laut.de-Kritik
Ohne Plan und Gleichgewichtssinn betreten sie die Bühne ...
Review von Philipp SchiedelSie sind eine Rockband. Zwar mit vielen anders klingenden Ecken, Kanten und Schichten, durch die sie so interessant werden, aber ihre Basis bleibt der berühmte Sex und Drogen-Satz. Und die vier Totenpfad-Texaner wissen, dass das Publikum von einer Rockband eben genau diesen ausgelatschten Satz erwartet. Ihr seit unten, wir sind oben: gut, ihr bekommt die Show.
Stockbesoffen betreten sie die Bühne und ziehen ihre Sache durch. Ohne Plan oder Gleichgewichtssinn, dafür aber mit einem dicken Feedback im Opener "I was there that I saw you". Sehen können sie in den folgenden neunzig Minuten hauptsächlich ihre Whiskey-Flaschen, die stetig kreisen. Zwar schlägt deren Wirkung etwas zu sehr auf die Stimme aller drei Sänger, und nicht nur einmal schießen sie ordentlich über das Ziel hinaus, ihr Sound stimmt aber in seinem Krachkosmos.
Drückend und fordernd kippt die Gitarre immer kurz vor dem ausufernden Lärm wieder zum rettenden (und jedes Mal grandiosen) Riff über. Trail of Dead finden genau den Mittelweg zwischen Abstraktion und tightem Rock'n' Roll, den ihre erste Vorband Vue mit ihren metalligen Gitarrensoli vergeblich suchte. Deren Folk/70s Rock- Darbietung vernachlässigte das gute Stück Punkrock natürlich nicht, stand aber am Ende trotzdem ohne einen Song da, der einen Griff ins Plattenregal belohnt.
Anders natürlich der Hauptact. Von ihrer Durchkonstruierung auf der Rille lassen Trail of Dead live wenig übrig, vielmehr wird heftigst ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne geprescht. Ruhige Songs verdrängt die Band komplett aus ihrem Repertoire, lieber wechseln sie sich an Schlagzeug und Gitarre ab, schmeißen das Hi-Hat eine Sekunde, nachdem der Roadie es gerade aufgerichtet hat, noch ein zehntes Mal um, und lassen die Gitarre um die Hüfte schwingen. Das ist eine Show. Im Gegensatz zur wortkargen zweiten Vorband Clinic im OP-Kostüm. Aber wenigstens rockten diese auch unbeweglich mit verrückten Blasinstrumenten contra Schrammel-Gitarren. Rock funktioniert auch ohne Aufwand.
Trail of Dead müssen allerdings immer noch einen draufsetzen. So wird der Alkohol nicht nur weiter in sich hinein, sondern auch übers Publikum geschüttet und man torkelt lallend durch die ersten Reihen. Während drei der vier immer unzurechnungsfähiger werden, steht ihr zweiter Gitarrist abwesend als ruhiger Punkt links hinten in der Ecke. Wie ein wachender Vater lässt er seine Kollegen sich mit Bananen bewerfen, mit Klebeband einwickeln und das angeblich von Belle & Sebastian geliehene Schlagzeug zerstören. Sichtlich gelangweilt ist er der Einzige, der sich konzentriert und so den Sound wenigstens ein bisschen zusammenhält, damit alles im Chaos nicht komplett zusammen bricht. Als dann die Party langsam zu viel des Guten wird und seine drei Kollegen (wie bei Offspring) plötzlich auch noch die Kiddies auf die Bühne bitten, zündet er sich eine Zigarette an und legt sie lässig zwischen seine Lippen. Wer eigentlich wegen der Musik kam, ist in diesem Moment völlig auf seiner Seite.