laut.de-Kritik
Kling Klang-Rock vor einem Mini-Publikum.
Review von Michael SchuhDie Verkaufszahlen im Vorfeld deuteten zwar schon darauf hin, steht man dann aber an der Biertheke der Münchner Tonhalle und besieht sich die tatsächlich nur zu einem Drittel gefüllte Halle aus der Seitenansicht, kann einem der Künstler beinahe Leid tun. Einst ein über sämtliche Szenen hinweg gelobpreister Crossover-Darling, scheint die Anziehung Beck Hansens auf Konzertgänger im Jahr 2005 so erschreckend schnell wie überraschend heftig nachgelassen zu haben. Lord only knows.
In Köln und Berlin mussten die ursprünglich gebuchten Hallen wenige Tage später sogar kleineren Locations weichen. Den Meister kümmert das alles wenig. Was die 800 Zuschauer in der insgesamt 2200 Menschen fassenden Halle im Kunstpark Ost zu sehen bekommen, ist eine im positiven Sinne solide Beck-Show, die dank einer humorvollen Akustikeinlage auch die nötige Erholungsphase vom gewohnt mächtigen Groove-Gewitter beinhaltet.
Für einen Power-Konzertstart mit Songs wie "Devil's Haircut" und "Black Tambourine" würden andere Bands vermutlich ihre Großmutter veräußern, umso unverständlicher, dass Beck seinen Fans zuvor ein seltsam progrockiges Synthie-Wabern als Intro vorsetzt. Schlechte Laune bekommt der Mann indes nicht einmal, obwohl er sicher bis in die letzte Münchner Reihe blicken kann. Styletechnisch mit Hemd und kunterbunter 70s-Krawatte bereits auf ein festliches Set eingestimmt, kredenzt er vorwiegend Songs seines bei Geburt getrennten Doppelalbums "Odelay"/"Guero" und zur allgemeinen Erleichterung sieht Beckyboy in natura doch nicht so alt aus wie es aktuelle Promofotos zuvor noch glauben machten, sondern eigentlich so jung wie 1993.
Zu den Höhepunkten der ersten Hälfte zählt das auf Beatbox-Grooves tiefer gelegte "Hell Yes" sowie der neue Rocker "Send A Message To Her". Dann heißt es plötzlich Mahlzeit, ein fertig gedeckter Tisch rollt auf die Bühne, an dem sich Becks Musiker niederlassen, um Rotwein und frisches Obst zu genießen. Beck hängt sich derweil seine Akustische um und läutet einen "Sea Change"-Abstecher ein: "Guess I'm Doing Fine", "Lost Cause" und der überragende Soundtrackbeitrag "Everybody's Gotta Learn Sometime" funkeln in ihrer simplen Darbietung und erinnern an die alten Tage, als Beck sein Publikum noch als little Dylan verzückte.
Jener hätte auf seiner Bühne jedoch kaum geduldet, was Becks Bandkollegen nun anstellen: Anstatt sich gediegen volllaufen zu lassen, nehmen die sechs Jungs Messer und Gabel zur Hand und bringen die zahlreichen Gläser zum Klirren, was sich mit zunehmender Intensität - Kling Klang! - zu einer Art Dinner-Industrial hochschaukelt, das die Deckenkamera auf eine große Leinwand projiziert. Da hätte es die zur Verabschiedung gereichten Rausschmeißer "Loser", "Where It's At" und "Epro" in alter Rock-Besetzung eigentlich gar nicht mehr gebraucht. Vielleicht sollte Beck das nächste Mal einfach nur mit seiner Akustikgitarre auf Kneipentour gehen. Ein Gedanke, der sich nach diesem Abend förmlich aufdrängt. Verrauchte Bar-Klitschen kriegt er ja auch noch voll.
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