für alles.

Ihr habt mit einer unbekannten Sängerin namens Susie Hug zusammen gearbeitet. War da die ganze Band involviert oder nur Fran?

Eigentlich war es die ganze Band außer mir (lacht). Wir wollten uns mit Susie treffen, Fran sollte produzieren und wir als Backing Band spielen. Doch dann bin ich genau in der Woche umgezogen und konnte nicht dabei sein. Aber sie konnten einen Ersatz für mich finden.

Und jetzt hat sie einen Plattenvertrag?

Das weiß ich gar nicht. Ihr neues Album ist aber auf I-Tunes und einem Download-Shop namens CD Wow zu finden. Es sieht also gut aus für sie, und es ist auch eine schöne Platte geworden. Susie ist eine großartige Songwriterin.

Wie ist es für euch, nach all den Travis-Jahren nun einmal mit einer Frau zusammen zu arbeiten?

Ich denke, weibliche Einflüsse sind immer sehr wichtig. Fran wuchs ja bei seiner Mutter auf und ich hatte immerhin drei Schwestern. Frauen sind einfach cooler als Männer. Sie sind auch näher an den Dingen dran, die unmittelbar um einen passieren, während Männer immer in der Gegend herum springen und sich beweisen müssen (lacht).

Ihr habt mit "The Cage" einen Song für ein Benefizalbum heraus gegeben, dessen Erlös Aung San Suu Kyi, einer inhaftierten Menschenrechtlerin aus Burma, zu Gute kommt. Wer kam auf dieses ernste Thema?

Es wurde an uns heran getragen und Fran befasste sich dann näher mit der Thematik. Er war ziemlich entrüstet und wütend. Ich denke, jeder gute Mensch hat ein Interesse an Gerechtigkeit, und in diesem Land, nur einem unter vielen, herrscht sie leider nicht vor. Wenn wir nun ein klein wenig dazu beitragen können, Menschen auf das Thema Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen, sollten wir das auch tun.

Habt ihr auch einen Überblick, ob die Einnahmen auch alle bei den richtigen Empfängern landen?

In dieser Sache nicht, aber wir helfen ja öfters bei ähnlichen Aktionen, z.B. für Obdachlose in England, und da bekommt man auch immer Feedback.

Könntet ihr euch vorstellen, mit Travis einmal eine politische Partei zu unterstützen, ähnlich ein paar anderen UK-Bands in den 90er Jahren?

Nein! Es gibt keine bestimmte Partei, der wir alle in der Band Glauben schenken. Der Grund ist nicht allzu schwer zu verstehen: Man wird zu oft enttäuscht. Du machst dir keine Vorstellungen davon, was das für eine Aufregung war damals, 1997, als Labour an die Macht kam. Das Land stand Kopf. Wir waren gerade mal 18 und alle in unserem Alter dachten, jetzt wird alles besser. Doch als du gesehen hast, wie deine großen Hoffnungen in die Veränderung nach und nach zu Grunde gerichtet wurden, und wie sich die neue Regierung immer mehr den Tories annäherte, da bist du fast durchgedreht. So etwas macht deinen ganzen Glauben in unser politisches System kaputt. Politiker gehen vielleicht nicht primär in die Politik, um Karriere zu machen. Schließlich sind sie auch zuerst mal jung und haben Ideale und ihre eigenen, neuen Vorstellungen. Aber am Schluss, da sind sie alle gleich.

Dann bist du also ganz froh, kein Mitglied von Oasis zu sein?

Das Problem mit Noel ist ja, er hat nie jemanden aktiv unterstützt. Er ist da halt einfach hingegangen und wollte sich das mal ansehen. Ich meine, wann kommt man schon mal in den Laden rein (lacht). Und wie gesagt, das war zu einem Zeitpunkt, als Blair gerade frisch gewählt war und noch alles möglich schien.

Zum Schluss: Was ist dran an den Gerüchten über einen neuen Song namens "Doctor", den Fran in einem Krankenhaus geschrieben haben soll?

(lacht) Okay, da hat einer seine Hausaufgaben gemacht. Ja, Fran hat den Song geschrieben, aber wir haben ihn noch nicht mit der Band bearbeitet. Er klingt schon mal sehr gut, so viel sei verraten. Wir sind gerade mit Brian Eno im Studio und arbeiten an neuen Sachen.

Soll Eno das neue Album produzieren?

So weit sind wir noch nicht, er kam jetzt für zwei Tage vorbei und wir haben uns zusammen gesetzt, geschrieben und herum experimentiert. Eno ist unglaublich, ein beeindruckender Mann.

Das Interview führte Michael Schuh.

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