laut.de-Biographie
Veysel
Die Geschichte von Veysel ist auch die eines Ghettorappers, der erkannt hat, dass sich gerade in Zeiten fortwährender Integrationsdebatten mit Gangsterpose Geld verdienen lässt. Je plakativer, lauter und aggressiver, desto besser. So lautet die Devise im deutschen Gangsterrap etwa seit Aggro Berlin.
Anfang 1984 kommt Veysel als Sohn kurdischer Einwanderer in Essen zur Welt. Die Straßen des Problembezirks Altendorf werden sein Zuhause, dort lernt er allerlei kriminelle Geschäftsmethoden: Drogendeal und Diebstahl gehören bald schon zu seinem Alltag.
Als Jugendlicher findet Veysel Gefallen an den Hip Hop-Ikonen Biggie Smalls und 2Pac. Nach ersten Schritten als Freestyler rappt er bald überall, ob im Klassenzimmer, in der Bahn oder beim Drogenhandel. Die Karriere lässt jedoch auf sich warten, bis der Ruhrpottler 2010 endlich so richtig auf die schiefe Bahn gerät. Seine Geschichte ist auch die eines ruinierten Führungszeugnisses.
Bei einem abendlichen Spaziergang hat männliches Imponiergehabe tragische Folgen. Weil sich Veysel und ein ihm entgegenkommender Fußgänger nicht aus dem Weg gehen wollen, schlägt der Rapper dem Kontrahenten vor das Kinn. Ein einziger Hieb genügt, das Opfer stirbt. Veysel flieht in die Türkei, stellt sich aber nach einigen Tagen der Polizei. Das Gericht verurteilt ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis.
Getreu der Legende erfährt kurz vor der Inhaftierung der nicht weniger Ghettorap-geschulte Haftbefehl vom Track "Lieben Und Hassen". Angeblich weiß Haftbefehl, zu diesem Zeitpunkt mit dem Aufbau seiner Plattenfirma beschäftigt, sofort: "Das ist ein Azzlack!" Er nimmt ihn beim gleichnamigen Label unter Vertrag.
Veysel seinerseits weiß natürlich, was nun zu tun ist: Fortan wirkt der Essener auf die Laufbahn nach der Entlassung hin. Tracks und Features mit den Azzlackz-Rappern Celo & Abdi tragen reichlich eindeutige Titel wie "Im Ghetto Geboren", "Besuchstag" oder "Angeklagt". Veysel scheint nie zu müde, um zu betonen, dass der Knast ihn nicht brechen, sondern nur "härter" machen könne.
In Machopose ereifert er sich über den Staat ("Politiker sind alle Verbrecher", "Demokratie, Ehre, Stolz / Alter, ich piss auf euch"), gibt den kaltblütigen, stets vollloyalen Schwerkriminellen und feiert das Prinzip "Harte Schale, harter Kern". Im Sommer 2012 erfolgt die vorzeitige Entlassung aus dem Gefängnis.
Stilecht lässt Veysel sich von seiner Posse vor dessen Toren abholen und ins Studio bugsieren. Dort entsteht bis 2013 das erste Azzlackz-Mixtape "43 Therapie". Die Direktive steht auf der Webseite der Plattenfirma geschrieben: Es gilt, "Deutschland mit seinem Debütalbum die größte Backpfeife aller Zeiten zu verpassen."
Sein Debüt-Album auf dem Azzlackz-Label folgt 2014. "Audiovisuell" heißt das einzige Machwerk in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Label. Im März 2015 verlässt Veysel die Posse. "Dass ich das Label verließ, hatte 'nen Grund", rappt Veysel 2017 in seinem zweiten Studioalbum "Hitman".
Stattdessen gründet der Essener mit Bela Boyz ein eigenes Label, dessen Output er ab 2018 von Universal vertreiben lässt. Dort erscheint auch sein drittes Album "Fuego".
Das Gangster-Image nutzt Veysel auch außerhalb der Musik. Für "4 Blocks" zieht es ihn vor die Kamera. In der preisgekrönten Serie über Gang-Kriminalität in Berlin spielt der Rapper als Abbas Hamady eine der Hauptrollen und offenbart dabei echtes Schauspieltalent.
Noch keine Kommentare