1. April 2014
"Ich bin absolut für die GEMA!"
Interview geführt von Michael EdeleInterviews mit Daniel Wirtz sind in meinem Fall in mehrfacher Hinsicht ergiebig. Allem voran ist es immer wieder schön, einen alten Bekannten zu treffen und ein angenehmes Gespräch zu führen. Zusätzlich lernt man über Daniel immer auch ein paar interessante Bars und Clubs in Frankfurt kennen.
Im Falle von "Unplugged" handelt es sich nur bedingt um 'neue' Songs, so dass sich die Frage aufdrängt: Warum überhaupt eine Unplugged-CD?
Wirtz: Weil die Nachfrage da war. Der Wunsch kam tatsächlich von der Konsumentenseite, ich wurde immer wieder gefragt ob und wann es denn so ein Album geben würde. Wir haben ja hier und da schon ein paar Akustik-Nummern fürs Radio gespielt und gerade die sind dann auf YouTube gelandet und haben sich schnell verbreitet. Wir haben uns dann dazu entschieden, mal schnell ins Studio zu gehen und so ein Album aufzunehmen. Und genauso schnell haben wir dann festgestellt, dass das eigentlich ne total beschissen Idee war (lacht).
Das Problem ist, dass du Songs, die du nach deiner Ansicht schon perfekt aufgenommen hast, nicht nochmal quasi ohne Eier und trotzdem mit vollen Emotionen singen kannst. Zumindest ich hatte da Probleme mit. Das war dermaßen langweilig und witzlos, dass ich echt nicht wusste, wie ich da überhaupt rangehen soll. Letztendlich gab es nur die Möglichkeit, die Sache direkt wieder zu beenden, oder eben die Songs selber nochmal ganz neu zu interpretieren, auch als künstlerische Herausforderung.
Textlich bist du aber bis auf eine kleine Ausnahme beim Original geblieben. Die Veränderung war letztendlich der musikalische Ansatz.
Genau. Aus "verarschen" ist im Song "Scherben" jetzt "verleugnen" geworden. Wäre mir das vor drei Jahren schon eingefallen, wäre ich direkt bei "verleugnen" gelandet, denn das trifft die Aussage doch eher. Das hat in der jetzigen Atmosphäre einfach nicht gepasst. Ich bin mal gespannt, wie das beim nächsten Rockkonzert von uns läuft, wenn ich die Stellen einfach nicht selber singe, sondern das Publikum den Part übernehmen lasse. Das wird bestimmt ne bunte Mischung werden (lacht).
Die Frage war, wie wir die Texte noch ein wenig mehr in den Vordergrund rücken können, was dazu führte, dass wir nicht nur mit anderen Instrumenten die Melodien übernommen haben, sondern auch auf ganz andere Harmonien gewechselt sind. Das Klavier spielt nun eine ganz große Rolle und da war "Geschichten Ohne Sieger" der erste Ansatz, der schnell stand. Das musikalische Gerüst ist sehr ruhig und es gibt sehr viele stille Momente und das war dann für mich die bis dahin fehlende Herausforderung, diese Stille mit Leben zu füllen.
Dadurch, dass die Akkorde jetzt auch andere waren, konnte ich natürlich auch von der Gesangsmelodie anders an die Sache heran gehen. Und als das Ding dann im Kasten war, war uns klar, dass der Rest nur Sinn machen würde, wenn wir das bei 13 oder 14 Songs ebenfalls schaffen.
Gerade die Streicher-Arrangements waren doch sicher sehr aufwendig. Von wem stammen die überhaupt?
Das hat alles unser Matthias (Hoffmann) übernommen. Vor allem, wenn es darum ging, die Sachen auch in Noten zu fassen. Arrangiert habe ich die Sachen zum Teil auch selber, aber das auf dem Keyboard einzuspielen und zu programmieren ist halt nur die eine Sache. Dann mussten wir noch die Noten aufschreiben, nach Hamburg zu Stefan Pintev schicken, wo alles aufgenommen wurde. Der Mann ist so was wie die Schnittstelle zwischen Band und Klassik. Er ist der Mann, zu dem Udo Lindenberg geht, wenn er seine Musik mit Klassik verbinden will.
Der will aber keine Keyboard-Demos, sondern Noten auf Blättern. Die Demos, die wir extra aufgenommen haben, hätten wir uns komplett sparen können (lacht). Wenn deine finanziellen Mittel dann genau für einen Schuss reichen, dann ist das schon wieder ne aufregende Sache. Da darf dann einfach keine falsche Note dabei sein!
Bisher hast du eher mit Leuten gearbeitet, die das Frankfurter Umfeld hergegeben hat. Wieso jetzt der Schritt nach Hamburg?
Naja, wenn man so ein Album macht, dann darf man da nicht mit Doseninstrumenten arbeiten. Dann muss das ein echter Flügel sein und der muss von einem gespielt werden, der das wirklich drauf hat. Über Wer-Kennt-Wen haben wir in Fechenheim den Raoul aufgetrieben. Das ist ein Typ, der bestimmt ganz gern Rock'n'Roll machen würde, aber momentan sehr viel für die Werbung arbeitet. Der besitzt ein Studio mit einem extra klimatisierten Raum, in dem ein Flügel und ein Mikro stehen, für das sich andere einen Sportwagen leisten würden.
Eingespielt hat die Parts letztendlich Tom Schlüter, der als klassischer Pianist recht bekannt ist und die Sachen in kürzester Zeit aufgenommen hat. Und das hörst du dem Material echt an. Unter dem Kopfhörer ist das wirklich beeindruckend. Somit ist "Unplugged" nicht nur die aufwendigste, sondern auch die teuerste und für uns auch spannendste Platte bislang geworden.
"Man muss in diesem Geschäft Idealist sein"
Das wäre meine nächste Frage gewesen. Bislang seid ihr ja immer auf All-In gegangen, wenn es darum ging, ein neues Album aufzunehmen. Habt ihr da mittlerweile zumindest durch die Einnahmen der bisherigen Scheiben ein Polster, mit dem ihr die nächste Aufnahmen finanzieren könnt?
Hahaha, schön wär's! Auch dieses Mal war es wieder All-In und daran wird sich so schnell vermutlich nichts ändern. Schade, aber leider ist es so. Da muss man einfach Idealist sein. Ne Null wäre mit dem Album aber zumindest echt schön. Ich bin ja jetzt seit kurzem auch Vater geworden und da wiegt so eine Entscheidung umso schwerer. Sagen wir es mal so: So lange die Mutter noch stillt, ist das mit dem Nachwuchs ja ein relativ kostengünstiges Projekt. Und im Notfall muss eben gestillt werden, bis der Zwerg 18 ist (lacht).
Nein, das spielt schon mit rein, aber im Grunde bin ich jemand, der sich keine Sorgen macht, denn sobald ich mir die mache, geht es eh nach hinten los. Das kennt man ja vom Skaten oder Snowboarden. Sobald du dir Gedanken machst oder Angst bekommst, liegst du auf der Fresse.
Hat man da nicht auch die Frage im Hinterkopf, wie man das überhaupt wieder toppen will?
Ach, das wird natürlich mit dem kompromisslosesten Rock-Album ever getoppt (lacht). Für die nächste Scheibe müssen die Gitarren natürlich wieder auf C runtergestimmt werden und geile neue Songs und Texte her. Ich denke, das aktuelle Album steht eh so ein bisschen außer Konkurrenz. Das ist so ein bisschen wie das Soloprojekt vom Soloprojekt – für den Wirtz-Genießer. Die nächste laute Platte wird sich dann eher wieder bei den drei anderen Rock-Scheiben einreihen.
Wie weit seid ihr dann da mit neuen Songs?
Och, wir fangen nach der Tour mal damit an. Bislang gibt es da außer Ideen und Bruchstücken, die ich mir auf mein Handy gequatscht habe, nicht viel. Wobei ich mir um Musik ehrlich gesagt auch keine Sorgen mache. Vielmehr müssen richtig gute Texte her. Geplant ist aber, direkt im Anschluss an die Tour ins Studio zu gehen und mit der Arbeit anzufangen. Dann muss man sich durch jede Menge Bullshit arbeiten, bevor ich zu den Sachen vordringe, die interessant sind. Das ist ein sehr mühsamer und auch extrem frustrierender Prozess, aber ich hoffe, es lohnt sich.
Lernst du denn aus deinen eigenen Fehlern?
Hm, ich habe zumindest sämtliche Fehler von allen Seiten beleuchtet und kann mich bei jedem exakt in dem Moment entscheiden, ob ich ihn nochmal machen will, oder nicht. Dann bin ich mir auch der Konsequenzen deutlich bewusst. Ich finde es legitim und wichtig, Fehler zu machen, denn dadurch kommt man weiter. Wenn man den gleichen Fehler aber drei Mal macht, ist das schon wieder ein ziemlicher Akt von Dummheit. Das versuche dann sogar ICH zu vermeiden (lacht).
Ich glaube aber nicht, dass mir so schnell die Themen ausgehen und selbst wenn, dann wird mich der Matthias im Studio ganz schnell auf den Boden der Tatsachen holen. Wenn der gähnend hinter der Glasscheibe sitzt und sagt: "Das kannste ohne mich machen", dann siehts düster aus. Da war er schon immer knallhart. Immer wenn ich dachte, ich hätte mir noch irgendwas Geiles zurecht gemogelt, seh ich, wie er auf die Tastatur starrt und den Kopf schüttelt. Er weiß schon, wie er mich treten muss, dass ich an die Grenzen gehe.
"Nur die GEMA will geistiges Eigentum schützen"
Sind einige der ursprünglichen Versionen eigentlich auch schon an der Akustischen entstanden?
Nein, das was auf CD rockt, wurde auch mit Vollstrom komponiert. Aber nachdem ich die neue Scheibe jetzt oft gehört habe, denke ich mir bei einigen Nummern doch, dass diese Version auch die Originalversionen hätte sein können. Es fühlt sich zumindest nicht so an, als hätten wir irgendeinen Song kastriert oder verstümmelt.
Wie waren denn die Reaktionen bisher? Gab es denn überhaupt Negative?
Nicht wirklich. Es gab schon mal vereinzelt Stimmen, die meinten, dass sie nichts damit anfangen können, aber eher, weil sie allgemein keinen Bedarf an akustischer Musik haben. Das war dann eher ne nette Art zu sagen, dass man sich auf die nächste Rock-Scheibe freut. Das ist schon ein spezielles Album, denn im Frühlingsgefühl fährt man sich die Songs nicht rein. Wenn man aber mal nen düsteren Tag hat, kann es durchaus sein, dass man den Zugang auf einmal findet, auch wenn man damit vorher nicht viel anfangen konnte.
Ich glaube, wenn du eh schon nen düsteren Tag hast, kann es dir nach dem Album richtig, richtig dreckig gehen. Im positiven Sinne, versteht sich.
Naja, das ist wie nach einem Gewitter, das kann sehr reinigend sein. Die Sache ist definitiv hochemotional. Ich bin im Zuge der Promotion ja auch mit dem Gibson-Bus durch die Gegend gefahren und hab per Preisausschreiben über Facebook und Co. zwölf Leute pro Stadt eingeladen, um sich mit mir im Bus die Scheibe anzuhören. Stellenweise haben die Taschentücher gar nicht gereicht, um das emotional zu verarbeiten. Das ist für mich natürlich sehr schön zu sehen, dass die Songs so treffen, wie wir uns das erhofft haben.
Hast du nach wie vor die Muße, mehrere Stunden am Tag online mit deinen Fans zu kommunizieren?
Ja klar, das wird sich auch nie ändern. Bei mir sind täglich mindestens zwei Stunden für Homepage und Facebook reserviert, die Zeit muss und will ich mir einfach nehmen. Ich steig zwar nicht auf jede Diskussion mit ein, wie momentan zum Beispiel die Sache mit der GEMA und YouTube, aber auf direkte Fan-Mails antworte ich wenn möglich nach wie vor.
Man kann euch mittlerweile wohl als mittelgroße Band bezeichnen, die sicher auch mit Spannung die Diskussionen und Artikel rund um die GEMA beobachtet. Seid ihr da eher pro oder contra GEMA?
Absolut pro. Ich finde, dass es der Artikel in der Süddeutschen total auf den Punkt bringt. Die Gema ist der einzige Verein der noch die Meinung vertritt, dass geistiges Eigentum geschützt werden muss. Unglaublich dagegen, dass es Google geschafft hat, die Sache so zu verkaufen, dass die Künstler in der Außendarstellung die Arschlöcher sind.
Mit Sicherheit gibt es einige Dinge, die reformiert werden müssten, weil es zum Beispiel zu Zeiten der Gründung noch kein Internet gab. Ebenso sollte der Verteilungsschlüssel genauer angepasst werden, so dass auch noch der kleinste Künstler in der Kette berücksichtigt wird.
Dies war früher bestimmt nicht einfach, aber in der heutigen digitalen Welt sollte es auf jeden Fall realisierbar sein.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Schön, das auf pro oder contra zu vereinfachen, so bringen wir die GEMA-Diskussion ganz toll voran.
Als ob sich irgendein Mensch mit einem ausgeprägten echten Leben für die GEMA-Diskussion von irgendwelchen Internet-Foren-Heinis interessieren würde.
Korrekt!
Welcher Nutzer der Laut.de-Kommentarfunktion hat denn ein ausgeprägtes Leben? Abgesehen davon ist nicht immer alles uninteressant für andere, nur weil es einen selbst nicht interessiert.