laut.de-Kritik
Ein perfekter Pop-Jazz-Abend.
Review von Klaus HardtAl Jarreau startete seine Deutschland-Tournee dieses Mal in der erwürdigen Alten Oper. In gediegener Atmosphäre stimmte einen zunächst die Sängerin Lyn Leon mit ihrer Band und ruhigen Lounge-Sounds auf Groove und Improvisation ein. Die Amerikanerin, die schon einmal mit Steely Dan auf der Bühne stand, bot leider etwas zu langweilig Melodien mit einer zwar perfekt ausgebildeten Stimme, die aber ein wenig an Inbrunst vermissen lies. Umso spannender war es, die Arbeit ihrer Bandkollegen zu beobachten. Denn für das harmonische Fundament zeichneten die beiden Schweizer Perkussionisten Stephan Diethelm und Matthias Eser verantwortlich.
Beide absolvierten eine klassische Ausbildung und beherrschen somit das Spiel auf Vibraphon und Marimbaphon. Darüber hinaus setzten sie noch diverse Glasinstrumente ein, die sie in Zusammenarbeit mit einer Spezialfirma entwickelten. So kam man aus dem Staunen kaum mehr heraus, wie die Soundtüftler durch Reiben und Anschlagen schwebende Klangflächen erzeugten. Schlagzeuger Kaspar Rast und Bassist Michael Chylewski spielten die dazu passenden ruhigen Beats. Nach einer Pause, die sich die Zuschauer durch den Genuss des ein oder anderen Sektgläschens verkürzten, begann Al Jarreau ohne große Umschweife. Noch bevor er die Bühne betrat, vernahm man seine berühmten Vocalimprovisationen. Aufgedreht und vor guter Laune sprühend, tänzelte er über die Bühne.
Nach und nach kamen die einzelnen Bandmitglieder zu ihm rauf und alle beteiligten sich an der gesanglichen Darbietung. Erst nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass man eine A-cappella-Version des Standarts "Route 66" zu hören bekam. Nach dieser überraschenden Konzerteröffnung begaben sich die Musiker an ihre Instrumente (Deborah Davis, Gesang; Ross Bolton, Gitarre; Mark Simmons, Drums; Joseph Turano, Keyboards, Saxophon; Christopher Walker, Bass; Lawrence Williams, Keyboards) und boten im folgenden einen Mix zwischen Jazz und Pop Musik. Fusion wäre hier aber der falsche Begriff, da nicht ausgedehnte Improvisationen und superkomplizierte Unisoni im Vordergrund standen, sondern eingängige Melodien und Arrangements.
Selbstverständlich nahm sich der Bandleader immer wieder den Freiraum, um während seiner Soli mit der Stimme verschiedene Instrumente vom Saxophon bis zum Schlagzeug zu imitieren. Natürlich kam überwiegend seine aktuelle CD "Accentuate The Positive" zum Zuge. Ständig fuchtelte Jarreau mit Fingern und Armen zu seinen Improvisationen, animierte die Bandkollegen mit einem Lächeln oder aufmunternden Gesten und war bei den Ansagen stets für einen Scherz zu haben. Diese gute Laune übertrug sich auch auf die Musiker, die mit Spielfreude die Stücke des Meisters interpretierten. Dazu kam natürlich noch die unglaubliche Selbstverständlichkeit und Lockerheit, mit der die Ausnahmeinstrumentalisten ihre Aufgabe erledigten. Nicht nur an einem Instrument konnte zum Beispiel Joseph Turano glänzen. Neben seinem Keyboard- und Saxophonspiel gab er sogar ein Duett mit Al Jarreau zum Besten. Und auch die Songauswahl unterstützte die aufgelockerte Stimmung.
Songs wie "Mornin'" oder "Trouble In Paradise" lassen die Welt ein bisschen schöner erscheinen. In den vorderen Publikumsreihen wurde der Sänger frenetisch gefeiert und bei "Boogie Down", dem letzten Stück des regulären Programms, hielt es die ersten dann nicht mehr auf den Sitzen und sie fingen an zu tanzen. Mit Standing Ovations forderte das Publikum eine Zugabe, die natürlich auch kam. Viele setzten sich überhaupt nicht hin. Einige standen direkt vor der Bühne und bewegten sich zur Musik. Im Überschwang der Gefühle kannte manch einer die Grenzen des guten Geschmacks nicht mehr. Ein Zuschauer der vorher kaum die Hände stillhalten konnte und auf seinen Oberschenkeln mittrommelte, packte beim letzten Stück des Abends, "One Note Samba", gar eine Trillerpfeife aus und ergänzte die Musik mit seinen eigenen brasilianischen Rhythmen. Dies war aber der einzige kleine Zwischenfall, der auch die fröhlich Stimmung nicht beeinträchtigte, eines ansonsten perfekten Pop-Jazz-Abends.