19. September 2018
"Natürlich gab es auch schlechte Zeiten"
Interview geführt von Manuel BergerNach einer Veröffentlichungsflaute um die Jahrtausendwende herum präsentieren sich Uriah Heep seit einigen Jahren wieder höchst produktiv. Das letzte verbliebene Gründungsmitglied Mick Box sprach mit uns über Studioalbum Nummer 25: "Living The Dream".
Uriah Heep sind eine der dienstältesten Rockbands überhaupt. Gegründet 1969 rückt nun das 50-jährige Jubiläum der Band immer näher. Und alles deutet darauf hin, dass Gitarrist Mick Box und seine über die Jahre öfter durchgewechselte Mannschaft dieses 'alive and well' und in musikalischer Topform erleben werden. Dass Heep nicht nur "Lady In Black" und "Easy Livin'" sind, sondern auch heute noch würdige Setlist-Zuwächse in petto haben, zeigen sie auf dem aktuellen Album "Living The Dream". Und Box denkt gar darüber nach, auf seine alten Tage ein neues Projekt zu starten...
Eins meiner Highlights auf "Living The Dream" ist "Rocks In The Road" – der längste Uriah Heep-Song seit Jahrzehnten, mit einer Menge Freiraum zum Jammen. Was ist dein Ansatz an Jams nach so vielen Jahren als professioneller Musiker? Nutzt du sie als Werkzeug, um zu vermeiden, in eine Songwriting-Routine zu geraten?
Mick Box: Jams machen einen Heidenspaß für die, die jammen, sind es aber nicht immer für den Hörer. Sie können ganz schön maßlos geraten. Als ich mit Phil "Rocks In The Road" schrieb, diktierte das Stück beinahe selbst die Länge, die es haben sollte. Wir ließen die Entwicklung des Songs einfach natürlich passieren. Und ja, am Ende des Songs gibt es einen Jamteil. Wir ließen ihn drin, denn er beendet den Song perfekt. Manchmal findest du beim Jammen auch gute Song- oder Riffideen. Das ist super. Du musst nur sicherstellen, dass das Aufnahmegerät eingeschaltet ist.
Läuft so das Songwriting bei euch ab? Oder wie sieht der Prozess in der Regel aus?
Ich schreibe den Großteil mit unserem Keyboarder Phil Lanzon. Ich komponiere eigentlich jeden Tag etwas auf der Gitarre, sei es ein Riff oder eine Akkordfolge, ein Titel oder eine Textzeile – immer irgendwas. Phil macht dasselbe auf seinen Keyboards. Wenn es schließlich daran geht, ein neues Album zu aufzunehmen, hocken wir uns zusammen und sammeln unsere Ideen, um zu sehen, was am besten zur Band passt. Zu 99 Prozent arbeiten wir dann zunächst die Musik aus, dann kommen die Melodien und dann die Lyrics.
Phil Lanzon hat 2017 sein erstes Soloalbum veröffentlicht. Du hast dich dagegen stets auf Uriah Heep konzentriert. Hattest du noch nie das Bedürfnis, etwas anderes abseits davon zu realisieren?
Ich könnte mir durchaus ein Soloalbum vorstellen, aber nur wenn meine zeit es zulässt. Da die Band so beschäftigt ist, muss ich zuhause meinen Rock'n'Roll-Hut ab- und dafür den Familienhut aufsetzen. Würde ich nach einer zweimonatigen Tour heimkommen und meiner Familie mitteilen: "Ich geh' jetzt zur Probe" oder "Ich geh' jetzt ins Studio und nehme ein Album auf", würde das wahrscheinlich nicht so gut laufen. Meine Familie verlangt viel von mir, wenn ich zuhause bin, und ehrlich gesagt, liebe ich das, denn es sorgt für gute Balance im Leben. Ideen für ein Soloalbum gibt es, laufen momentan jedoch nur auf Sparflamme. Ich sprach aber erst vor ein paar Tagen mit Mike Paxman, dem Produzent einiger unserer früheren Alben, und er ist auch scharf auf ein solches Album, also wer weiß...
Was treibst du denn, wenn du zuhause bei deiner Familie bist?
Meine Familie ist wie gesagt die Grundlage meines Lebens. Während ich unterwegs bin, kümmert sich meine Frau um alles an der Heimatfront. Als Anwältin hat sie allerdings auch einen ziemlich fordernden Job, wenn ich also heimkomme, versuche ich, den Druck von ihr zu nehmen und tauche in den Haushalt ein. Wir gehen zum Essen aus, ins Theater oder Kino und ich fahre meinen Sohn überall hin. Ich bin außerdem großer Fußballfan – Tottenham Hotspurs! – und ich gehe zweimal täglich Gassi mit meinem Hund Iggy, einem Englischen Setter. Aber weit weg von der Gitarre bin ich eigentlich nie.
"Natürlich gab es schlechte Zeiten"
Ist der Albumtitel "Living The Dream" in erster Linie als Reflexion deiner Karriere gedacht oder nutzt du ihn auch noch als Metapher für etwas anderes?
Ehrlich gesagt stand der Titel schon eine ganze Weile lang in meinem Notizbuch. Als ich dann das Akkord-Riff zum späteren Titelsong schrieb, passte das einfach dazu. Weil es sich gut anfühlte, brachten wir den Song zuende. Wenn wir die Freude haben, unsere Fans zu treffen, fragen sie uns im Gespräch oft, wo wir schon überall waren und all dieses Zeug. Verrate ich es ihnen, erwidern sie in der Regel: "Wow, ihr lebt wirklich den Traum". Ja, dank ihnen tun wir das.
Gab es eine Zeit, in der das Spielen in der Band ganz und gar nicht deinem Traum entsprach?
Natürlich gab es einige schlechte Zeiten. Aber ich spielte auch in diesen Gitarre und tat, was ich liebe. Das half mir über so manche Hürden hinweg. Ich bin eine positiv eingestellte Person, zu tief in die negativen Seite der Dinge einzutauchen würde mich nur auslaugen und nichts Gutes bringen. Das mündet nur in einer Verschwendung von Energie und Zeit.
Du bist das einzige verbliebene Gründungsmitglied Uriah Heeps. Hast du dich über die Jahre zum klaren Anführer der Band entwickelt oder herrscht Demokratie?
Ich schätze, man könnte sagen, dass es meine Band ist. Aber ich gebe jedem gleiches Mitspracherecht. Es wäre nicht gut, wenn nur vier Fünftel etwas Bestimmtes machen wollen. Um Ergebnisse zu erzielen, müssen wir alle zur selben Zeit in dieselbe Richtung gehen. Sobald eine Entscheidung getroffen wurde, bin aber in der Regel ich derjenige, der sie umsetzt.
Phil Lanzon und Bernie Shaw sind seit den 1980ern Teil der Band, Russell Gilbrook und Davey Rimmer stießen erst vor wenigen Jahren dazu und sind auch deutlich jünger, du bist wie gesagt von Anfang an dabei. Wie hältst du die Band trotz solcher Generationsunterschiede zusammen? Allein wegen des Altersunterschieds und der Zeit, die sie bei Uriah Heep "gedient haben" führt doch wahrscheinlich oft zu Meinungsverschiedenheiten oder?
Es gibt gewisse Leitlinien, nach denen bei Uriah Heep gearbeitet wird. Wenn jemand neu zur Band und zur Heep-Familie kommt, gliedert er sich in diese Schablone ein. Sinn für Humor ist wesentlicher Teil davon. Uns ist wichtig, sowohl als Musiker als auch als Freunde gut miteinander klarzukommen. Die Kameradschaft einer Band ist essenziell, besonders da du so viel Zeit on the road und im Studio zusammen verbringst. Der Altersunterschied spielt eigentlich keine Rolle, denn wir ziehen alle an einem Strang – musikalisch und auch sonst.
"Wir sind Musiker, keine Politiker"
Uriah Heep sind seit über 21 Jahren mit einer Website im Internet präsent. Damals wart ihr wahrscheinlich einer der ersten "alten" Acts, die diese verhältnismäßig neue Plattform genutzt haben. Wie hast du das damals wahrgenommen? Bedeutete das einen großen, schwierigen Wandel oder lief der Übergang relativ flüssig?
Unsere Heep-Website wurde uns freundlicherweise von Fans überreicht, die alle dazu beitrugen, sie aufzusetzen, und zwei von ihnen betreuten sie. Einer heißt Dave White und kommt aus Cleveland, USA, der andere ist Louis Rentrop aus Bergen op Zoom, Niederlande. Louis musste seine Aufgabe kürzlich leider wegen angeschlagener Gesundheit niederlegen, aber Dave hält am Laufen, unter Aufsicht unseres Managements. Es sind nun 21 Jahre vergangen, seit das anfing, das ist echt großartig. Ich habe die Website von Anfang an begrüßt und bin echt froh, dass ich das getan habe.
Ihr wart die erste westliche Band, die in der Sowjetunion aufgetreten ist. Wie groß schätzt du den Einfluss von Musik in politischen Angelegenheiten ein? Sollte Musik als Demokratieorgan genutzt werden?
Wir sind Musiker, keine Politiker. Nur weil wir in der Lage sind, große Hörerschaften zu ziehen, gibt uns das keine Berechtigung, politische Ansichten durchs Mikrofon zu speien. Hätte ich die letzten 48 Jahre wie bei Heep auch in der Politik verbracht, hätte ich vielleicht ein Mitspracherecht, aber ehrlich gesagt kommt unser Publikum, um unterhalten zu werden, nicht um eine Predigt zu hören.
Denkst du die Rolle von Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt – auch in dieser Hinsicht? Wäre es denn heute überhaupt noch möglich, dass ein Musiker ähnlichen Einfluss haben kann wie zum Beispiel Bob Dylan früher?
Die Welt ist heutzutage ein anderer Ort, als damals, als Bob Dylan groß rauskam. Damals gab es im Grunde nur Musik, Mode und Sport, womit sich die Leute befassen konnten. Heute sind die Interessensfelder für jeden viel breiter gefächert, weshalb ich nicht sicher bin, dass man in ähnlicher Weise gehört werden würde.
Nächstes Jahr steht das 50. Jubiläum von Uriah Heep an. Hegt ihr besondere Pläne, zu feiern?
Momenten stecken wir tief in Promotion und Touring zu unserem neuen Album "Living The Dream". Das bedarf gerade all unserer Aufmerksamkeit. Aber ich bin sicher, dass wir früher oder später darüber diskutieren werden und Pläne für eine Feier schmieden werden. 50 Jahre dabei zu sein ist eine unglaubliche Leistung und wir sind wahnsinnig stolz darauf. Deswegen würden wir auch gerne etwas Besonderes dafür vorbereiten.
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