laut.de-Kritik
Michael Poulsen zeigt es an: Der Weg geht steil nach oben für die Dänen.
Review von Michael EdeleAls wir um 17 Uhr zum Interview auftauchen, ist gerade Soundcheck und noch kein Mensch zu sehen. Das hat sich um halb acht vollkommen geändert, da drängelt sich schon jede Menge Volk im Vorraum des Capitols. Man mag kaum glauben, dass diese Band im Februar erst im Nachtleben in Frankfurt spielte, und jetzt in Offenbach mehrere Leute krampfhaft noch nach Karten suchen.
Zunächst entern aber Serum 114 die Bühne, die mit ihrem Deutsch-Punk Rock keinen besonders großen Eindruck hinterlassen. Die Jungs aus Frankfurt und vor allem Fronter Esche machen auf der Bühne richtig was los und haben auch ein paar Fans: Für den letzten Song holen sie sich einen alten Kumpel aus dem Publikum, der die Nummer singt und Esche dadurch noch mehr Bewegungsfreiheit gibt.
Bewegung ist bei Stuck Mojo natürlich ebenfalls Programm. Rich Ward steht keine einzige Sekunde still und legt einen Bewegungsdrang an den Tag, wie sonst nur deutlich jüngere Leute. Der Kerl könnte auch locker einen Job als Aerobic-Trainer bekommen. Rapper Lord Nelson versucht sich zunächst wieder an seiner Bad Boy-Mimik, ist von der abgehenden Kulisse aber viel zu begeistert, um nicht bald ständig zu grinsen. Das liegt auch an den Faxen von Rich, dessen Sidekicks Mike Martin an der Gitarre und Sean Delson am Bass sich davon schnell anstecken lassen. Allein Drummer Steve Underwood hat den kompletten Gig über seinen Psychoblick drauf, der einem wirklich die Hose flattern lässt. Das könnte allerdings auch daran liegen, dass der Kerl bei aller Show einen hammermäßig harten Punch hat.
Gute Stimmung bei der Vorband? Kein Grund zur Panik für den Headliner, vor allem nicht, wenn er Volbeat heißt. Die können einfach nichts mehr falsch machen, haben den Ruf als Party-Band eh weg, jede Menge Hammer-Songs im Gepäck und einen unschlagbaren Frontmann. Das Capitol ist inzwischen proppenvoll, und als Michael noch ohne Gitarre zum Intro auf die Bühne latscht, flippen die ersten schon vollkommen aus.
Daran ändert sich bis zum letzten Song auch nichts mehr - vom ersten bis zum letzten Ton steigt hier eine Party und der Gastgeber glänzt mit toller Musik und coolen Sprüchen. "Die Jack Daniels-Flasche hier hab ich Amy Winehouse aus der Garderobe geklaut", so der Sänger, und als ein Ordner einen Crowdsurfer etwas unkonventionell in den Fotograben hievt, meint er nur: "Hey was war das denn? Geht da was zwischen euch?"
Gitarrist Thomas ist mal wieder der große Aktivposten und springt und tanzt die ganze Zeit über die Bühne. Michael hat dank der drei Mikros auch eine gewisse Bewegungsfreiheit, und Basser Anders steht zwar auch selten still, ist aber trotzdem eher der ruhige Pol vor dem Drumset. Dabei grinst er ständig wie der perfekte Schwiegersohn in die Runde und verarscht höchstens mal seinen Frontmann ein wenig. Noch ruhiger und cooler ist da eigentlich nur Drummer Jon, der vermutlich schon Eiswürfel pinkelt. Absolut tight und fehlerfrei hämmert er seine Jungs nach vorn und verzieht dabei keine Miene. Die Band ist einfach perfekt aufeinander eingespielt und strahlt dadurch eine Freude und Energie aus, die das Capitol in ein Treibhaus verwandelt. Nach 80 Minuten ist endgültig Schluss, und manch einer wird sich gewundert haben, wie lange es das menschliche Hirn doch ohne Sauerstoff aushält.