laut.de-Biographie
Zarah Leander
Kommt das Gespräch aufs Thema 'Große deutsche Diva', stehen sofort Namen wie Marlene Dietrich und Hildegard Knef parat - und natürlich Zarah Leander. Die stammt allerdings eigentlich aus Schweden: Sie kommt am 15. März 1907 in Karlstad als Tochter eines Grundstückmaklers und einer Hausfrau zur Welt und wächst zusammen mit vier Brüdern auf.
Über ihre Familie kommt sie schon früh mit musischen Elementen in Berührung. Ihr Vater studierte Musik und Orgelbau in Leipzig. Seit 1911 erhält Zarah Unterricht in Klavier und Geige.
Nicht nur väterlicherseits entwickelt sich von Beginn an ein enger Kontakt zur deutschen Kultur. Klavierlehrer und Kindermädchen stammen ebenfalls daher. Nach Beendigung des Gymnasiums verbringt Zarah zwei Jahre in Riga.
Dort lernt sie die deutsche Sprache und fällt die Entscheidung ihres Lebens: Nach regelmäßigen Besuchen von Musikbühnen und Theatern zieht es sie selbst auf die Bretter, die die Welt bedeuten.
Natürlich regt sich Widerstand seitens des konservativen Teils der Familie. Nur der Vater unterstützt Zarahs Vorhaben. Dank seiner finanziellen Großzügigkeit reist sie 1926 erstmals nach Berlin, um dort weitere Eindrücke in der Welt von Kunst und Musik zu erhalten.
Der Weg zum Erfolg erweist sich als dornig: wieder daheim, fällt sie an der Königlichen Schauspielschule Stockholm bei der Aufnahmeprüfung zum Stück "Salome" gnadenlos durch. Die Leander besitzt weder Gesangs- noch Schauspielausbildung.
Zarah macht die Bekanntschaft mit dem Schauspieler Nils Leander, den sie bald darauf ehelicht. Er vermittelt ihr kleine Bühnen-Engagements. 1927 und 1929 kommen Tochter Boel und Sohn Göran zur Welt.
Die Erkrankung einer Kollegin verschafft Zarah 1928 erstmals die Chance zum großen Gesangs-Auftritt: In der Operette "Drogne Emil" trägt ihr Hauptsong den bezeichnenden Titel "Wollt Ihr Einen Star Sehen, Schaut Mich An".
Diese Operette bedeutet Zarahs Durchbruch. Schon bald nimmt sie das Label Odeon unter Vertrag. 1931 erfolgt die Scheidung von Ehemann Nils, doch bereits 1932 geht Zarah mit dem Journalisten Vidar Forsell eine zweite Ehe ein.
Bis 1936 erscheinen 80 Songs von Zarah Leander. Längst ist auch die Filmindustrie auf die Künstlerin aufmerksam geworden. In Schweden dreht sie drei Filme.
Ihr Können macht nicht vor Landesgrenzen Halt. Zarah erhält 1936 im Theater an der Wien eine Rolle in dem Musikstück "Axel An Der Himmelstür" und erntet begeisterte Kritiken.
Parallel zu den Auftritten dreht sie ihren ersten deutschsprachigen Film: In "Premiere" gibt sie ein Revue-Girl. Neben Film-Angeboten aus London und Hollywood verspricht sich auch die Berliner UFA viel von dem jungen Talent. Zarah Leander unterzeichnet einen Vertrag.
Bereits mit den ersten drei Filmen "Zu Neuen Ufern", "La Habanera" und "Heimat" gewinnt sie entgültig die Herzen der Deutschen - bis auf die nationalsozialistischen Machthaber. Josef Goebbels steht dem Vorhaben, ausgerechnet eine Ausländerin als Nachfolgerin für die in die Staaten übergesiedelte Marlene Dietrich zu etablieren, kritisch gegenüber. Doch ihre Erfolge, und ihre "postive Außenwirkung für das Bild des dritten Reichs" lassen ihn bald umdenken.
Bis 1942 dreht Zarah Leander in Babelsberg zehn Filme, die sich ausnahmslos als Kassenschlager erweisen. Auch in Schweden bleibt sie in den ersten Kriegsjahren ein Star. Ihre Songs entwickeln sich zu großen Hits, darunter "Kann Denn Liebe Sünde Sein" und "Der Wind Hat Mir Ein Lied Erzählt".
1943 entstehen im Verbund mit dem Film "Die Große Liebe" Zarah Leanders wohl legendärste Lieder: "Davon Geht Die Welt Nicht Unter" und "Ich Weiß, Es Wird Einmal Ein Wunder Gescheh'n". Später sehen sich diese beiden Titel Vorwürfen ausgesetzt, sie seien als bewusste Durchhalteparolen zur Unterstützung des NS-Regimes konzipiert. Doch die Wahrheit sieht anders aus.
Textdichter Bruno Balz ist als Homosexueller der Verfolgung der deutschen Machthaber ausgesetzt. 1941 wird er von der Gestapo festgenommen, und rechnet fest mit der Einweisung in ein KZ. Doch sein Freund, der Filmkomponist Michael Jary, interveniert und teilt mit, der Künstler werde dringend für einen kommenden Zarah Leander-Film gebraucht. Beim Verlassen seiner Gefängniszelle schießt Bruno Balz unter den Eindrücken der Situation der Gedanke "Davon geht die Welt nicht unter" durch den Kopf. Der Rest ist Geschichte.
Ebenfalls 1943 fasst Zarah Leander unter den Eindrücken des Krieges einen schweren Entschluss: Sie verlässt Deutschland im März, ihr befristeter UFA-Vertrag endet im September.
Von daheim auf dem schwedischen Gut Lonö möchte die Künstlerin ihre Arbeit bis Kriegsende im Heimatland fortsetzen - doch sie sieht sich inzwischen von ihren Mitbürgern durch ihre Filmarbeit als Kollaborateurin mit den Nationalsozialisten gebrandmarkt.
In Deutschland gilt sie, obwohl nicht im Groll von Land und Bürgern geschieden, von politischer Seite aus fortan als Unperson. Es erscheint ein hämischer Artikel in der von Heinrich Himmler geführten Propaganda-Publikation "Politischer Dienst für SS und Polizei", in dem es unter anderem heißt:
"Erst hat sie eine mondäne Frau in Deutschland darstellen und dann fortschreitend die deutsche Frau verdrängen und ersetzen wollen. Wir haben sie dabei großgemacht. Ihre Bilder haben jeden Bunker geschmückt, und sie war für viele Landser der Inbegriff der Weiblichkeit geworden."
"Nun sitzt wohl der Iwan in den Bunkern und kann sich an ihrem polierten Lächeln ergötzen. Wir wünschen ihm gute Unterhaltung dabei! Zarah ist entschwunden. Sie ist davongefahren, als bei uns die Wiese der Erotik abgegrast und genug Geld verdient war. Man kann sie zwar noch ausleihen und mit ihr eventuell Devisen erobern, aber wir sind vor neuen Filmen bewahrt, und die deutsche Frau kann wieder Atem holen."
Nach dem Krieg auf ihre politische Haltung während der NS-Zeit angesprochen, bleiben Leanders Aussagen in einem ähnlichen Sinn gehalten wie beim ebenfalls oft gescholtenen Kollegen Johannes Heesters - sie sei Künstlerin, keine Politikerin.
In ihren 1972 erschienenen Memoiren bezieht sie Stellung: "Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen? Ich bin fast froh darüber, dass man mir das Etikett politischer Idiot aufgeklebt hat. Wenn ich das aber wirklich bin, sollte man mich mit grundlosen Anklagen wegen einer politisch fragwürdigen Vergangenheit in Ruhe lassen. ... Ich konnte die politische Farbe nicht wechseln, weil ich nie eine gehabt habe."
Ab 1947 startet Zarah Leander in der Schweiz ihre Nachkriegs-Karriere. Sie nimmt Songs auf Deutsch und Französisch auf und absolviert wieder Konzert-Auftritte. Nach dem Wiedersehen mit Michael Jary folgt 1948/'49 die erste Tournee durch Deutschland - mit ausverkauften Auftritten und einem begeistert-stürmischen Empfang durch das Publikum.
Auch Schweden hat inzwischen seinen Frieden mit der Leander gemacht. Sie tritt in Malmö auf. 1950 steht sie wieder vor der Kamera: Im in Hamburg produzierten Film "Gabriela" spielt die Diva eine Barsängerin. Nach drei Wochen zählt der Streifen über 1.200.000 Besucher - Zarah Leander ist entgültig wieder da!
In den Folgejahrzehnten bleibt sie gut im Geschäft mit Filmen, Konzerten und TV-Auftritten. Doch das Alter fordert seinen Tribut: 1973/74 absolviert Zarah Leander eine große Abschiedstournee durch Deutschland. 1978 gibt sie ihren letzten großen Bühnenauftritt im Musical "Das Lächeln Einer Sommernacht".
Am 16. Juni 1979 erklärt die Künstlerin auf einer Pressekonferenz: "Ihr werdet mich nie mehr in einer Theaterrolle oder mit einem Mikrofon sehen." Ihre letzten Lebensjahre verbringt sie - am Ende an den Rollstuhl gefesselt - auf ihrem geliebten Gut Lonö.
Am 23. Juni 1981 fällt dann der letzte Vorhang: Zarah Leander stirbt in einem Stockholmer Krankenhaus an den Folgen einer Gehirnblutung.
In "Monolog Eines Fans" erinnert Paul Seiler 1982 an die große Diva: "Wir waren süchtig nach Zarah, nach ihrem pathetischen Stil, ihren überlebensgroßen Gefühlsausbrüchen, Walkürenauftritten, ihrer dunklen, fast männlichen Stimme. Für viele war sie Vater und Mutter zugleich, sie war auch eine Ersatzdroge für nicht ausgelebte Gefühle."
Noch keine Kommentare