14. August 2020
"Ich brauche diese Art von TikTok-Hit nicht"
Interview geführt von Simon ConradsAuch die Wallows mussten wegen der Pandemie ihre Tour verschieben, sind aber trotzdem aktiv geblieben. Im Interview erzählen sie, wie sie sich die Zeit vertrieben haben und wie es ist, plötzlich populär bei TikTok zu sein.
Zoom-Interviews sind zwar deutlich dankbarer als Telefon-Gespräche, bergen aber mehr Potential für technische Probleme. Das Trio aus Los Angeles erreiche ich erst mit fünf Minuten Verspätung, vorher läuft die Technik nicht ganz rund. Als es schließlich klappt bin ich überrascht, dass ich Dylan Minnette, Braeden Lemasters und Cole Preston von Wallows zusammen in einem Raum erwische. Die letzten Monate waren sie wie alle anderen vor allem jeder bei sich zuhause, für eine Reihe von Streaming-Konzerten haben sie sich jetzt aber wieder zusammengefunden. Natürlich nur unter der Bedingung, dass sie viele, viele Corona-Tests machen.
Neben den Konzerten lief es den Umständen entsprechend gar nicht schlecht für die Band: Auf TikTok ist ihr Song "Are You Bored Yet?" plötzlich zu einem kleinen Hit geworden, auch wenn sie das selber nicht so sehen wollen. Dem Track wurde damit mehr als ein Jahr nach seinem Release ein zweiter Hype verpasst. Im Gespräch über das Band-Dasein ohne richtige Auftritte und mit virtuellen Gigs, merkt man schnell, dass die drei jungen Musiker ein bestens eingespieltes Team und gut befreundet sind.
Schön, dass ich euch alle drei zusammen sehe!
Dylan: Ich weiß!
Cole: Ja, das passiert selten.
Man kann bald Konzerte von euch streamen, habt ihr die schon aufgenommen?
Dylan: Ja, die sind schon aufgezeichnet. Wir haben ungefähr eine Woche geprobt und dann eine halbe Woche damit verbracht, die Shows aufzunehmen. Wir alle, also die Band und die Crew, wurden mehrmals getestet, vor den Proben, nach den Proben, vor den Shows und nach den Shows… Also, ich muss sagen, das war ein sehr sicherer und effizienter Prozess und ich bin echt beeindruckt, wie das alles geklappt hat. Ja, es hat echt Spaß gemacht!
Was erwartet einen bei den Konzerten? Es gibt vier verschiedene Termine mit verschiedenen Setlists, richtig?
Cole: Ja, sie sind alle verschiedenen, weil wir alle so einzigartig wie möglich machen wollten, damit sie es auch wirklich wert sind, geschaut zu werden. Jeder Gig soll eine ganz individuelle Erfahrung haben. Ja, aber was erwartet einen? Es war auf jeden Fall seltsam, weil wir natürlich für einen leeren Raum performt haben. Niemand war da, abgesehen von der Crew und unserem Manager. Also hat es kurz gedauert, bis wir uns daran gewöhnt hatten, aber dann war es großartig und spaßig. Und es ist so nah wie möglich an einer echten Wallows-Show dran! Ich habe jetzt ein bisschen was von dem Footage gesehen und die Energie und die Lichter stimmen auf jeden Fall. (lacht)
Ihr habt im April den neuen Song "OK" veröffentlicht. Werdet ihr ihn nun das erste Mal richtig aufführen?
Cole: Ja, wir haben ihn letztes Jahr nur geprobt, auch in Soundchecks.
Dylan: Das war dieses Jahr.
Cole: Oh, das war dieses Jahr? Die Zeit ... Na ja, auf jeden Fall werden wir "OK" jetzt das erste Mal live spielen.
Wie ist das, einen Song zum ersten Mal zu spielen, ohne direktes Feedback vom Publikum zu bekommen? Hat sich das okay angefühlt?
Dylan: (lacht)
No pun intended.
Dylan: Ha ha, ja, ich meine ... Keine Ahnung. Es ist interessant, denn wenn niemand vor dir steht, denkst du eher darüber nach, wie du spielst und performst. Wenn man sich die Aufnahmen von zuhause anguckt, dann wird das Audio viel klarer sein, weil niemand mitsingt und niemand im Publikum redet, deshalb ist es viel einfacher, Fehler zu hören. Also fokussiert man sich mehr auf sein Spiel. Wenn dann aber kein Applaus nach den Songs kommt, dann... Hofft man, dass es den Leuten gefällt. Es ist komisch, aber nicht so komisch, wie man denkt.
Cole: Ja, es hat sich angefühlt wie ein Probe, nur, dass wirklich was auf dem Spiel steht.
Braeden und Dylan: Genau!
"Ich brauche oder will diese Art von TikTok-Song nicht unbedingt."
Aber bei euch ist auch noch viel mehr los. Ihr habt gerade mit "Are You Bored Yet?" einen TikTok-Hit. Wie fühlt sich das an?
Dylan: TikTok. (lacht)
Cole: TikTok-Hit ... (lacht)
Dylan: Es ist komisch, weil ich "Are You Bored Yet?" immer noch nicht für einen TikTok-Hit halte. Ich weiß, dass viele TikToker den Song benutzt haben, aber es gibt keinen Tanz dazu, es gibt keinen.
Cole: Es gibt keinen Trend!
Dylan: Genau, es gibt keinen Trend zu dem Song. Ich bin froh, dass der Song durch TikTok so bekannt geworden ist, aber ich bin auch froh, dass Leute nicht den Song hören und sofort solche Bewegungen machen (versucht sich an witzigen Tanzbewegungen). Ich brauche oder will diese Art von TikTok-Song nicht unbedingt. Wenn es mit einem anderen Song passiert, dann wäre das ... cool, glaube ich. Aber wir streben das nicht an, weißt du?
Cole: Aber verglichen mit anderen TikTok-Songs, von denen gibt es Millionen von Videos bei TikTok. Da kommen wir nicht mal annähernd ran.
Tja, Langeweile ist wahrscheinlich einfach die verbreitete Stimmung während der Quarantäne, deswegen ist der Song nochmal populär geworden, oder?
Dylan: Ja, exakt.
Und auch euer Album hat einen passenden Namen, "Nothing Happens", klingt auch ziemlich nach der Quarantäne. Ziemlich prophetisch.
Dylan: Ja, wir sind Propheten. Wir versuchen immer bodenständig zu bleiben.
Könnt ihr euch vorstellen eine "virtuelle Band" zu werden, je nach dem wie lange dieser Zustand noch anhält? Also wie ordnet ihr die virtuellen Gigs jetzt ein?
Dylan: Es hat Spaß gemacht, ehrlich gesagt, weil wir so lange keine Gigs gespielt haben. Es war toll, mal wieder mit Lichtern und einem ganzen Set-Up zu spielen und es ist schön zu wissen, dass Leute es sich auch angucken. Es wird womöglich das größte Publikum, vor dem wir je gespielt haben, weil die Leute von überall her einschalten können. Vor allem merken wir aber auch, wie sehr wir das Touren vermissen.
Wie gesagt, es ist sehr schön euch drei wieder in einem Raum zu sehen. Immerhin das geht wieder.
Braeden: Ja!
Habt ihr auch an neuer Musik gearbeitet? Wann können wir mit neuen Songs von euch rechnen?
Cole: Na ja, wir hatten viel Zeit. Als es am Anfang hieß: "Bleibt zuhause!", da waren wir vor allem verwirrt. Unsere Tour wurde abgesagt und wir mussten Sachen umorganisieren. Dann haben wir "OK" veröffentlicht. An dem Plan haben wir festgehalten, weil wir dachten, die Leute freuen sich über neue Musik. Nach einiger Zeit hatten wir das Ganze dann ein bisschen verdaut, also diese "Stay-At-Home"-Sache und dachten: "Wir müssen an einer Menge Musik arbeiten!" Und das haben wir die letzten Monate gemacht und jetzt sind wir fertig, was verrückt ist. Also, man kann damit rechnen, dass sehr bald etwas erscheint. Etwas innerhalb des nächsten kurzen Zeitabschnittes. (lacht)
Braeden: Witzig ist, dass ich ein paar Wochen nach Beginn der Quarantäne eine Song-Idee hatte. Cole machte ein Demo daraus und ich dachte spontan: "Whoa, wir sollten das einfach fertig machen und veröffentlichen!" Der nächste Reflex war: Nein, wir sollten lieber warten, denn wir können es ja gar nicht richtig promoten. Jetzt veröffentlichen wir eine ganze Reihe von Songs. Es ist witzig, wie sehr sich unsere Einstellung dazu geändert hat, weißt du?
"Es es schön zu wissen, dass ein Kindheitsfreund von mir auch dabei ist."
Habt ihr wieder mit John Congleton gearbeitet, der auch euer Debüt-Album produzierte?
Dylan: Nein, nicht bei den neuen Songs. Wir wollen wieder mit John zusammenarbeiten, wir schreiben die ganze Zeit darüber und werden das sicher in der Zukunft wieder machen.
Braeden: Wir haben mit einem anderen John gearbeiten. John Debold.
Dylan: Ja, wir haben mit ein paar Johns gearbeitet. (lacht) John Debold, John Hill.
Braeden: John Lennon.
Dylan und Cole lachen.
Dylan: Ja, John Congleton ist einer unserer besten Freunde. Wir lieben ihn und wir wollen wieder mit ihm arbeiten.
Ich habe mich gefragt, wie das wohl so für euch ist, mit neuen Leuten zusammenzuarbeiten. Immerhin kennt ihr euch schon seit über zehn Jahren. Müssen andere Leute sich erst irgendwie beweisen? Oder passiert das dann ganz selbstverständlich?
Cole: Ich glaube das passiert sehr selbstverständlich, wenn es um jemanden geht, den und dessen Arbeit du respektierst. Wie die Leute, die wir gerade erwähnt haben, mit denen wir aufgenommen haben, weil sie tolles Equipment haben.
Dylan und Braden lachen.
Cole: Na ja, die sind auf jeden Fall erstaunlich talentiert und ich liebe ihre Musik und was sie machen. Wenn man diese Leute findet, so wie auch John Congleton, dann ist es einfach aufregend mit denen zu arbeiten, weil man neue Perspektiven bekommt und neue Ideen und es inspiriert einen selber zu seinen besten Einfällen, weil du sie beeindrucken willst. Dann willst du das Beste liefern und umgekehrt ist das der Fall, wenn du mit jemandem arbeitest, dem du nicht vertraust. Dann bist du gehemmt, alles von dir zu zeigen.
Ich glaube nicht, dass uns die Tatsache verändert, dass wir uns so lange kennen, aber, zumindest für mich, ist es schön zu wissen, dass ein Kindheitsfreund von mir auch dabei ist, wenn ich in eine Session gehe. Das macht es weniger unangenehm. Wenn du mit jemandem zusammen arbeitest, dann weißt du einfach, ob es stimmt.
Dylan: Das weißt du ab der ersten Sekunde.
Cole: Ja, das stimmt.
Braeden: Es fängt schon beim "Hi" oder "Hallo" an, der andere sagt "Hallo" und du weißt: Nein, das passt nicht.
Ich habe in einem Interview gelesen, dass irgendwann auch mal ein Song mit Cole am Gesang erscheinen wird. Passiert das jetzt?
Cole: Ja, das wird passieren ... irgendwann. Ja ist die kurze Antwort. Wann genau, das weiß ich jetzt noch nicht. Jetzt werde ich wieder sehr vage. Es wird bald passieren, eher als du vielleicht denkst.
Habt ihr in den letzten Monaten auch viel neue Musik gehört, die euch jetzt beeinflusst?
Dylan: Oh Gott, ja. Ich habe viel neue Musik gehört. Jedes Jahr mache ich mir auf meinem Handy eine Notiz und da trage ich all die Alben ein, die erscheinen und die mich interessieren, mit Release-Datum. Und dann gucke ich immer wieder, ob ich alle Alben auch gehört habe, die ich mir notiert habe. Ich höre nie alle, weil es einfach zu viele sind, aber ich gebe mein Bestes. Außerdem habe ich jedes Jahr eine Playlist mit meinen Lieblingssongs, die ich aktualisiere und da ist eigentlich von jedem Künstler immer nur ein Song drin, weil sie sonst viel zu lang wäre. Am Ende des Jahres versuche ich die Playlist dann zu kürzen und flowen zu lassen, so wie ein Album. Das liebe ich und dadurch höre ich auch immer viel neue Musik. Die Playlist läuft auf Shuffle, das sind einfach Songs aus diesem Jahr.
Neulich ist mir aufgefallen, wie viele großartige Songs dieses Jahr erschienen sind, ich habe schon fast 100 Songs in der Playlist. Gerade bin ich ziemlich verrückt nach dem neuen Taylor Swift-Album, ich liebe die Platte so sehr. Das und The Slow Rush (von Tame Impala, Anm. d. R.), das neue Childish Gambino- und das neue Porches-Album. Das sind einige meiner Lieblinge dieses Jahr bisher.
Cool. Und die anderen beiden? Oder hört ihr alle immer den gleichen Kram?
Alle drei lachen.
Cole: Ja, genau, wir teilen uns einen Spotify-Account. Na ja, wir hören schon die selbe Musik, aber mein Spotify-Profil ist ein ziemliches Chaos.
Eine andere Sache, die ich mich gefragt habe: Mit welcher Genre-Bezeichnung könnt ihr euch identifizieren? Man liest oft Indie-Rock oder Bedroom Pop.
Dylan: Ähm ... definitiv nicht Bedroom Pop. Ich glaube, wir fallen in eine Alternative-Kategorie. Das ist eine so vage Beschreibung, da passen wir rein. Ich würde nicht mehr Indie oder Indie-Rock sagen.
Cole: Ich würde sogar sagen, dass wir eher Pop machen als Rock. Also, Bedroom Pop ohne den Bedroom, obwohl wir gerade in einem Schlafzimmer sind.
Braeden: Wir machen Bathroom Pop.
Alle lachen.
Dylan: Ja, wir legen uns auf Bathroom Pop fest.
Die vier Konzerte der Band kann man ab dem 17. und 23. August, sowie am 13. und 17. September streamen, Tickets sind im Internet zu erwerben.
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