laut.de-Kritik
Mit zweifelhaftem Wetter und einem umstrittenen Headliner in die zweite BYH-Dekade.
Review von Michael EdeleVom vorletzten Jahr ist nur noch zu gut der Hagelsturm in Erinnerung, der vor allem die Camper, aber auch Teile des Bühnenaufbaus in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Vorausetzungen für das Bang Your Head 2007 könnte wahrlich besser sein - auf dem Southside ganz in der Nähe ist ja sogar absolutes Chaos angesagt. Beim frühmorgendlichen Aufbruch in Mainz sieht das Wetter allerdings noch ganz freundlich aus, und man will ja nicht zu pessimistisch an die Sache herangehen, doch als ich den Kollegen am Balinger Bahnhof abhole, fallen schon die ersten Tropfen.
Freitag:
Kaum sind wir am Gelände angekommen und bewegen uns in Richtung Kartenhäuschen, steigert sich das Nieseln zu einem ordentlichen Schauer, der so richtig aufdreht, als wir an den Zuschauern vorbei in den Pressebereich flüchten. Zwar stellen sich viele bei den strategisch auf dem Gelände verteilten Möglichkeiten unter, doch selbst im Regen vor der Bühne haben sich noch zahlreiche Leute versammelt, um Wolf zu lauschen. Adramelch haben wir schon verpasst, und der Power Metal von Wolf zieht uns auch nicht unbedingt in das Sauwetter raus. Da kommt ein Kaffee und ein paar anschließende Bier schon gelegener, immerhin gibt es die Nachricht zu feiern, dass der Kollege die Evolution überlistet hat und dessen Frau im Dezember sogar zwei Ableger in die Welt setzen wird.
Während draußen Moses wieder auf alte Tricks zurückgreifen und die Fluten hätten spalten können, unterhalten wir uns drinnen mit the one and only Singh, der seinen Turban wohl auch nicht unbedingt komplett einweichen wollte und sich für Girlschool genauso wenig vors Zelt traut wie unsereins mit der Kamera. Dabei haben die Ladies dem akustischen Erscheinen nach ordentlich gerockt und auch Indevent-Chef Ralph Graupner war mit seinen Schützlingen sehr zufrieden. Kaum sind die fertig, macht auch Petrus Schluss, dreht den Hahn ab und lässt mal die Sonne ran. So bekommen wir zwar Praying Mantis mit, wissen aber mit dem altbackenen Hard Rock der Herren kaum was anzufangen und klappern lieber mal die Gegend ab.
Lethal wurden schon beim Clubgig am Vorabend in den höchsten Tönen gelobt und geben auch auf der großen Festival-Bühne eine gute Figur ab. Sänger Tom Mallicoat rennt zwar die ganze Zeit (auch für den Rest des Festivals) mit nem beknackten Strohhut rum, singt aber außerordentlich gut. Auch wenn es Eric nicht nach Europa geschafft hat, lassen es sein Bruder Glen Cook am Bass und David McElfresh an der Gitarren mächtig krachen. Somit ist das Fehlen von Eric zwar ärgerlich, fällt aber kaum weiter auf.
Vicious Rumors waren Donnerstag auch schon im Club, allerdings sieht man Frontzwerg James Rivera dort ja kaum. Da bietet sich die Festival-Bühne, mittlerweile bei Sonnenschein, schon eher an. Die Show ist klasse, der Gesang verdammt gut und abwechslungsreich, da stört es auch nicht, dass James hin und wieder ein paar Textblätter zur Hilfe nehmen muss, die wohl vor ihm auf den Boden liegen.
Auch Evergrey können sich auf ihre Fans verlassen, allerdings nicht auf ihren Bassisten. Der hat ja schon vor einiger Zeit verlassen - auf dem BYH springt für ihn ein Kerl ein, der mit seiner Sonnebrille optisch eher in ne Poserband passen würde. Songtechnisch gibt es bei den Schweden aber einmal mehr nichts zu meckern, was das Publikum genauso sieht. Das trifft auch voll und ganz auf Dark Tranquillity zu, die wie immer von Anfang an Vollgas geben - Sänger Mikael Stanne ist der aktive Dreh und Angelpunkt der Band. Die Songs der neuen Scheibe knallen live genauso und reihen sich nahtlos neben den alten Klassikern ein. Allerdings fällt einmal mehr auf, dass sich die Schweden auf der Bühne gegenseitig keines Blickes würdigen und immer nur aneinander vorbei starren.
Thunder fallen anschließend der Suche nach Abendessen zum Opfer, weswegen wir erst zu Amon Amarth wieder vor der Bühne stehen. Die beiden Pfosten, die einen müden Showkampf abliefern, hätten sich die Wikinger zwar sparen können, aber der Gig, den sie danach hinlegen, ist wieder mal allererste Sahne. Johan Hegg und seine Truppe fallen zum wiederholten Male in Balingen ein und brandschatzen zwar nicht die Häuser und schänden die anwesenden Damen, aber der Eindruck, den sie hinterlassen könnte nicht nachhaltiger sein. Wir waren wohl nicht die Einzigen, die sich gefragt haben, warum die Schweden nicht als Headliner auf der Bühne standen. Vor allem die Pyros und Flammenwände hätten bei ansatzweise Dunkelheit mit Sicherheit mehr Wirkung gehabt.
Dann ist es Zeit für den Freitags-Headliner, und vor der Bühne wird es eng, da alle sehen und hören wollen, was Black Sabbath mit Dio anstellen, wenn sie als Heaven And Hell auftreten. Drummer Vinnie Appice muss in sein Drumset einsteigen wie in ne Karre. Tür (Wand mit Trommeln) auf, Vinnie rein, Tür zu. Als nächstes schreiten Tony Iommi und Geezer Butler auf die Bühne, begrüßen das Publikum mit englischer Zurückhaltung und legen los. Ja und irgendwann turnt auch Dio auf die Bühne, tänzelt vor dem Drumset auf und ab und macht es den Fotografen doppelt schwer, ihn hinter den Bodenscheinwerfern überhaupt zu sehen. Keine Frage, musikalisch war das durchaus ne feine Sache, was den Anwesenden von den Oldtimern geboten wurde. Ne mitreißende Show sieht aber doch ein wenig anders aus. Mitunter hatte man ein wenig das Gefühl, auf einer überlangen Live-Jam-Session zu sein. Und was für Whitesnake gilt, gilt leider auch für Heaven And Hell: Drumsoli braucht KEIN SCHWEIN!
Samstag:
Da um 23:00 schon Schicht im Schacht sein muss, kommen wir beinahe noch bei Tageslicht zu unserer Unterkunft und lassen den Tag noch mal Revue passieren. Wie schon in den Jahren zuvor fragt man sich, warum die Veranstalter nicht mehr auf modernere Bands setzen, sondern nach wie vor an Truppen festhalten, die schon in den 80ern kaum jemand in Europa kannte. Auch nach den nächsten paar Bier fällt uns keine Erklärung ein, weswegen wir (uns) einfach das Licht ausknipsen.
Der Samstag Morgen offenbart ein wenig Sonne, und mit dem ersten Kaffee gehen sogar die Augen ein paar Zentimeter mehr auf. Dennoch trudeln wir erst zu den letzten Klängen von Powermad wieder auf dem Gelände ein und haben somit Archer und Mystic Prophecy verpasst, die beide ordentlich Shows hingelegt haben müssen. Zumindest laut Abandoneds Günt, der schon wieder alles und jeden mit Aufklebern seiner Band tapeziert.
Mercenary lassen wir uns allerdings nicht entgehen und werden mit einem sehr starken Auftritt belohnt. Das Augenmerk der Dänen liegt auf den letzten beiden Alben, und mit zwei Sängern wie Mikkel Sandagger und dem neuen Basser René Pedersen (der isst auch nicht nur Gemüse, der Kerl) lässt sich eigentlich kaum was falsch machen.
Danach müssen Amorphis ran, von denen sich immer mehr der Eindruck festigt, dass es bei den Finnen zwar um eine ausgezeichnete Studioband, aber nur bedingt um eine gute Liveband handelt. Vor ein paar Wochen auf dem WGT im Kohlrabizirkus war das ja noch ganz ok, aber auf der großen BYH-Bühne agiert die Band zu statisch. Allein Fronter Tomi Joutsen schwingt immer wieder heftig seine arschlangen Rastas, aber wirklich mitreißen kann und will er das Publikum wohl auch nicht.
Da legen Finntroll anschließend schon ganz anders vor und auch wenn Shouter Mathias Lillmans nach wie vor eher ein Standgröhler ist, kommt bei den Waldschraten doch jedesmal gute Stimmung auf. Im Publikum wird jedenfalls geschunkelt, geschwoft und gesoffen, was den Pelzrockträgern auf der Bühne sichtlich Spaß bringt.
Mit Brainstorm lässt sich nicht viel falsch machen, denn auch wenn man Sänger Andy B. Frank vielleicht verwerfen kann, ein wenig selbstverliebt zu sein – ein klasse Sänger und Frontmann ist er allemal. Als einziger Musiker des Festivals springt er sogar in den Fotograben und hält auch auf der Bühne ständig Kontakt zum Publikum. Wer sich also die demnächst erscheinende DVD der Band zulegt, wird sich bestimmt nicht über statisches Stageacting ärgern müssen.
Nazareth absolvieren ihren Gig, ohne von laut.de beobachtet zu werden, denn zu der Zeit werden wir gerade von zwei Vierteln von Abandoned als Geisel genommen und zum Interview gezwungen, das demnächst hier bei laut.de zu lesen sein wird. Der Kollege, der rechtzeitig flüchten konnte, erzählt später aber von einer wahren Best-Of-Darbietung der Nazarener, was immer das auch heißen mag.
Tja, W.A.S.P. lassen sich erst einmal kräftig Zeit, da Blackie wohl gerade wieder seine Tage hat oder sonst irgendwas nicht stimmt. Als wüssten wir das nicht alle selber, müssen uns die Ordern drauf hinweisen, nur bei drei Songs zu fotografieren. Zehn Minuten später (die Band sollte eigentlich schon lange spielen) sind es nur noch zwei und als der zweite gerade zur Hälfte gespielt ist, fliegen wir schon wieder raus aus dem Fotograben. Wenigstens geben sich Blackie und Co auf der Bühne aktiv, auch wenn man den Basser beizeiten mal erschlagen könnte. Die Backings kommen weitgehend wieder vom Band, wie das beim Rest der Musik aussieht, wage ich jetzt mal nicht zu beurteilen.
Hammerfall setzten da lieber auf entsprechende Bühnenausstattung (klar, zehn Bassdrums müssen schon sein) und jede Mengen Bewegung und Spielfreude. Man mag von der Band auf CD ja halten, was man will (und das ist in meinem Fall nicht viel) aber live geht es bei den Schweden immer gehörig ab. Zwar rennt Oskar diese Mal nicht als Blechdose, sondern mit mehreren Quadratmetern Teichfolie bekleidet durch die Gegend, aber was zum Lachen braucht ne Band ja auch.
Edguy zum Samstags-Headliner eines großen Festivals zu machen, war Anlass ausschweifender Diskussionen schon im Vorfeld des diesjährigen BYH. Live machen die Hessen doch jedes Mal eine gute Show, auch wenn man bei ausbleibenden Dunkelheit von der Lichtshow nicht wirklich profitiert. Stimmlich gab es an Fronter Tobi eigentlich nie was auszusetzen, die ganze Singspielchen, die der kleine Kerl in ausgeprägtem Maße abzieht, sind aber mehr als nur Geschmackssache. An Spielfreude hat es den Jungs aus Fulda noch nie gemangelt und so sehen sich die anwesenden Fans auch gut unterhalten.
Allerdings nutzen auch zahlreiche Besucher schon die Gelegenheit, sich so langsam auf die Heimreise vorzubereiten und Ähnliches machen auch wir nach den ersten 45 Minuten. So schlecht liegen wir mit dieser Entscheidung allerdings nicht, denn auch Edguy müssen erst noch lernen: Drumsoli (auch wenn sie in dem Fall ein wenig durch Hintergrundmusik kaschiert werden) braucht KEIN SCHWEIN!
Galerien zu fast allen Künstlern in den Portalen.