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Datum: 30. Mai 2001
Location: Große Freiheit 36
Hamburg
Alle Termine ohne Gewähr

Review

laut.de-Kritik

Smarte Schotten genießen die Große Freiheit!

Review von Jasmin Lütz

Smarte Schotten genießen die Große Freiheit!

Vor ca. 48 Jahren tönte noch Hans Albers " auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob du ein Mädchen hast oder auch keins. Amüsierst du dich, denn das findet sich ...", aus der Großen Freiheit 36, direkt an der Reeperbahn. Chuck Berry rockte dann Ende der 50er die Halle und die Beatles verursachten in den 60ern eine nordische Hysterie. Im Jahre 2001 klingen wunderbare Textzeilen wie "Why does it always rain on me? Is it because I lied when I was Seventeen..." aus dem ehemaligen "Kaiserkeller". Ein legendärer Konzertsaal für eine großartige Band aus Schottland. Travis präsentierten dem begeisterten Publikum ihr mittlerweile drittes Album "The Invisible Band" und amüsierten sich köstlich!

Diesmal regnete es mächtigen Applaus und Jubelschreie auf Sänger und Gitarrist Fran Healy und seine Band. Sowohl neues Material, als auch die bekannten Hits brachten die Halle zum Kochen. Bei "Driftwood" und "Turn" sangen die Fans fröhlich mit. Der Lokalpatriotismus stand dabei keines Falls im Hintergrund. Viele Landsmänner begleiteten ihre Popstars und bewarfen sie mit der blau-weißen Flagge. Zur großen Freude der sympathischen Briten. Frontmann Fran bedankte sich jeder Zeit mit einem charmanten Lächeln, philosophischen Weisheiten und lustigen Anekdötchen. Die Konversation mit seinem Publikum ist ihm sehr wichtig. Er greift zu seiner Wasserflasche, nimmt einen kräftigen Schluck und fragt in die Menge, ob es hier Sänger gibt, die auch in einer Band spielen. Denn die würden mit Sicherheit die Gefahr der Kohlensäure kennen. Dann erzählt der Mann mit dem extravaganten Neo-Punk-Haarschnitt, dass er nur noch Getränke ohne Blubberblasen während der Konzerte zu sich nimmt. Auf dem Glastonburyfestival letztes Jahr ist es ihm nämlich passiert, dass er Sprudelwasser getrunken hat und während einer ruhigen Textzeile rülpsen musste. Eine kleine akustische Präsentation und die Sympathiepunkte verdoppeln sich.

Das muss man Travis lassen. Trotz riesigem Erfolg, vor allem mit ihrem zweiten Album "The Man Who", sind die vier ehemaligen Kunststudenten die netten Jungs von nebenan geblieben. Es geht sogar soweit, dass sie sich an diesem Abend auf einen Deal mit den Fans einlassen. Auch wenn sie berühmter werden und öfter auf größeren Festivals spielen, sie werden immer zu ihren treuen Anhängern stehen und die Musik bleibt das Wichtigste in ihrem Leben. Und das glaubt man spätestens nach diesem großartigem fast zweistündigem Konzerterlebnis. Unvergesslich dieses Stimmvolumen von Mr. Healy. Unerreichbar der Widererkennungseffekt der Hits "Driftwood" oder "Writing to reach you".

Auffallend ist der ständige Gitarrenwechsel, sowohl von Fran Healy, als auch von Gitarrist Andy. Der Mann mit dem revolutionären T-Shirt "We Love You!" benötigt keinerlei Effektleisten und nach jedem Song wird das Instrument gewechselt. Der gute alte Orange Verstärker sorgt dabei in dreifacher Version für den glücklichen Sound. Küken Dougie begeistert nicht nur mit seinem Bass, sondern auch mit seiner süßen Stimme. Begeisterte Aufschreie in den ersten Reihen, wenn der Bassmann die zweite Textzeile von "Turn" anstimmt. Der frischverheiratete Drummer Neil kommt an seinem Schlagzeug ordentlich ins Schwitzen. Musik pur.

Bei der Hymne "Why does it always rain on me" werden die Refrainzeilen lautstark von den Zuhörern mitgesungen, so dass auch Frany mal ein paar Minuten seine Goldkehle schonen kann. Er strahlt über das ganze Gesicht. Im Gegensatz zu anderen Künstlern will er, das man seine Lieder singt!

Die neuen Songs finden sofortige Anerkennung. Die aktuelle Single-Auskopplung "Sing" kennt man ja schon aus den Musikkanälen. Das dritte Album erscheint leider erst Anfang Juni. Dafür entschuldigt sich der Frontmann. Die Plattenfirma sei daran schuld, aber wie gut, dass sie auf Anbieter wie Napster stehen. Auf ihrer Homepage (www-travisonline.com) kann man täglich einen Song ihres langersehnten Longplayers vorab anhören. Wer also dieses Konzert verpasst hat, der sollte unbedingt ins Netz gehen und sich die werdenden Hits wie zum Beispiel "Cage", "Flowers in the Window" oder "Last Train" auf den Ohren zergehen lassen. Auch wenn einigen "Copy kills Music" Anhängern jetzt die letzten Haare zu Berge stehen, Travis sind nun mal der Meinung: "Lieder gehören niemandem, sie sind für alle da! Music is free", schreit Fran ins Mikro. Alles klar. "Internet doesn't kill the videostar"!

Zwei Mal lassen sich Travis zurück auf die Bühne holen. Mit "Happy" vom Debutalbum "Good Feeling" wird dann noch mal zum Schluss richtig abgerockt. Glücklich waren an diesem lauen Samstag Abend mit Sicherheit alle Beteiligten. Noch Stunden später konnten man Travistextzeilen von glückseligen Fans in den Kneipen von St. Pauli hören: "Everything is open. Nothing is set in stone. Rivers turn to ocean. Oceans tide you home. Home is where the heart is ..." Britischer Pop im Herzen der Stadt des Hans Albers! Strahlend schön, wie das Feuerwerk des "Kirschblütenfestes" am Abend zuvor... und diesmal gab es keinen Regen!

Artistinfo

LAUT.DE-PORTRÄT Travis

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